Die Raumunordnung holt die Bürgermeister gerade ein
Zweitwohnsitze und solche, die es offiziell gar nicht gibt – das brachte Gemeindepolitiker diese Woche vor Gericht. Höchst sonderbar und doch charakteristisch.
Es ist ein nicht rechtskräftiges Urteil. Aber eines, das wohl so manchen Ortschef im Land Salzburg hellhörig werden ließ. Gleich drei Bürgermeister einer Pinzgauer Gemeinde und ein Gemeindebediensteter fanden sich diese Woche vor dem Landesgericht wieder, angeklagt von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in einem höchst sonderbaren Fall. Ein zehn Jahre zurückliegender Deal mit einem „Clubhotel“samt idyllischer Lodges brachte die Amtsträger in die Bredouille. Gemeinde und Betreiber einigten sich auf fiktive Nächtigungszahlen und die Abführung jener Ortstaxe, die der ursprünglichen Widmung als Großbeherbergungsbetrieb nicht widersprach. Am Ende wurde der Altbürgermeister, der das Ganze in gutem Glauben aufsetzen ließ („Ich wollte damit etwas in Ordnung bringen“), wegen Amtsmissbrauchs zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt.
Nicht die Ortstaxe ist das Problem. Sondern das, was jahrelang toleriert und mitunter auch forciert wurde in diesem Bundesland – mit allen Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen wie eben dieser. (Illegale) Zweitwohnsitze unter dem Deckmantel halbseidener Modelle, angetrieben von potenten ausländischen Investoren, die sich einkauften. Dutzende solcher Anlagen gibt es im Land. Viele davon bleiben die meiste Zeit des Jahres unbewohnt. Die Ironie der Geschichte im konkreten Fall ist, dass just ein solcher ausländischer Eigentümer mit seiner Beschwerde den Fall ins Rollen gebracht haben soll. Die Vergangenheit holt die Ortschefs nun also auf unliebsame Weise ein, Zweitwohnsitze können zum Verhängnis werden – auch jenen, die mittlerweile entschieden gegen solche Modelle kämpfen.
Was im Prozess mitunter zur Sprache kam, ist bezeichnend für die Nonchalance, mit der solchen Konstrukten vielerorts begegnet wurde und wird. Dass einem Bürgermeister einer stark touristisch geprägten Gemeinde der Unterschied zwischen allgemeiner und besonderer Ortstaxe und einer fragwürdigen Vereinbarung darüber nicht geläufig ist, dürfte wohl ins Reich der Ausreden fallen. Die Argumentation hat aber auch offenbart, dass so manche Gemeindepolitiker überfordert sind mit der komplexen Materie Raumordnung. Und trotzdem wird jede politische Diskussion darüber, dass die Agenden an übergeordneter Stelle wohl besser aufgehoben wären als bei den Ortschefs, in Österreich reflexartig im Keim erstickt.
Die Landesregierung ist in den vergangenen Jahren kläglich gescheitert, zu eruieren, wie viele Zweitwohnsitze überhaupt existieren. Doch zumindest hat der Gesetzgeber die Wende eingeleitet. Man hat den Gemeinden eine Fülle an Werkzeugen in die Hand gegeben und Leitlinien geschaffen: ein neues Landesentwicklungsprogramm, ein neues Grundverkehrsgesetz mit Hauptwohnsitzgebot, ein neues Raumordnungsgesetz mit klaren Widmungskategorien und Definitionen, ein neues Nächtigungsabgabengesetz inklusive möglicher Zweitwohnsitz- und Leerstandsabgabe. Die entscheidende Frage wird sein, ob die Gemeindepolitiker das auch nützen und anzuwenden wissen. Besser wäre es.
Bezeichnend, was im Prozess zur Sprache kam