Die legendäre „Hundsgräfin“
Emilie Kraus von Wolfsberg lebte von 1831 bis 1841 im Salzburger Rauchenbichlerhof. Sie soll eine Mätresse Napoleons I. gewesen sein, ihr Leben verlief gleichermaßen schillernd wie tragisch.
as Salzburger Schlössl ist immer noch von der Legende der „Hundsgräfin“erfüllt, die Geschichten über diese Frau hüllen es ein wie an diesem Tag die milde Spätherbstsonne. Es ist gut vorstellbar, wie Emilie Victorine Kraus von Wolfsberg (1785–1845) einst den Rauchenbichlerhof mit Leben erfüllte. Der Überlieferung nach war sie eine Mätresse des Franzosenkaisers Napoleon I. Sie muss eine auffällige Erscheinung gewesen sein.
Für ihre vielen Tiere hatte sie auf dem Anwesen am Nordfuß des Kapuzinerbergs genug Platz; Affen, Papageien, Singvögel und vor allem Hunde hielt sie vor rund 200 Jahren auf ihrem Landsitz, der damals noch vor den Toren der Stadt Salzburg lag. Ihre Tierliebe brachte der Baronin den wenig schmeichelhaften Beinamen „Hundsgräfin“ein. Das Land ist längst der Stadt gewichen, immer noch aber ist das Schlössl mit seinem Park eine Grüninsel im dicht verbauten Stadtteil Schallmoos. Ein Bauprojekt in der direkten Nachbarschaft wirft ein Schlaglicht auf das denkmalgeschützte Ensemble – und seine legendäre Bewohnerin. Die Hüter des Welterbes erteilten im Frühjahr Hochhausplänen an der Kreuzung Linzer Bundesstraße/Sterneckstraße eine Abfuhr, seitdem wird um einen welterbeverträglichen Bebauungsplan gerungen.
Wir sitzen im lichtdurchfluteten Zimmer im ersten Stock des Rauchenbichlerhofs. Auf dem Tisch liegen die Hauschronik, eine alte Karte des Anwesens und Sophie von Khuenbergs Buch „Die Hundsgräfin. Der Roman einer Salzburgerin“aus 1934. Das Nebenzimmer sei das Napoleonzimmer, erzählt Hausherrin Christine Sachs-Kapsreiter, obwohl der französische Herrscher nie da gewesen sei. Die Architektin entstammt der Familie der Rauchenbichler, in deren Besitz der Hof seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist, ausgenommen die kurze Episode zwischen 1831 und 1841, in der Emilie Kraus von Wolfsberg hier Eigentümerin war. Mit einem herzhaften Lachen sagt Sachs-Kapsreiter: „Die Leute interessieren sich nur für die ,Hundsgräfin‘, das hat schon meine Großmutter gesagt.“Ein Ölbild aus dem Besitz der Baronin ist im Haus verblieben, es hängt im Flur: Zwei Hunde posieren vor einem geöffneten Fenster. Es soll sich um ein Porträt ihrer Lieblingshunde handeln, wie in der Familie überliefert ist.
Als verdecktes Bildnis der Emilie Kraus von Wolfsberg gilt seit den 1930er-Jahren die „Venus, auf einem Ruhebett schlafend“von Johann Baptist Lampi d. J. (datiert mit 1826). Das Ölgemälde ist im Besitz des Wiener Belvedere. Eine nackte Schöne liegt wie eine Liebesgöttin auf Polstern, der grüne Vorhang mit goldener Quaste ist zusammengebunden und erlaubt den Betrachtern und Betrachterinnen intime Blicke auf die Szenerie. Der Spiegel im Hintergrund betont die Silhouette des weiblichen Körpers.
Katharina Lovecky, Assistenzkuratorin der Sammlung des 19. und 20. Jahrhunderts im Belvedere, kann ausschließen, dass es sich bei dieser Venusdarstellung um die „Hundsgräfin“handelt. Als Begründung nennt sie die Entstehungszeit des Bilds und seine Provenienz. Lovecky hat an Lampis Venus eigenen Worten nach „pioniertechnisch“geforscht, ein Artikel darüber erscheint voraussichtlich noch heuer im neuen Belvedere Research Journal online. Spannend findet Lovecky, dass sich dieser Porträtmythos bis in die Gegenwart gehalten hat. Einen Grund dafür sieht sie in der „Geschichte mit Fallhöhe“der Baronin. Zudem würden Frauenleben aus früheren Jahrhunderten auch in unserer Zeit auf großes Interesse stoßen.
