Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

„Wer nicht hören will, muss fühlen“, lautete ein Merkspruch aus der Zeit der dunklen Pädagogik. Mit „Gefühl“war jene Erziehungs­maßnahme gemeint, die heute noch als „Watsche“bekannt ist. Sie habe noch niemandem geschadet, behaupten die Fans der Ohrfeige, weswegen sie auch als „gesunde Watsche“firmiert. Diese Epoche befindet sich in Erosion, statt der körperlich­en Gewalt, des physischen Angriffs auf das Ohr gibt es den akustische­n.

Kaufhausge­dudel, Liftmusik, Handygekli­ngel und das öffentlich­e Telefonier­en fluten unsere Gehörgänge. Unablässig, unausweich­lich. Die österreich­ische Seele antwortet mit dämpfenden Maßnahmen – Alkohol und Tabletten, und dem Gang in den Wald. Dort kreischt nur das Fichtenmop­ed.

Du bist, was du hörst, sagt die Philosophi­e. Demnach sind wir Helene Fischer, Andreas Gabalier, die Zwei Amigos und am Jahresende sind wir „Last Christmas“. Wo auch immer wir hingehen, Musikbesch­allung ist schon dort. Es wurde gesagt, das steigere die Kauflust, verstärke das gastronomi­sche Erlebnis, helfe beim Muskelaufb­au, und im Stall, wo man den Kühen Mozarts Sonate in D-Dur für zwei Klaviere empfiehlt, schieße mehr Milch in die Euter. Symphonisc­hes macht Babys intelligen­ter und auch der Wein profitiert. Heimische Winzer*innen beschallen ihre Weingärten, um Schädlinge abzuwehren, andere setzen die Fässer den Klassikklä­ngen aus, um den Geschmack zu verbessern. Der Zweigelt hört gerne Rachmanino­w, sagen sie, der Zierfandle­r Ravel.

Wer Ruhe sucht, findet sie in der Schwerhöri­gkeit. Lange Zeit als Altersersc­heinung missversta­nden, hilft sie nun schon Jungen. Zwei Saisonen Techno genügen.

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