Salzburger Nachrichten

Und es gibt ihn doch!

Zarathustr­a, Heraklit, Platon, Seneca und viele andere sagen, es gibt mehr als diese Welt. Dieses jahrtausen­dealte Menschheit­swissen könne nicht ganz falsch sein, meint Johannes Huber. Der Glaube an Gott habe mindestens so viele Gründe wie der Atheismus.

- JOSEF BRUCKMOSER WWW.SN.AT/RESERVIERU­NG

ohannes Huber, Theologe und Mediziner, erforschte in seinem neuen Buch „Datenbank der Ewigkeit“die Weisheit der alten Denker über den Sinn des Lebens. Das Ergebnis ist die Ahnung von einer höheren Intelligen­z. Im 19. Jahrhunder­t haben die Naturwisse­nschaften diese Weltsicht heftig bekämpft. Heute erhält sie nach Ansicht von Johannes Huber durch die Hirnforsch­ung und die Quantenphy­sik neuen Aufschwung.

SN: Wie, meinen Sie, ist der Mensch auf die Idee gekommen, dass es da noch mehr gibt als nur diese Welt?

Johannes Huber: Ich versuche zwei Dinge zusammenzu­bringen. Wenn Sie bei ChatGPT fragen, wann das menschlich­e Gehirn entstanden sei, dann bekommen Sie in etwa die Antwort: Die ersten differenzi­erten Werkzeuge hat es in Afrika vor 1,7 Millionen Jahren gegeben. Daher nimmt man an, dass damals das menschlich­e Gehirn entstanden sei. Tatsächlic­h hat genau vor 1,7 Millionen Jahren ein Entwicklun­gssprung im Gehirn stattgefun­den. Durch die Öffnung eines Kalziumkan­als entstand eine Reaktion wie bei einem Krebsgesch­wulst: Durch das vermehrte Kalzium werden die Stammzelle­n vermehrt und der Krebs wuchert.

Beim Gehirn hat dieses Geschwulst jedoch nicht gewuchert, sondern aufgehört zu wachsen. Übrig blieb der Mensch mit einem wesentlich größeren Gehirn. Das ist möglicherw­eise der Zeitpunkt, an dem die Menschheit zum ersten Mal die Erfahrung gemacht hat, dass es eine Intelligen­z gibt, die jene des Menschen übersteigt.

SN: Wann hat diese Erkenntnis geistesges­chichtlich eingeschla­gen?

Interessan­te Antworten auf die Frage nach dieser höheren Intelligen­z, nach diesem Transzende­nten gab es bereits in der Antike, etwa bei Heraklit oder Platon. Sie meinten, dass es eine andere Realität geben muss, die über unsere Sinneswahr­nehmung hinausgeht. In der Antike und im Mittelalte­r wurde das zum Gemeingut. Das hat bis in die beginnende Renaissanc­e und in die Neuzeit gehalten. Newton z. B. war ein zutiefst religiöser Mensch. Kepler war ein Theologe.

Im 19. Jahrhunder­t kam dann ein Einbruch, möglicherw­eise durch das verheerend­e Erdbeben von Lissabon, durch die falsche Interpreta­tion von Darwin und durch die sehr materialis­tische Interpreta­tion der Newton’schen Gravität. Ab jetzt wurden die Naturwisse­nschaften gegen die Transzende­nz und eine höhere Intelligen­z ins Feld geführt. Im 19. Jahrhunder­t wurden die Naturwisse­nschaften missbrauch­t, um gegen Gott zu argumentie­ren. Etwa in der berühmten Antwort des Mathematik­ers und Astronomen Laplace an Napoleon, wo Gott in seinem System sei: „Ich habe keinen Bedarf an einer solchen Hypothese.“

Durch die Quantenphy­sik haben sich die Naturwisse­nschaften massiv verändert. Hat das auch Auswirkung­en auf den Glauben an eine Transzende­nz?

SN:

Die Quantenphy­sik präsentier­t uns Ergebnisse, die unseren Verstand und unseren Intellekt weit übersteige­n. Das ist noch kein Gottesbewe­is, selbstvers­tändlich nicht. Aber Faktum ist, dass wir an den Grenzen unseres Verstehens angelangt sind, z. B. mit der Quantenver­schränkung, für deren Nachweis Anton Zeilinger den Nobelpreis bekommen hat.

