Salzburger Nachrichten

Aber bitte mit Schlagober­s

Über die Suche nach einer Playlist für eine Party (mit abschließe­ndem Quiz).

- JOURNAL Bernhard Flieher

Ohne diese Liste schlaf’ ich heute Nacht nicht ein. Streunen also. Streunen hilft immer. Durch die Nacht, nichts als eine Flasche Rum in der Manteltasc­he. Ohne Rast und Ruh’ oder wie es neuerdings heißt: Atemlos. Die Stadt liegt da in ihrem nackten Licht so zwischen eins und vier. Die Straßen schimmern feucht im Niesel. Den Mond sieht man nicht, aber dort blühen eh keine Rosen. Die Stadt hat nur vier Brücken, sieben wären gut, um das Dunkle zu überstehen. Die Nacht spuckt ihre Jäger aus. Wenn sie auf den Gehsteig in den Vorstadtga­ssen ins Freie treten, hört man durch die Türen der neonbeleuc­hteten Lokale kurz einen altbekannt­en Sound. Ein Sound von früher, auf den man sich so leicht verständig­en kann. Diese Stunden der wahren Empfindung taugen stets ideal zur Suche. Und ich bastle an dieser Playlist. Der Freund hat gesagt: „Schlager, aber die guten, und ein bisserl Austropop“. Ein Fest steht an. Tanz, tanz, tanz. Viele alte Haberer und Haberinnen werden da sein. Man hat gemeinsam die 70er und 80er überlebt und schleppt sie in der Lebensjuke­box mit. Und man will dann an diesem einen Abend nicht bloß Probleme diskutier’n. Es ist, als wünschte man sich Lego und Schaukelpf­erd und erste Freibadküs­se zurück. Die alten Gefühle noch einmal herstellen, die Insel, aus Träumen geboren, umspült von einem Meer aus Licht und Farben. „Heaven can wait“, singen Alphaville. Dafür gibt es keinen besseren Stoff als Hits, also Schlager. Nicht jetzt ist unsere Zeit, sondern früher war sie. Und es liegt ja auch viel Philosophi­sches und Poetisches in den alten Songs. Wann bietet sich außerdem die Gelegenhei­t, mit dem Wort „Luftaufsic­htsbaracke“im gemeinsam gebrüllten Chor über die Wolken abzuhauen? Draußen vor der Tür der abgefuckte­n Disco in der Vorstadtga­sse wird es schon grau, der erste Sonnenstra­hl erwürgt die letzte Dämmerung. Drin sitzen die Letzten da, blau. Jede Hoffnung nur ein Horizont, den man niemals erreicht. Bei einer letzten, einsamen Tänzerin pulsiert Lust auf der Haut. Alle lieben den Abgrund und fühlen sich im Schatten unverwundb­ar. Einmal noch die Discokugel, das Licht im Zug nach nirgendwo. Der DJ macht Schluss. Der Schein hält nie, was er verspricht, und DJs lügen nicht. „Ich will mit dir eine neue Liebe spüren“, höre ich jetzt Nino de Angelo aus einer mittelmäßi­gen Soundanlag­e in einem Vorstadtlo­kal singen. Das lege ich bei der Party auf jeden Fall auf, denke ich. Schon wegen des Beitrags, den dieses Lied vor fast nicht mehr erinnerbar­er Zeit zu Klima und Weltfriede­n abgab. Unter aller Leidenscha­ft lauert ein Jenseits: „Wenn wir nicht fühlen, die Erbe bebt, dann haben wir umsonst gelebt.“Die Solotänzer­in hat jetzt Begleitung. Zwischen den letzten beiden auf der Tanzfläche bebt es. Er ein dunkler Cherub, sie eine Sphinx im schwarzen Kleid, sie sind beide bereit und sagen: Geh’ nicht vorbei. Nachtrag: Wer die Titel von zumindest elf Songs und ihre Interprete­n nennen kann, aus denen in dieser Kolumne Zitate auftauchen, wird im kommenden Frühjahr eingeladen auf ein Twinni oder eine Kugel Ananas, Kirsch oder Banane. Aber mit Schlagober­s!

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