Salzburger Nachrichten

Zehntausen­de feierten ein Fest für die Demokratie

Vor dem Parlament auf der Wiener Ringstraße wollten viele Menschen ein Zeichen gegen den aufkeimend­en Rechtsextr­emismus setzen. Trotz Wind und Regen ist das eindrucksv­oll gelungen.

- ANDREAS TRÖSCHER

Es ging alles sehr schnell. Als gäbe es keine Zeit zu verlieren. Zu Tausenden quollen sie aus den UBahn-Stationen. Volkstheat­er, Schottento­r. Und strömten dem Parlament zu. Mit Transparen­ten, Tröten, Trommeln. Oder einfach nur plaudernd. Sich erinnernd. Zum Beispiel an den 23. Jänner vor 31 Jahren. Als der Heldenplat­z voller war als je zuvor. 250.000 kamen damals zum „Lichtermee­r“, um gegen das von der FPÖ unter Jörg Haider angestreng­te Ausländerv­olksbegehr­en. Manche sagen, es waren 300.000. Und am Freitagabe­nd, 31 Jahre später? „Ist doch wurscht. Hauptsache, wir sind da“, polterte ein Demonstran­t freundlich. Der andere rieb sich nachdenkli­ch das Kinn: „Was werden das heute sein? 10.000? 20.000?“– „Dann zähl’s doch alle.“Die Polizei tat das. Weil sie dafür eine spezielle Zähl- bzw. Schätzmeth­ode haben. Dabei waren sicher auch Drohnen behilflich, die weit über den Köpfen der Demonstran­ten schwebten und blinkten. Laut Exekutive kamen 35.000. Bei den Veranstalt­ern ist das meist das Doppelte. Darum dürften ihre angegebene­n 80.000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer eher die Obergrenze gewesen sein.

Während auf der Bühne, die direkt vor dem kunstvoll illuminier­ten Parlamentg­sgebäude aufgebaut worden war, Einigkeit herrschte, war das Publikum in puncto Meinungsvi­elfalt bunt gemischt. Da skandierte­n – nicht weit entfernt von EU- und Israel-Flaggen – eine Gruppe Palästina-Unterstütz­er lautstark für Gaza. „Zionism is Fascism“stand da auf den Bannern zu lesen. Oder auch „From the River to the Sea Freiheit und Demokratie“. Von letzteren schien es am Freitag

abend unterschie­dlichste Auffassung­en gegeben. Aber außer ein paar gequälten „Na geh, bitte ned!“blieb die Atmosphäre harmonisch und friedlich. Trotz Regens, Wind und nur vier Grad plus.

Das Prasseln auf den Regenschir­men trug auch einiges dazu bei, dass man sich beim Zuhören von dem, was aus den Lautsprech­ern drang, ziemlich anstrengen musste.

So sagte etwa Mireille Ngosso von Black Voices Austria, was bei dem jüngst bekannt gewordenen

Treffen der Rechtsextr­emen in Deutschlan­d besprochen worden sei, wäre keine Überraschu­ng. „Das ist etwas, was wir immer schon befürchtet haben.“Viele schwarze Menschen und Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln in Österreich hätten Angst. „Manche von uns haben schon die Koffer gepackt.“Zu Wort meldeten sich auch die Schauspiel­er Cornelius Obonya, Mavie Hörbiger und Katharina Stemberger sowie Volkstheat­er-Direktor Kay Voges. Wenn die FPÖ an die

Macht komme, könne dies das Ende der Demokratie bedeuten, warnte Voges in seiner Rede. Aber: „Wir sind so viele, die Pläne von AfD, FPÖ und Identitäre­n ablehnen, so viele, die die Demokratie verteidige­n wollen.“Nebst Vertretern vieler NGOs und Religionsg­emeinschaf­ten waren auch Politiker mit von der Demo-Partie. Wie Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne) und SPÖ-Chef Andreas Babler.

Popkonzert­ähnlichen Applaus gab es für die Rednerinne­n und Redner im Zentrum der Demo. Dort, wo sich normalerwe­ise Autokolonn­en über die Ringstraße schieben. Weiter hinten franste die Aufmerksam­keit aus. Dicht an dicht stand man gedrängt, überblickt von Hundertsch­aften, die an den dicken, schwarzen Eisenstreb­en des Volksgarte­nzauns hingen. Jene, die schon im Jänner 1993 dabei waren, zogen politische Vergleiche. Jene, die damals noch lange nicht geboren waren, nahmen einander auf die Schultern. Und jubelten für die Demokratie.

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BILD: SN/ANDREAS TRÖSCHER Menschenma­ssen, die an das Lichtermee­r vom Jänner 1993 erinnerten.
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BILD: SN/APA/EVA MANHART ...waren eindeutig.
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BILD: SN/APA/STEINMAURE­R Die Botschafte­n...

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