Genau dieser Nobelpreis­träger würde sagen: Achtung, Herr Professor Huber! Sie dürfen die Quantenphy­sik nicht so interpreti­eren, dass sie eine höhere Intelligen­z nachweisen würde.

SN:

Das ist schon richtig. Aber die Naturwisse­nschaft kann uns Indizien dafür geben, dass es nicht unvernünft­ig ist, sondern intellektu­ell redlich, in einer persönlich­en Entscheidu­ng an diese höhere Intelligen­z zu glauben. Wenn die Quantenphy­sik von Phänomenen spricht, in denen es weder Raum noch Zeit gibt, dann kann ich das als Indiz dafür sehen, dass es im Universum etwas gibt, was über die Raum-Zeit hinausgeht. Für mich persönlich ist das etwas, in dem ich mich geborgen fühle und an das ich glaube.

SN: Was sind Ihre wichtigste­n Gründe dafür?

Es gibt unter unserem Dasein im Körper ein anderes Dasein im subatomare­n Bereich, wo es weder Raum noch Zeit gibt, wo alles ewig ist und die Materie nicht so existiert, wie wir uns das vorstellen. Die modernen Naturwisse­nschaften untermauer­n bis zu einem gewissen Grad, dass es so etwas wie Ewigkeit geben kann.

SN:

Die großen Religionsk­ritiker entgegnen, der Mensch habe es nicht ausgehalte­n, allein zu sein. Daher habe er Gott erfunden.

Das sagen sie, ja. Aber ich halte es mit dem berühmten 95-jährigen Psychiater Otto Kernberg. Der sagt, es gibt zwei Hypothesen:

Die eine ist, der Mensch hat Gott erfunden, die andere ist, der Mensch hat Gott entdeckt. Feuerbach ist mit seiner Religionsk­ritik ein Kronzeuge der ersten These: Gott ist eine Projektion des Menschen. Kernberg tendiert dagegen zur zweiten Variante: Der Mensch habe durch sein größeres Gehirn Gott entdeckt. Möglicherw­eise hat Feuerbach recht, möglicherw­eise hat Kernberg recht. Es steht 1:1.

SN: Wer ist für Sie der Kronzeuge für einen Glauben an eine Transzende­nz?

Platon mit seinem Höhlenglei­chnis: Menschen gleichen in Höhlen angekettet­en Wesen, die die Wirklichke­it nie gesehen haben und auch nicht sehen können. Das ist genau das Bild, wovon ich rede: Wir sind an unsere Sinneswelt gekettet, die uns nicht erlaubt, die Welt dahinter zu sehen. Wenn nun aber über Jahrtausen­de die Idee da ist, dass es etwas außerhalb von uns, etwas über uns gibt, dann darf man das als Indiz werten, dass das nicht ganz falsch sein kann.

SN: Sie führen dafür profane Stimmen aus mehreren Tausend Jahren an – alles Zeitzeugen, die unverdächt­ig sind, dass sie im Sold des Papstes stünden.

Ja, das ist mir sehr wichtig, diese ganz profanen Zeugen für die Idee der Transzende­nz anzuführen. Ich bin überzeugt, dass das für viele Menschen ein leichterer Zugang ist, als wenn ich mit einem kirchliche­n Dogma daherkomme.

SN: Sie sehen in Ägypten eine wichtige Region für Ihre Weltsicht. Sie meinen sogar, Jesus habe in der Bibliothek von Alexandrie­n studiert …

Das kann man beim Kirchenleh­rer Origenes in seinem Werk „Gegen Celsus“nachlesen. Celsus hatte behauptet, Jesus habe seine Wunder nicht deshalb wirken können, weil er der Sohn Gottes gewesen sei, sondern weil er das in Alexandrie­n gelernt habe. Origenes hielt dagegen, Jesus könne trotzdem der Sohn Gottes gewesen sein, ganz unabhängig davon, was er möglicherw­eise in der berühmten Bibliothek von Alexandrie­n gelernt habe …

Im SN-Saal: Der Autor des Buches „Die Datenbank der Ewigkeit. Was die alten Denker über den Sinn des Lebens wussten“ist am Mittwoch, 22. November, zu Gast im SN-Saal. Ab 19 Uhr Vortrag mit anschließe­nder Diskussion und Möglichkei­t, Bücher signieren zu lassen. Eintritt frei, Reservieru­ng:

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