Die Kunsthistorikerin Lovecky bestätigt damit die Einschätzung der Salzburger Historikerin Katharina Steinhauser, die 2018 in ihrer Masterarbeit über Emilie Kraus von Wolfsberg Zweifel daran geäußert hatte, dass das Gemälde die „Hundsgräfin“zeige. Zwei Bildnisse der Baronin soll es Steinhausers
Recherche nach geben, sie sollen von Lampi stammen, ihr Verbleib ist aber unbekannt. Sie kommt in ihrer Arbeit zu dem Schluss: „Ein Bild, das nachweislich die ,Hundsgräfin‘ darstellt, ist jedoch bis dato nicht bekannt.“Auch Katharina Lovecky hat noch kein Bildnis der Emilie Kraus von Wolfsberg festmachen können.
Ihr Bild fehlt, Historikerin Steinhauser gibt jedoch der Biografie der 1785 in Idrija in der Krain (heute Slowenien) als Eva Kraus Gebürtigen einen Rahmen. Sie spricht von einer jungen Frau aus einfachen Verhältnissen, deren Weg sie höchstwahrscheinlich nach Wien in das Umfeld des damals mächtigsten Mannes Europas, Napoleon Bonaparte (1769–1821), geführt habe. Ihr Pflegevater Philipp Mainoni dürfte aus dieser Begegnung Kapital geschlagen haben. Verlässliche
Quellen über diesen Lebensabschnitt der jungen Frau fehlten. Die Historikerin betont, dass sie seit ihrer Abschlussarbeit vor fünf Jahren nicht weitergeforscht hat. „Geld ist geflossen, sie konnte sich einen luxuriösen Lebensstil leisten und Immobilien erwerben.“Vorderhand im Dunkeln bleibt, ob Emilie Kraus von Wolfsberg dem Franzosenkaiser einen Sohn gebar. Eugen Alexander Megerle von Mühlfeld wurde der „Napoleonide“genannt, weil er seinem kolportierten Vater so ähnlich sah.
Ihr Leben nach der Wien-Episode lässt sich leichter fassen. Nach einem Zwischenspiel in Bregenz übersiedelte sie 1828 mit dem Arzt Vinzenz Brauner nach Salzburg, wo sie mit ihm in „wilder Ehe“lebte. Sie erwarb eine Stadtwohnung im Primogeniturpalast (heute Mozarteum) in der Dreifaltigkeitsgasse und den damals noch zur eigenständigen Gemeinde Gnigl gehörenden Rauchenbichlerhof. Ihr Geld ging sukzessive zur Neige, nach dem Tod ihres Manns 1838 vereinsamte sie, die Tiere ersetzten offenbar menschliche Beziehungen. Sie steckte da längst in finanziellen Schwierigkeiten, ihr Hab und Gut wurde verpfändet. Der Hof fiel wieder an die ehemalige Besitzerfamilie zurück, sie zog ins nahe gelegene Fischerhäusl, wo sie ein paar Jahre später verarmt starb. Am Friedhof der Gnigler Kirche erinnert eine Gedenktafel an die „Hundsgräfin“.
Katharina Steinhauser transkribierte und analysierte erstmals die erhalten gebliebenen Briefe der Freiin von Wolfsberg. Hier komme die Frau hinter der Legende durch, sagt sie, „immer wieder auch eine sehr labile und zerbrechliche Persönlichkeit“. Die Historikerin resümiert, „ihre Lebensgeschichte wurde immer als eine Art Märchen erzählt“. Knapp zwei Jahrhunderte später falle es mitunter schwer, die Rezeption und die Legendenbildung von der Biografie zu trennen. Steinhauser geht davon aus, dass das Leben der Emilie Kraus von Wolfsberg viel weniger glamourös verlaufen ist. Die losen Enden dieser Geschichte würden noch darauf warten, weiterverfolgt zu werden.
Ihre Lebensgeschichte wurde immer als eine Art Märchen erzählt.
Katharina Steinhauser Historikerin