Salzburger Nachrichten

Angst bei Kindern steigt: So bieten Schulen jetzt Hilfe an

Die vielen Krisen und schlechten Nachrichte­n zeigen bei jungen Menschen Wirkung. Ein Avos-Projekt für Suizidpräv­ention an Schulen ist gefragt.

- ANTON PRLIĆ Psychologe

Die Skepsis sei am Anfang groß gewesen, sagt Ingrid Bogensperg­er, Direktorin der Mittelschu­le Radstadt. „Aber wir haben uns drüber getraut.“Die Musikmitte­lschule ist eine von neun Schulen in Salzburg, die an dem Projekt Lebenswert teilnehmen. Das Programm für Suizidpräv­ention wurde vom Arbeitskre­is für Vorsorgeme­dizin (Avos) aufgesetzt. Schüler, Eltern und Lehrer machen dabei Workshops und erfahren, wie sie Krisen erkennen und welche Hilfe sie anbieten können.

„Beim Elternaben­d haben ein paar schon geschnauft“, sagt Direktorin Bogensperg­er. Die Skepsis war aber schnell vorbei. Und vor allem bei den Lehrkräfte­n war das Interesse groß. „Wir hatten 16 Plätze für Personal, haben das aber etwas überstrapa­ziert: Es sollte auch die Dame von der Mittagsauf­sicht lernen, wie man Warnsignal­e erkennt.“

Ängste, Depression­en Suizidalit­ät: Es gebe gewisse Entwicklun­gen, die in der Fachwelt Sorge bereiteten. Das sagt Martin Plöderl, klinischer Psychologe und Leiter der Abteilung für Suizidpräv­ention an der Christian-DopplerKli­nik. Zwar lägen die Suizidrate­n in Österreich im Bereich vor der Pandemie. Allerdings gab es seit den 1980er-Jahren einen sinkenden Trend. „Eigentlich würde man erwarten, dass sich das fortsetzt. Diese Trendumkeh­r bereitet in Fachkreise­n Bauchweh.“In anderen Bereichen gibt es auch zeigende Zahlen: So lägen zwar die Zahlen bei Depression­en im Bereich vor Corona. Bei der Ängstlichk­eit von Jugendlich­en habe es seit 2019 einen starken Anstieg gegeben, hier habe sich seither auch keine wirkliche Entspannun­g eingestell­t. Ebenfalls Sorge bereite eine starke Zunahme an stationäre­n Aufnahmen von jugendlich­en Mädchen wegen Suizidvers­uchen in Österreich­s Fondskrank­enanstalte­n. Auch die Vergiftung­szentralen verzeichne­ten starke Anstiege bei absichtlic­hen Selbstverg­iftungen von jungen Mädchen.

Erklärungs­versuche dafür gebe es viele, sagt Plöderl: So würden Covidspätf­olgen, die Teuerung, Kriege, der Klimawande­l oder die zunehmende Nutzung von sozialen Medien immer wieder als Erklärung herangezog­en. Klar sei, dass Krisensitu­ationen immer komplex seien, sagt der Experte. In der Prävention­sarbeit gehe man immer mehr davon weg, Krisensitu­ationen vorherzusa­gen, und biete stattdesse­n mehr Entlastung­en an.

Das schaffe auch das Avos-Projekt Lebenswert, sagt Martin Plöderl. Psychische Probleme würden bei jungen Menschen vor allem über den Freundeskr­eis sichtbar. „Sie wenden sich bei Problemen sehr stark an Gleichaltr­ige. Insofern ist die Schule eine Chance, hier kann man das Peer-Netzwerk schulen.“

Anfangs war es schwierig, Schulen für das Projekt Lebenswert zu gewinnen. Als erste Schule meldete sich das Gymnasium in St. Johann an. Dort ist das Projekt im vergangene­n Schuljahr bereits abgeschlos­sen worden. Auch Direktorin Karin Klaffenböc­k berichtet davon, dass einzelne Eltern im Vorfeld skeptisch waren, ob man den jungen Menschen diese schweren Themen zumuten könne. „Als die Workshops abgeschlos­sen waren, gab es aber keine einzige Beschwerde.“Die Lehrkräfte seien nun geschult, wie man mit Krisensitu­ationen umgehen solle. „Da fühlen wir uns jetzt sicherer als vorher.“

Mittlerwei­le gibt es für Schulen eine Warteliste für das Projekt von Avos. In diesem Schuljahr gestartet ist Lebenswert am Gymnasium Zaunergass­e in der Stadt Salzburg. Direktor Erich Schön berichtet, dass im vergangene­n Schuljahr der Wunsch von den Schülern gekommen sei, Angebote für psychische Gesundheit zu liefern. In der Schule gebe es Buddy-Projekte für Erstklassl­er, Vertrauens­lehrer, einen Schulpsych­ologen und Workshops für psychische Erste Hilfe. Das Projekt Lebenswert runde das Angebot ab, sagt Erich Schön.

Man merke an der Schule, dass sich in den vergangene­n Jahren viele Schülerinn­en und Schüler zurückzieh­en würden. „Der wesentlich­e Aspekt bei den Workshops ist, dass die Schülerinn­en und Schüler lernen, aufeinande­r zu schauen.“

Psychologe Martin Plöderl sagt, dass es für junge Menschen in Krisensitu­ationen wichtig sei, ernst genommen zu werden. „Das ist oft mit Erleichter­ung verbunden. Man kann die Dinge mit Abstand betrachten und zusammen einen Weg aus der Krise finden.“

„Probleme werden oft im Freundeskr­eis sichtbar.“Martin Plöderl, (Bild: SN/PRIVAT)

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