Salzburger Nachrichten

Notenbanke­r sind für die Rolle rückwärts noch nicht bereit

Die Inflation sinkt, aber die Notenbanke­n schrecken zu Recht davor zurück, den Kampf gegen hohe Preise für beendet zu erklären.

- MARKT PLATZ Richard Wiens

Für Europas Wirtschaft brachte diese Woche so etwas wie ein verspätete­s Halloween – es gab Süßes und Saures. Die EU-Kommission revidierte ihre Konjunktur­prognose erneut nach unten, die Wirtschaft­sleistung in der EU und der Eurozone wird heuer nur um 0,6 Prozent zulegen, in Deutschlan­d und Österreich wird sie sogar schrumpfen. Die gute Nachricht kam von den Statistike­rn – die Inflation geht weiter zurück. In Österreich ist die Freude darüber weiter dadurch getrübt, dass der Abstand zur Eurozone unveränder­t groß und im Oktober sogar wieder um zwei Prozentpun­kte gestiegen ist. Aber der Trend ist eindeutig, der Anstieg der Preise verlangsam­t sich kontinuier­lich.

In die Erleichter­ung über sinkende Inflations­raten mischt sich aber zunehmend die Verunsiche­rung über den weiteren Kurs der Notenbanke­n. Die sind nicht nur mit Zurufen konfrontie­rt, sie mögen es mit Zinserhöhu­ngen gut sein lassen, es werden auch schon

Stimmen laut, die Währungshü­ter sollten über die Zinswende nach unten nachdenken. Mit diesem Ansinnen laufen ihre Vertreter bei den Notenbanke­n allerdings weiter voll gegen eine Wand – in Europa ebenso wie in den USA.

Man würde die Glaubwürdi­gkeit der US-Notenbank riskieren, wenn man im Kampf gegen die Inflation zu früh den Sieg ausriefe, sagte Mary Daly, die Chefin des regionalen Fed-Ablegers in San Francisco, dieser Tage. Sie schloss sich Fed-Präsident Jerome Powell an, der kürzlich an die Geduld der Akteure an den Finanzmärk­ten, Unternehme­n und Konsumente­n appelliert­e. Die Fed sei „nicht überzeugt“, dass das Zinsniveau bereits ausreichen­d restriktiv sei, jedenfalls habe man bis zum Erreichen der Preisstabi­lität noch einen langen Weg vor sich.

Auch in Europa wird sich die Zinswelt nicht so schnell drehen, wie manche sich das wünschen würden. Es werde „in den nächsten paar Quartalen“keine Änderung bei den Zinsen geben, erteilte EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde den Ungeduldig­en eine Absage. Jede Diskussion über ein Senken der Zinsen sei verfrüht, assistiert­e ihr Vize Luis de Guindos. Erst 2025 dürfte die Inflations­rate wieder dort landen, wo sie die EZB haben will, bei zwei Prozent.

Sehen die Notenbanke­r nicht, was sie in der Wirtschaft anrichten, fragen die Kritiker? Sie sehen es, und sie sind zufrieden. Denn die hohen Zinsen bremsen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Inflation. Seit die Notenbanke­r zu spät auf den rasanten Anstieg der Inflation reagiert haben, sind sie gebrannte Kinder. Ihre schlimmste Vorstellun­g ist, dass sie auf dem Weg zurück zur Normalisie­rung des Zinsniveau­s neuerlich zur Umkehr gezwungen wären, weil die Inflation wieder aufflammt. Alle, die auf die Zinswende nach unten hoffen, müssen sich noch geraume Zeit in Geduld üben.

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