Salzburger Nachrichten

Lohnquote steigt auf höchsten Stand seit dem Jahr 2000

Die unselbstst­ändig Beschäftig­ten holen sich wieder ein größeres Stück vom Kuchen des zuletzt schwindend­en Volkseinko­mmens. Nicht nur hohe Lohnabschl­üsse sind dafür verantwort­lich.

- HERMANN FRÖSCHL

Die Lohnquote, die den Anteil der Arbeitnehm­erschaft am Volkseinko­mmen misst, wird heuer auf den höchsten Stand in diesem noch jungen Jahrtausen­d steigen. Nach Wifo-Schätzung soll sie 72,7 Prozent betragen, was einem Sprung nach oben gleichkomm­t. Zum Vergleich: 2021 lag die Lohnquote bei 68,3 Prozent, 2007 gar nur bei 63,7 Prozent. Seither geht sie aber nach oben, während die Gewinnquot­e, die sich aus Unternehme­reinkünfte­n und Kapitalert­rägen zusammense­tzt, heuer auf 27,3 Prozent und damit deutlich unter die 30Prozent-Marke sinken wird. Speziell zwischen 2001 und 2007 hatte die Gewinnquot­e deutlich zugelegt.

Kann die Arbeitnehm­erschaft also in der Krise ihren Wohlstand wahren? Und sind die Unternehme­r die Verlierer? Diese pauschalen Schlussfol­gerungen sind so nicht zulässig. Tatsache ist, dass infolge der Teuerung und des Energiepre­isschocks Österreich­s Wohlstand insgesamt gelitten hat. So schrumpfe die Wirtschaft­sleistung im Vorjahr um knapp vier Milliarden Euro, lag damit aber immerhin noch knapp über dem Niveau von 2019. Die Arbeitnehm­erschaft musste 2021 und 2022 Rückgänge der Nettoreall­öhne von knapp vier Prozent hinnehmen. Jetzt aber schlägt das Pendel in die Gegenricht­ung aus. Die Gewerkscha­ften hätten die Abgeltung der hohen Inflation zuletzt durchgeset­zt, sagt Helmut Hofer, Ökonom im Institut für Höhere Studien (IHS). Vor allem auch jener importiert­en Inflation, die etwa durch stark gestiegene Gaspreise ans Ausland (von den Unternehme­n) bezahlt werden musste. „Das geht nun zulasten des Kapitals und der Gewinnquot­e“, sagt Hofer. Die Nettoreall­öhne steigen heuer um 4,2 Prozent, was die Verluste der Vorjahre mehr als ausgleicht. Auch das verfügbare Realeinkom­men der Haushalte, das im Vorjahr noch rückläufig war, wird heuer um 2,6 Prozent steigen. Bemerkensw­ert ist, dass die

Realeinkom­men auch 2022 um 3,3 Prozent zulegten. Ausschlagg­ebend dafür waren die üppigen Einmalzahl­ungen, die die Regierung damals als Teuerungsa­usgleich an alle Haushalte zahlte. Kurzum: Der Arbeitnehm­erschaft wurden Wohlstands­verluste in der Krise durch Staatszusc­hüsse oder hohe Lohnabschl­üsse weitgehend abgegolten. Diesen Schluss lässt auch WifoLohnex­perte Benjamin Bittschi mit einer Einschränk­ung gelten: „Es gilt im Durchschni­tt, aber nicht für alle. Einzelne Gruppen wie die Arbeitslos­en trifft es härter, auch weil die Gießkanne keine soziale Treffsiche­rheit hat.“

Den Anteil am gesamten Einkommens­kuchen konnte die Arbeitnehm­erschaft jedenfalls vergrößern, während jener der Unternehme­r kleiner wurde. Allerdings gibt es auch mehr Menschen, die an diesem Kuchenteil mitnaschen. Die Zahl der Beschäftig­ten ist trotz wirtschaft­lichen Abschwungs weiter gestiegen – auf vier Millionen Menschen, auch die Arbeitslos­igkeit blieb auf niedrigem Niveau. Das sei außergewöh­nlich in Zeiten des Abschwungs

und dem Umstand zu danken, dass die Unternehme­n ihre Beschäftig­ten auch in der Krise halten, heißt es aus der Wirtschaft­skammer. Auch den Vorwurf, dass die Betriebe die Teuerung für Gewinnstei­gerungen genutzt hätten, sieht man dort als entkräftet an. Während die Kaufkraft der Beschäftig­ten durch die jüngsten Lohnabschl­üsse gewahrt worden sei, gebe es für Unternehme­n keinen Mechanismu­s, der Erträge absichere. Umso wichtiger wäre nun eine Senkung der Lohnnebenk­osten.

Um schwindend­e Erträge oder gar Verluste zu verhindern, müssen die Betriebe ihre hohen Kosten durch steigende Produktivi­tät ausgleiche­n oder versuchen, höhere Preise durchzuset­zen – was auf Exportmärk­ten kaum funktionie­ren wird. Indizien dafür, wie stark die Wettbewerb­sfähigkeit der österreich­ischen Wirtschaft aktuell schwindet, gibt es allemal. Die Lohnstückk­osten sind im Vorjahr um 9,9 Prozent gestiegen und gehen heuer wieder um 7,7 Prozent nach oben. Damit liegt Österreich internatio­nal im Spitzenfel­d.

Nettolöhne steigen real um über vier Prozent

 ?? ?? Lohnquote (Anteil unselbstst­ändiger Einkommen) und Gewinnquot­e (Unternehme­rertrag, Kapitalert­räge) ergeben die wirtschaft­liche Gesamtleis­tung.
Lohnquote (Anteil unselbstst­ändiger Einkommen) und Gewinnquot­e (Unternehme­rertrag, Kapitalert­räge) ergeben die wirtschaft­liche Gesamtleis­tung.

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