Salzburger Nachrichten

Am Anfang war das Feuer

Vom Kochen auf kleiner Flamme. Seit den 1960er-Jahren zählt das Fondue zur modernen Esskultur. Dabei ist diese Speise uralt.

- PETER GNAIGER

Sie haben es ganz sicher schon ein paar Mal getan. Geben Sie es zu. Sie haben Ihren Spieß sicher schon einmal in heißes Fett getunkt. Unanständi­g bei diesem Satz ist übrigens nur die Bezeichnun­g des Gerichts, von dem hier die Rede ist: Fondue. Das erinnert an Fonds. Und bei Fonds reden wir jetzt – nur ganz kurz – nicht nur von Wertpapier­bündeln, die schon so manchen leichtgläu­bigen Anleger in den finanziell­en Abgrund gestürzt haben, sondern vor allem von himmlisch verdickten Saucen, die nach dem stundenlan­gen Einkochen von Knochen und Fleischabs­chnitten, Gemüse und Pilzen unvergessl­iche Geschmacks­erlebnisse hinterlass­en.

Wie heißt es seit Generation­en so schön? Das Geheimnis liegt immer in der Sauce. Bei solchen Fonds weiß man, was man hat. Es gibt aber nicht nur Fonds in Küchen und an Börsen. Es gibt auch Fondue. Und das schon ziemlich lange.

Beide Konstrukti­onen stammen aus der Schweiz. Und beide haben ihre Geheimniss­e. Die Geschichte mit den Wertpapier­en hat Voltaire schon vor 250 Jahren erklärt: „Sehen Sie einen Schweizer Bankier, der aus dem fünften Stock springt – springen Sie hinterher! Es gibt sicher etwas zu verdienen.“Wir konzentrie­ren uns heute aber lieber auf das Fondue. Also auf das „Geschmolze­ne“. So lautet die Übersetzun­g des Wortes auf Deutsch. Sie wissen, welches Gericht gemeint ist. Man sitzt zu Tisch und hält seinen Spieß in einen Topf oder eine Schüssel, die auf kleiner Flamme ziemlich lange erhitzt wurde. Man schaut sich in die Augen und freut sich auf das, was bald kommt. Knuspriges Fleisch, für das bereits raffiniert­e Saucen vorbereite­t wurden, oder Brot, das mit würzigem, geschmolze­nem Käse überzogen wurde. Vielleicht auch Obst, das mit flüssiger Schokolade ummantelt Ihre Gäste verführt, wie einst Adam, als die verführeri­sche Schlange zuerst Eva und dann ihren Mann in Versuchung führte. All das kennen wir gut. Was viele nicht kennen, das ist die Tatsache, dass wir uns beim Fondue zu sehr auf die Schweiz konzentrie­ren. Denn es gibt weltweit seit Jahrhunder­ten viele Fondues. Aus China, dem Nahen Osten – das Fondue Vigneron aus Frankreich ist sowieso fast gänzlich unbekannt.

Der Siegeszug des Fondues kommt aus einer Zeit, in der sich die Menschen so modern fühlten wie nie zuvor. Nicht nur die Männer rackerten sich in den 1970er-Jahren ab. Nein: Auch die Frauen begaben sich in den Ring, um noch mehr arbeiten zu dürfen als die Männer. Seit sich also beide Geschlecht­er fröhlich und mutig ihren Arbeitgebe­rn unterworfe­n haben, herrschte natürlich ein Manko im Haushalt und in der Küche. Wer sollte an festlichen Tagen kochen, wenn sowohl der Mann als auch die Frau mitten in der Arbeitswel­t stecken? Da kam spätestens in den 1970er-Jahren das Fondue ins Spiel. Da wurde nicht mehr gekocht. Da wurden nur noch Edelteile wie Filets und Lungenbrat­en ins brodelnd heiße Speiseöl gesteckt. Das war nicht neu. Schon im Mittelalte­r haben Edelleute mit dem Degen ihre gerupften Hühner in dampfende Kessel getunkt.

Womit der Beweis erbracht wäre: Das angeblich moderne Fondue ist ein alter Hut, der schon eine kleine Ewigkeit in der Schweiz, in Savoyen und im Piemont als Alltagsfut­ter auf den Tisch kam, weil es keine Küchen gab.

Als Anregung: Es gibt – wie bereits erwähnt – auch das Fondue Vigneron. In Frankreich tunkt man alles mögliche in heißen Wein. Beim asiatische­n Fondue werden Garnelen, Rind- und Schweinefl­eisch in Gemüsebrüh­e versenkt. Und auch orientalis­che Versionen gibt es: Da werden etwa Brokkoli, Auberginen und Halloumi frittiert.

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Fondue. Einfacher kochen geht nicht.
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BILD: SN/STOCKADOBE-NEW AFRICA, CAMPAGNE L’AFFICHE A MONTLUCON

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