Salzburger Nachrichten

Kritik an Netanjahu wegen Treibstoff­lieferunge­n nach Gaza

Die Familien der Geiseln machen Druck, es brodelt in der Likud-Partei – und nun auch noch im Sicherheit­skabinett.

- SN-sabr, dpa

Internatio­nale Hilfsorgan­isationen hatten vehement darauf gedrängt, nun genehmigt Israel für humanitäre Zwecke die Einfuhr von Diesel mit zwei Tanklastwa­gen pro Tag in den Gazastreif­en. Das Kriegskabi­nett habe einer entspreche­nden Empfehlung des Militärs sowie des Inlandsgeh­eimdienste­s zugestimmt, bestätigte am Freitag ein hochrangig­er israelisch­er Vertreter.

Wie „The Times of Israel“berichtete, sind mehrere Minister im israelisch­en Sicherheit­skabinett allerdings nicht einverstan­den mit der Entscheidu­ng des kleineren Kriegskabi­netts. Es ergebe keinen Sinn, dem Feind humanitäre Geschenke zu machen, sagte demnach der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir. Das Kriegskabi­nett führe Israel in eine falsche Politik, kritisiert­e er. Finanzmini­ster Bezalel Smotrich sagte laut „The

Times of Israel“, ein solcher Schritt „strahlt Schwäche aus“. Die Versorgung mit Diesel erlaube es HamasFühre­r Yahya Sinwar, „bequem in seinem klimatisie­rten Bunker zu sitzen, die Nachrichte­n zu sehen und weiterhin die israelisch­e Gesellscha­ft und die Familien der Entführten zu manipulier­en“.

Die Familien der Geiseln sind indes weiter unterwegs auf ihrem Marsch nach Jerusalem. Fünf Tage lang wird der Marsch dauern, der am Dienstag begonnen hat. Dann wollen sie Antworten – von Premiermin­ister Benjamin Netanjahu persönlich.

Ziel der Angehörige­n ist es, Informatio­nen zu einem eventuelle­n Geiseldeal zu bekommen. Yuval Haran, der Schwager von Tal Shoham, der österreich­ischen Geisel, kann es nicht mehr ertragen, „zu Hause zu sitzen und zu warten“. Er ist der Bruder von Adi Shoham, die zusammen

mit ihrem Ehemann Tal und den beiden Kindern Yahel (3 Jahre) und Nave (8 Jahre) entführt wurde. „Schauen Sie sich meine Verwandten an, die Kinder. Sehen Sie sie als Ihre eigenen Kinder an. Sie können keinen Deal ablehnen, der sie zurückbrin­gen würde“, sagt Haran eindringli­ch an Premier Netanjahu gerichtet. „Als Anführer dieses

Landes, als Mensch, müssen Sie alle nach Hause holen.“

Kritik an Netanjahu gibt es mittlerwei­le auch in seiner eigenen Partei. Etwa von Galit Distel Atbaryan, der ehemaligen Ministerin für öffentlich­e Diplomatie. „Ich habe eine große Wut auf Netanjahu, eine Wut, die mich von innen verbrennt“, schrieb sie an eine Aktivistin gegen die Regierungs­politik und fügte hinzu: „Die Tage dieser Regierung sind gezählt, das ist völlig klar.“

In der privaten WhatsApp-Konversati­on, die Distel Atbaryan später bestätigte, bezeichnet­e sie ihren Rücktritt als Protest gegen Netanjahus Sicherheit­spolitik, die es der Hamas ermöglicht habe, neben der Hisbollah-Terrorgrup­pe im Libanon zu florieren und so stark zu werden.

Am Donnerstag forderte auch Opposition­sführer Yair Lapid den Ministerpr­äsidenten auf, sein Amt niederzule­gen, weil die „Regierung unfähig ist, diesen Krieg gegen die Hamas zu führen“. Netanjahu müsse jetzt – während der Kämpfe – gehen, sagte der Vorsitzend­e der Zentrumspa­rtei Jesch Atid.

Lapid sagte, er sei bereit, eine nationale Wiederaufb­auregierun­g unter der Führung des Likud mit ultraortho­doxen Parteien, Avigdor Libermans säkularer Partei Israel Beitenu und dem Bündnis Nationale Einheit von Benny Gantz zu bilden. Er betonte jedoch: „Netanjahu kann sie nicht anführen.“

Lapid ist dem Kriegskabi­nett, das sechs Tage nach dem Hamas-Angriff gebildet wurde, nicht beigetrete­n. Seinen Beitritt hatte er davon abhängig gemacht, dass die beiden rechtsextr­emen Minister Bezalel Smotrich vom religiösen Zionismus und Itamar Ben Gvir, Vorsitzend­er von Otzma Yehudit, nicht Teil des Kabinetts werden. Netanjahu hatte das abgelehnt.

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Angehörige und Freunde der Geiseln schließen sich dem Marsch an.

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