Zehntausende feierten ein Fest für die Demokratie
Vor dem Parlament auf der Wiener Ringstraße wollten viele Menschen ein Zeichen gegen den aufkeimenden Rechtsextremismus setzen. Trotz Wind und Regen ist das eindrucksvoll gelungen.
Es ging alles sehr schnell. Als gäbe es keine Zeit zu verlieren. Zu Tausenden quollen sie aus den UBahn-Stationen. Volkstheater, Schottentor. Und strömten dem Parlament zu. Mit Transparenten, Tröten, Trommeln. Oder einfach nur plaudernd. Sich erinnernd. Zum Beispiel an den 23. Jänner vor 31 Jahren. Als der Heldenplatz voller war als je zuvor. 250.000 kamen damals zum „Lichtermeer“, um gegen das von der FPÖ unter Jörg Haider angestrengte Ausländervolksbegehren. Manche sagen, es waren 300.000. Und am Freitagabend, 31 Jahre später? „Ist doch wurscht. Hauptsache, wir sind da“, polterte ein Demonstrant freundlich. Der andere rieb sich nachdenklich das Kinn: „Was werden das heute sein? 10.000? 20.000?“– „Dann zähl’s doch alle.“Die Polizei tat das. Weil sie dafür eine spezielle Zähl- bzw. Schätzmethode haben. Dabei waren sicher auch Drohnen behilflich, die weit über den Köpfen der Demonstranten schwebten und blinkten. Laut Exekutive kamen 35.000. Bei den Veranstaltern ist das meist das Doppelte. Darum dürften ihre angegebenen 80.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer eher die Obergrenze gewesen sein.
Während auf der Bühne, die direkt vor dem kunstvoll illuminierten Parlamentgsgebäude aufgebaut worden war, Einigkeit herrschte, war das Publikum in puncto Meinungsvielfalt bunt gemischt. Da skandierten – nicht weit entfernt von EU- und Israel-Flaggen – eine Gruppe Palästina-Unterstützer lautstark für Gaza. „Zionism is Fascism“stand da auf den Bannern zu lesen. Oder auch „From the River to the Sea Freiheit und Demokratie“. Von letzteren schien es am Freitag
abend unterschiedlichste Auffassungen gegeben. Aber außer ein paar gequälten „Na geh, bitte ned!“blieb die Atmosphäre harmonisch und friedlich. Trotz Regens, Wind und nur vier Grad plus.
Das Prasseln auf den Regenschirmen trug auch einiges dazu bei, dass man sich beim Zuhören von dem, was aus den Lautsprechern drang, ziemlich anstrengen musste.
So sagte etwa Mireille Ngosso von Black Voices Austria, was bei dem jüngst bekannt gewordenen
Treffen der Rechtsextremen in Deutschland besprochen worden sei, wäre keine Überraschung. „Das ist etwas, was wir immer schon befürchtet haben.“Viele schwarze Menschen und Menschen mit ausländischen Wurzeln in Österreich hätten Angst. „Manche von uns haben schon die Koffer gepackt.“Zu Wort meldeten sich auch die Schauspieler Cornelius Obonya, Mavie Hörbiger und Katharina Stemberger sowie Volkstheater-Direktor Kay Voges. Wenn die FPÖ an die
Macht komme, könne dies das Ende der Demokratie bedeuten, warnte Voges in seiner Rede. Aber: „Wir sind so viele, die Pläne von AfD, FPÖ und Identitären ablehnen, so viele, die die Demokratie verteidigen wollen.“Nebst Vertretern vieler NGOs und Religionsgemeinschaften waren auch Politiker mit von der Demo-Partie. Wie Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und SPÖ-Chef Andreas Babler.
Popkonzertähnlichen Applaus gab es für die Rednerinnen und Redner im Zentrum der Demo. Dort, wo sich normalerweise Autokolonnen über die Ringstraße schieben. Weiter hinten franste die Aufmerksamkeit aus. Dicht an dicht stand man gedrängt, überblickt von Hundertschaften, die an den dicken, schwarzen Eisenstreben des Volksgartenzauns hingen. Jene, die schon im Jänner 1993 dabei waren, zogen politische Vergleiche. Jene, die damals noch lange nicht geboren waren, nahmen einander auf die Schultern. Und jubelten für die Demokratie.