Notenbanker sind für die Rolle rückwärts noch nicht bereit
Die Inflation sinkt, aber die Notenbanken schrecken zu Recht davor zurück, den Kampf gegen hohe Preise für beendet zu erklären.
Für Europas Wirtschaft brachte diese Woche so etwas wie ein verspätetes Halloween – es gab Süßes und Saures. Die EU-Kommission revidierte ihre Konjunkturprognose erneut nach unten, die Wirtschaftsleistung in der EU und der Eurozone wird heuer nur um 0,6 Prozent zulegen, in Deutschland und Österreich wird sie sogar schrumpfen. Die gute Nachricht kam von den Statistikern – die Inflation geht weiter zurück. In Österreich ist die Freude darüber weiter dadurch getrübt, dass der Abstand zur Eurozone unverändert groß und im Oktober sogar wieder um zwei Prozentpunkte gestiegen ist. Aber der Trend ist eindeutig, der Anstieg der Preise verlangsamt sich kontinuierlich.
In die Erleichterung über sinkende Inflationsraten mischt sich aber zunehmend die Verunsicherung über den weiteren Kurs der Notenbanken. Die sind nicht nur mit Zurufen konfrontiert, sie mögen es mit Zinserhöhungen gut sein lassen, es werden auch schon
Stimmen laut, die Währungshüter sollten über die Zinswende nach unten nachdenken. Mit diesem Ansinnen laufen ihre Vertreter bei den Notenbanken allerdings weiter voll gegen eine Wand – in Europa ebenso wie in den USA.
Man würde die Glaubwürdigkeit der US-Notenbank riskieren, wenn man im Kampf gegen die Inflation zu früh den Sieg ausriefe, sagte Mary Daly, die Chefin des regionalen Fed-Ablegers in San Francisco, dieser Tage. Sie schloss sich Fed-Präsident Jerome Powell an, der kürzlich an die Geduld der Akteure an den Finanzmärkten, Unternehmen und Konsumenten appellierte. Die Fed sei „nicht überzeugt“, dass das Zinsniveau bereits ausreichend restriktiv sei, jedenfalls habe man bis zum Erreichen der Preisstabilität noch einen langen Weg vor sich.
Auch in Europa wird sich die Zinswelt nicht so schnell drehen, wie manche sich das wünschen würden. Es werde „in den nächsten paar Quartalen“keine Änderung bei den Zinsen geben, erteilte EZB-Präsidentin Christine Lagarde den Ungeduldigen eine Absage. Jede Diskussion über ein Senken der Zinsen sei verfrüht, assistierte ihr Vize Luis de Guindos. Erst 2025 dürfte die Inflationsrate wieder dort landen, wo sie die EZB haben will, bei zwei Prozent.
Sehen die Notenbanker nicht, was sie in der Wirtschaft anrichten, fragen die Kritiker? Sie sehen es, und sie sind zufrieden. Denn die hohen Zinsen bremsen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Inflation. Seit die Notenbanker zu spät auf den rasanten Anstieg der Inflation reagiert haben, sind sie gebrannte Kinder. Ihre schlimmste Vorstellung ist, dass sie auf dem Weg zurück zur Normalisierung des Zinsniveaus neuerlich zur Umkehr gezwungen wären, weil die Inflation wieder aufflammt. Alle, die auf die Zinswende nach unten hoffen, müssen sich noch geraume Zeit in Geduld üben.