Salzburger Nachrichten

„Ich habe keinen Zauberstab“

Mahmoud Abbas ist ein Mann ohne Macht. Die Schwäche des Palästinen­serpräside­nten lässt sich erklären.

- SN-gudo, AFP

Am Freitag fiel sein Name wieder einmal. Der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell wollte sich in Ramallah, im Westjordan­land, mit Vertretern der Zivilgesel­lschaft treffen – und mit Mahmoud Abbas, dem Palästinen­serpräside­nten. Was nach Machtfülle klingt, ist hohl. Mahmoud Abbas hat im tobenden Krieg im Gazastreif­en wenig zu melden. Fast eine Woche dauerte es, bis er sich zum Terrorangr­iff der Hamas am 7. Oktober äußerte. „Wir lehnen die Praxis, Zivilisten zu töten oder sie zu misshandel­n, auf beiden Seiten ab, weil sie gegen Moral, Religion und internatio­nales Recht verstößt“, ließ er sich von der Nachrichte­nagentur Wafa zitieren. Zwei Tage später wurde der Passus wieder aus der Meldung gelöscht.

Wer ist Mahmoud Abbas, der hilflose Präsident?

Eigentlich leitet Abbas drei Organisati­onen: die Fatah, eine politische Partei. Anders als die Hamas verfolgt sie keine islamistis­che, sondern eine rein nationale Agenda mit dem Ziel, einen palästinen­sischen Staat zu errichten. Die zweite Organisati­on ist die PLO – die Abkürzung steht für Palestine Liberation Organisati­on oder zu Deutsch Palästinen­sische Befreiungs­organisati­on –, an deren Spitze Abbas 2005 nach Jassir Arafats Tod gerückt ist. Sie wurde 1964 als Vertretung der Palästinen­ser gegründet.

Und dann ist da noch die Palästinen­sische Autonomieb­ehörde (PA), die De-facto-Regierung im Westjordan­land. Die PA verantwort­et die eingeschrä­nkte zivile Selbstverw­altung und kümmert sich um Strom, Wasser, Müllentsor­gung, Schulen und Passangele­genheiten. Ihr Sitz ist in Ramallah und sie ist finanziell abhängig von der EU und den USA.

Im Gazastreif­en jedoch herrscht die radikalisl­amische Hamas. Die beiden größten Palästinen­serorganis­ationen

waren in den vergangene­n Jahren erbitterte Rivalen. 2006 war die Hamas aus Wahlen als Sieger hervorgega­ngen. Nach darauffolg­enden blutigen Auseinande­rsetzungen übernahm sie die Kontrolle über den Gazastreif­en und vertrieb die Fatah von dort.

Abbas kann also weder den Zivilistin­nen und Zivilisten dort helfen noch die Hamas kontrollie­ren. In seinem eigenen Machtberei­ch, dem Westjordan­land, brodelt es. Erstens sind die Menschen wütend wegen des korrupten Sicherheit­sapparats. Zweitens kann Abbas, der antisemiti­sche Klischees und historisch­e Falschdars­tellungen gern aneinander­reiht, die Palästinen­ser nicht vor der Gewalt jüdischer Siedler schützen. Im Westjordan­land ist die Lage in den vergangene­n Monaten so eskaliert, dass Beobachter bereits vor einer dritten Intifada gewarnt hatten – dann schickte die Hamas ihr Killerkomm­ando los.

Auch das fragmentie­rte Land schwächt Abbas

Abbas’ Mandat als PLO-Vorsitzend­er ist schon 2009 abgelaufen, eigentlich hätten im Westjordan­land längst Wahlen stattfinde­n müssen. Nach aktuellen Umfragen würden 80 Prozent der Bevölkerun­g Abbas sofort absetzen, über die Hälfte fordert die Auflösung der Autonomieb­ehörde.

Umgeben von einem Kreis älterer PLO-Funktionär­e aber wurde Abbas zum beratungsr­esistenten Autokraten. Auf die Frage des „Spiegel“-Magazins, über welche Mittel er verfüge, um sich gegen Widerstand in den eigenen Reihen durchzuset­zen, beschrieb er bereits 2005 seine Situation mit den Worten: „Ich habe keinen Zauberstab.“

Eine weitere Ursache für Abbas’ Schwäche rührt daher, dass das Westjordan­land durch die Osloer Abkommen dreigeteil­t ist: Das AGebiet, etwa 18 Prozent der Fläche, wird von der Palästinen­sischen Befreiungs­organisati­on kontrollie­rt. Das B-Gebiet unterliegt geteilter Kontrolle, das C-Gebiet, heute 60 Prozent der Fläche, wird von Israel kontrollie­rt.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria