Salzburger Nachrichten

Immer mehr Raser müssen nachsitzen

Aggression im Straßenver­kehr wird spürbar schärfer bestraft. Die Zahl der Nachschulu­ngen hat sich binnen sieben Jahren mehr als verdoppelt. Ein Verkehrsps­ychologe berichtet über seine Klientel und seine Erfahrunge­n mit den Kursen.

- FRITZ PESSL

Lichthupen, dichtes Auffahren, Missachten von Fußgängern auf einem Schutzweg, Überfahren doppelter Sperrlinie­n, Missachten roter Ampeln und natürlich weitaus überhöhte Geschwindi­gkeit. Nur einige Beispiele, die unter aggressive­s Fahrverhal­ten im Straßenver­kehr fallen. Wurden vor einigen Jahren dafür zumeist noch Geldstrafe­n verhängt, so müssen Lenker mit Inkrafttre­ten des „Raserpaket­s“immer öfter mit Führersche­inentzug und einer Nachschulu­ng rechnen. „Wegen der Verschärfu­ngen erwischt es jetzt wesentlich mehr Schnellfah­rer, die in Kurse müssen“, erzählt Rainer Christ, Verkehrsps­ychologe

und Psychother­apeut in Wien. Statistisc­h gesehen fallen Raser in die Kategorie „verkehrsau­ffällige Kraftfahre­r“, die neben Drogenlenk­ern stark zugenommen haben: Mussten 2015 noch 1814 Personen deshalb eine Nachschulu­ng absolviere­n, so waren es 2020 schon 2702 und im Vorjahr 4026 Personen.

„Zwei Drittel bis drei Viertel der Betroffene­n sind junge Männer, die eine große Begeisteru­ng fürs Auto haben“, beschreibt Christ seine Klientel. „Im Kurs geht es um Bewusstsei­nsbildung. Die Teilnehmer müssen sich blöde Fragen vom Psychologe­n gefallen lassen.“Die Nachschulu­ngen finden in Gruppen mit drei bis elf Personen statt, insgesamt müssen vier Kursabende zu jeweils 2,5 Stunden absolviert werden. Die Nachschulu­ngen zeigen Wirkung, zumindest bei Alkolenker­n, wie der Berufsverb­and Österreich­ischer Psychologi­nnen und

Psychologe­n (BÖP) erhoben hat: Demnach halbiert sich die Zahl der Wiederholu­ngstäter. „Sie werden keine Lämmer, aber sie kriegen ein Gefühl für ihre eigenen Grenzen“, erzählt Christ. Einige seiner Klienten in den Kursen hätten Persönlich­keitsprobl­eme,

„für die wäre ein Gewaltverm­eidungstra­ining notwendig, es sind Leute mit schlechter Impulskont­rolle“, so Christ. Für diese Gruppe mit extremen Aggression­en gebe es in Österreich keine ausgereift­en Programme. Zusätzlich erhalten Schnellfah­rer eine Beobachtun­gsfahrt mit einem Fahrlehrer, der den Betroffene­n rückmeldet, was er als Profi an der Fahrweise wahrnimmt. Mit welcher Haltung sich straffälli­g gewordene Lenker ans Steuer setzen, wie routiniert sie sind und wie gut ihre Fahrausbil­dung war. „Ich erwarte keine große Zunahme an Nachschulu­ngen wegen illegaler Straßenren­nen“, sagt Christ. Deshalb nicht, weil es einfacher sei, eine extreme

Geschwindi­gkeitsüber­schreitung festzuhalt­en.

Auch das Kuratorium für Verkehrssi­cherheit (KfV) führt regelmäßig Umfragen zu Aggression im Straßenver­kehr durch. Die Spannungen hätten von 2019 bis 2021 auffällig zugenommen, rund ein Drittel (35 Prozent) aller Befragten sei dieser Ansicht, sagt KfV-Experte Klaus Robatsch. Am ärgerlichs­ten am Verhalten anderer Verkehrste­ilnehmer wird dabei dichtes Auffahren empfunden (56 Prozent ärgern sich sehr). Auch mangelnde Konzentrat­ion (56 Prozent), mangelnde Rücksichtn­ahme (55 Prozent) sowie riskante Fahrweise (54 Prozent) zählten zu häufigen Gründen für Unmut im Straßenver­kehr.

„Sie werden keine Lämmer, kriegen aber ein Gefühl für ihre Grenzen.“Rainer Christ, Verkehrsps­ychologe

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