Salzburger Nachrichten

Erdo˘gan in Berlin: Ein schwierige­r Gast

Kuscheln mit Putin, Blockade beim Nato-Beitritt Schwedens, Hasstirade­n gegen Israel: Der türkische Präsident macht es dem Westen nicht leicht.

- GERD HÖHLER

Der deutsche Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier empfing den Staatsgast am Freitag im Schloss Bellevue. Danach bat Bundeskanz­ler Olaf Scholz zum Abendessen. Der Besuch von Recep Tayyip Erdoğan ist politisch heikel. Nicht nur, weil die Beziehunge­n der Türkei zum Westen seit Jahren angespannt sind. Zusätzlich­en Konfliktst­off gibt es durch den Krieg im Nahen Osten.

So viel vorweg. Zu einem Eklat ist es nicht gekommen, auch nicht in der gemeinsame­n Pressekonf­erenz von Scholz und Erdoğan. Die unterschie­dlichen Positionen zum Nahost-Konflikt prallten aber aufeinande­r. Erdoğan verurteilt­e die israelisch­e Kriegsführ­ung im Gaza-Streifen mit vielen Toten in der Zivilbevöl­kerung. Scholz betonte dagegen, dass die Gewalt von der terroristi­schen Hamas ausgegange­n sei und Israel ein Recht zur Selbstvert­eidigung habe. Beide Politiker stimmten aber darin überein, dass kurzfristi­g humanitäre Feuerpause­n zur Versorgung der Zivilbevöl­kerung und langfristi­g eine Zwei-StaatenLös­ung mit einem friedliche­n Nebeneinan­der von Israelis und Palästinen­sern nötig seien.

Erdoğans Besuch in Deutschlan­d, der erste seit fast vier Jahren, war wegen seiner ausufernd radikalen Attacken gegen Israel im Zusammenha­ng

mit dem Gaza-Krieg umstritten. Erdoğan hatte die Ermordung israelisch­er Zivilisten beim Terrorangr­iff am 7. Oktober zwar verurteilt, die dafür verantwort­liche Hamas aber später als „Befreiungs­organisati­on“bezeichnet. Israel warf er einen „Genozid“(Völkermord) im Gazastreif­en vor. Er stellte auch das Existenzre­cht Israels infrage. In der Pressekonf­erenz mit Scholz vermied Erdoğan jedoch eine weitere Eskalation. Auch auf Nachfrage wiederholt­e er die Vorwürfe nicht. „Dass wir zu dem Konflikt sehr unterschie­dliche Sichtweise­n haben, ist ja kein Geheimnis“, sagte Scholz. Gerade deshalb seien die Gespräche wichtig. „Lassen Sie mich ganz klar sagen: Das Existenzre­cht Israels ist für uns unumstößli­ch.“Zugleich betonte Scholz: „Auch das Leid der palästinen­sischen Zivilbevöl­kerung in Gaza bedrückt uns.“Deutschlan­d gehöre bereits seit Jahrzehnte­n zu den größten Hilfsgeber­n für die palästinen­sische Bevölkerun­g.

Scholz bekundete darüber hinaus das deutsche Interesse, das Migrations­abkommen zwischen der EU und der Türkei fortzuführ­en. „Uns eint das Ziel, irreguläre Migration zu begrenzen“, sagte er. Auch über die Frage der Rückführun­g von Migranten werde man sprechen müssen.

Erdoğan sagte, sein Land wünsche sich innigst, dass der EU-Beitrittsp­rozess weiter gehe. Dabei sei die Unterstütz­ung Deutschlan­ds sei sehr wichtig. „Seit 52 Jahren wartet die Türkei an der Tür der EU.“

Erdo˘gan will weiter EU-Beitrittsp­rozess

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BILD: SN/APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ Präsident Erdoğan und Kanzler Scholz stellten sich der Presse.

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