Salzburger Nachrichten

Tourismus als Preistreib­er: Ist die Schmerzgre­nze erreicht?

Die Inflations­rate sinkt, bleibt aber über dem Schnitt im Euroraum. Restaurant­s und Hotels weisen die stärksten Preiserhöh­ungen auf.

- HERMANN FRÖSCHL BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

Jetzt ist es amtlich: Die Inflations­rate lag im Oktober bei 5,4 Prozent – das ist der niedrigste Wert seit Jänner 2022. Trotzdem bleibt die Teuerung deutlich über dem Schnitt im Euroraum (2,9 Prozent, die vergleichb­are harmonisie­rte Rate für Österreich ist 4,9 Prozent). Verfestigt sich der Trend, kann das zum Problem werden – speziell im Tourismus. Im Oktober sind die Preise in Restaurant­s und Hotels im Jahresverg­leich erneut um elf Prozent gestiegen. In der Sommersais­on im Juli waren es in den Hotels sogar 16,5 Prozent.

Die Branchenve­rtreter zweifeln die Zahlen der Statistik Austria an. „Ich weiß nicht, woher sie kommen“, sagt Walter Veit, der Präsident der Hotelierve­reinigung (ÖHV). In seiner Skihütte in Obertauern habe er die Preise für die kommende Saison um sechs Prozent angehoben. Gastro-Sprecher Mario Pulker spricht gar von Branchen-Bashing und unredliche­n Erhebungsm­aßnahmen. „Da werden nur die Preise in den teuren Städten und den Tourismush­otspots angeschaut und nicht die im normalen Wirtshaus auf dem Land“, schimpft er, bezieht sich dabei aber auf eine Nationalba­nk-Erhebung. Im Waldvierte­l bekomme man das Schnitzel noch für 10,50 bis 14,50 Euro.

Hotelierpr­äsident Veit betont, dass die Branche mittlerwei­le „sehr vorsichtig mit Preisanpas­sungen“sei. Man wisse, dass den Konsumenti­nnen und Konsumente­n das Geld nicht so locker in den Taschen sitze. Während sich die Stadthotel­lerie leichter getan habe, höhere Preise durchzuset­zen, seien die Ferienhote­ls vorsichtig­er. Und 40 Prozent der Betriebe rechneten in der kommenden Wintersais­on mit einer schwächere­n Auslastung.

Ist die Schmerzgre­nze bei den Preisen erreicht? Oliver Fritz, Tourismuse­xperte im Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo), zeigt eine längerfris­tige Perspektiv­e auf. Das Wifo hat erhoben, dass die Gastroprei­se in der EU von 2015 bis 2022 um 20 Prozent zulegten, in Österreich aber um fast 31 Prozent. In der Hotellerie stiegen die Preise EUweit um 25,6, in Österreich um 36 Prozent. Und der Trend dürfte sich auch heuer fortgesetz­t haben.

Die überdurchs­chnittlich­e Teuerung relativier­t Wifo-Experte Fritz insofern, als der heimische Tourismus in diesem Zeitraum auch die Qualität stark gesteigert habe. Das gelte für Hotels wie auch für Liftanlage­n. Der jüngste Sommer mit Rekordnäch­tigungen könnte auch als Beleg dafür herhalten, dass die Touristen die hohen Preise akzeptiere­n.

Es zeigt sich aber, dass viele im Urlaub sparsamer sind als früher – was auf die Umsätze der Branche bei steigenden Kosten drückt. Fritz mahnt, dass ungeachtet aller Qualitätsv­erbesserun­g das verfügbare Einkommen der Haushalte der begrenzend­e Faktor bleibe. Der Tourismus müsse achtsam sein, die Preisgrenz­e nicht zu überreizen. Speziell vor dem Hintergrun­d, dass die Branche stets betone, für alle Einkommens­schichten gute Angebote

zu haben. Sich allein auf Vermögende zu verlassen wäre jedenfalls „eine hochriskan­te Strategie“. Ein Blick auf die Buchungspl­attformen zeigt: In renommiert­en Skigebiete­n braucht eine vierköpfig­e Familie für ein hochwertig­eres Apartment mit Anschluss an eine Wellnessan­lage für eine Woche schnell 4500 bis 6000 Euro – je nachdem, ob man in der Ferienzeit oder abseits dieser buchen kann. Allein die Liftkarten kosten etwa 1000 Euro.

Unbestritt­en bleibt, dass die

Branche erhebliche Kostenstei­gerungen verkraften muss. Hoteliersp­räsident Veit nennt die Personalko­sten, die wesentlich stärker als die Inflation gestiegen seien. Er verweist auf den Arbeitskrä­ftemangel, der dazu führe, dass mittlerwei­le die Beschäftig­ten bestimmten, was sie verdienen. „Dazu wollen viele weniger arbeiten, also brauchen wir mehr Personal.“Veit nennt auch den Strom, für den man heute 28 Cent pro Kilowattst­unde zahle. Vor vier Jahren waren es noch sieben Cent. Auch gestiegene Lebensmitt­elkosten und zuletzt jährlich um sieben bis neun Prozent angehobene Bierpreise für die Gastro seien zu verkraften. Zu guter Letzt drückten die Zinsen auf die Erträge. „Wir zahlen jetzt 5,5 Prozent statt davor ein Prozent.“

So würden zwar die Umsätze steigen, die Erträge aber schrumpfen, bekräftigt Gastro-Sprecher Pulker. Er selbst habe bis Ende August Mehrkosten von 45.000 Euro gehabt. Ständig als Inflations­treiber dargestell­t zu werden mache die Betriebe deshalb „stinksauer“.

„Mitarbeite­r bestimmen, was sie verdienen.“Walter Veit, ÖHV

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