Angst bei Kindern steigt: So bieten Schulen jetzt Hilfe an
Die vielen Krisen und schlechten Nachrichten zeigen bei jungen Menschen Wirkung. Ein Avos-Projekt für Suizidprävention an Schulen ist gefragt.
Die Skepsis sei am Anfang groß gewesen, sagt Ingrid Bogensperger, Direktorin der Mittelschule Radstadt. „Aber wir haben uns drüber getraut.“Die Musikmittelschule ist eine von neun Schulen in Salzburg, die an dem Projekt Lebenswert teilnehmen. Das Programm für Suizidprävention wurde vom Arbeitskreis für Vorsorgemedizin (Avos) aufgesetzt. Schüler, Eltern und Lehrer machen dabei Workshops und erfahren, wie sie Krisen erkennen und welche Hilfe sie anbieten können.
„Beim Elternabend haben ein paar schon geschnauft“, sagt Direktorin Bogensperger. Die Skepsis war aber schnell vorbei. Und vor allem bei den Lehrkräften war das Interesse groß. „Wir hatten 16 Plätze für Personal, haben das aber etwas überstrapaziert: Es sollte auch die Dame von der Mittagsaufsicht lernen, wie man Warnsignale erkennt.“
Ängste, Depressionen Suizidalität: Es gebe gewisse Entwicklungen, die in der Fachwelt Sorge bereiteten. Das sagt Martin Plöderl, klinischer Psychologe und Leiter der Abteilung für Suizidprävention an der Christian-DopplerKlinik. Zwar lägen die Suizidraten in Österreich im Bereich vor der Pandemie. Allerdings gab es seit den 1980er-Jahren einen sinkenden Trend. „Eigentlich würde man erwarten, dass sich das fortsetzt. Diese Trendumkehr bereitet in Fachkreisen Bauchweh.“In anderen Bereichen gibt es auch zeigende Zahlen: So lägen zwar die Zahlen bei Depressionen im Bereich vor Corona. Bei der Ängstlichkeit von Jugendlichen habe es seit 2019 einen starken Anstieg gegeben, hier habe sich seither auch keine wirkliche Entspannung eingestellt. Ebenfalls Sorge bereite eine starke Zunahme an stationären Aufnahmen von jugendlichen Mädchen wegen Suizidversuchen in Österreichs Fondskrankenanstalten. Auch die Vergiftungszentralen verzeichneten starke Anstiege bei absichtlichen Selbstvergiftungen von jungen Mädchen.
Erklärungsversuche dafür gebe es viele, sagt Plöderl: So würden Covidspätfolgen, die Teuerung, Kriege, der Klimawandel oder die zunehmende Nutzung von sozialen Medien immer wieder als Erklärung herangezogen. Klar sei, dass Krisensituationen immer komplex seien, sagt der Experte. In der Präventionsarbeit gehe man immer mehr davon weg, Krisensituationen vorherzusagen, und biete stattdessen mehr Entlastungen an.
Das schaffe auch das Avos-Projekt Lebenswert, sagt Martin Plöderl. Psychische Probleme würden bei jungen Menschen vor allem über den Freundeskreis sichtbar. „Sie wenden sich bei Problemen sehr stark an Gleichaltrige. Insofern ist die Schule eine Chance, hier kann man das Peer-Netzwerk schulen.“
Anfangs war es schwierig, Schulen für das Projekt Lebenswert zu gewinnen. Als erste Schule meldete sich das Gymnasium in St. Johann an. Dort ist das Projekt im vergangenen Schuljahr bereits abgeschlossen worden. Auch Direktorin Karin Klaffenböck berichtet davon, dass einzelne Eltern im Vorfeld skeptisch waren, ob man den jungen Menschen diese schweren Themen zumuten könne. „Als die Workshops abgeschlossen waren, gab es aber keine einzige Beschwerde.“Die Lehrkräfte seien nun geschult, wie man mit Krisensituationen umgehen solle. „Da fühlen wir uns jetzt sicherer als vorher.“
Mittlerweile gibt es für Schulen eine Warteliste für das Projekt von Avos. In diesem Schuljahr gestartet ist Lebenswert am Gymnasium Zaunergasse in der Stadt Salzburg. Direktor Erich Schön berichtet, dass im vergangenen Schuljahr der Wunsch von den Schülern gekommen sei, Angebote für psychische Gesundheit zu liefern. In der Schule gebe es Buddy-Projekte für Erstklassler, Vertrauenslehrer, einen Schulpsychologen und Workshops für psychische Erste Hilfe. Das Projekt Lebenswert runde das Angebot ab, sagt Erich Schön.
Man merke an der Schule, dass sich in den vergangenen Jahren viele Schülerinnen und Schüler zurückziehen würden. „Der wesentliche Aspekt bei den Workshops ist, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, aufeinander zu schauen.“
Psychologe Martin Plöderl sagt, dass es für junge Menschen in Krisensituationen wichtig sei, ernst genommen zu werden. „Das ist oft mit Erleichterung verbunden. Man kann die Dinge mit Abstand betrachten und zusammen einen Weg aus der Krise finden.“
„Probleme werden oft im Freundeskreis sichtbar.“Martin Plöderl, (Bild: SN/PRIVAT)