Wer raunzt, wird am Glück vorbeileben
Welch ein Glück, in diesem Land zu leben. Oder nicht? Ein Plädoyer gegen das Jammern über die falschen Dinge.
Finnland also. Dort sollen die glücklichsten Menschen der Welt leben. So steht es im neuen „World Happiness Report“. Wer sich mit Phänomenen der finnischen Kultur auseinandersetzt, dem kann in Filmen von Aki Kaurismäki oder in der Musik des finnischen Tangos oder der Band Leningrad Cowboys die Bedeutung einer melancholisch durchdrungenen Selbstironie nicht entgehen. Daraus lässt sich schließen, dass das Gefühl, sich glücklich zu fühlen, auch etwas mit einer Distanz zu sich selbst und seinen eigenen Unzulänglichkeiten zu tun haben könnte. Dafür gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Und es gibt auch keine schlüssige Erklärung für die glücklichen Finnen. Die Glücksforscher machten ein paar Faktoren aus, die Menschen generell glücklicher machen, etwa soziale Unterstützung, Einkommen, Freiheit und die Abwesenheit von Korruption.
Die Schwierigkeit liegt aber schon darin, dass es keine gültige, wissenschaftliche Definition für Glück gibt. Wer versucht, das Glück beschreibend zu fassen, begibt sich leichtfertig auf das dünne Eis der Banalitäten und der Binsenweisheiten. Ist Glück also nur ein Vogerl? Ist es flüchtig und stets nur eine Momentaufnahme, seltener als ein Lottosechser? Und wie steht’s um Aristoteles, für den Glück das höchste Ziel des menschlichen Strebens war? Wer aber immer nur auf sein eigenes Glück schaut, wird raffgierig – und letztendlich asozial. Welches Glück also gilt?
Da werden die einen sagen, es stehen persönliches Wohlbefinden und Zufriedenheit im Mittelpunkt. Andere messen Glück an materieller Lebensqualität. Eine Welt, die nach wie vor den Konsum als Glücksmittel predigt, unterstützt so einen Glückbegriff, der Reichtum bloß in Besitz und Zahlen misst. Dann hängt das Glücksempfinden von äußeren Zuständen ab. Der Einfluss der Einzelnen darauf schwindet aber. Die Abwesenheit solchen materiellen Glücks provoziert grummelnde Unzufriedenheit.
Nun, da Österreich in der WeltGlückshitparade um ein paar Plätze abrutschte, könnte man mit einem Blick nach Finnland mutmaßen: Finnische Selbstdistanz und Selbstironie taugen als Eigenschaften, die einem Jammern und Raunzen entgegenstehen, das in Österreich quasi zum Nationalerbe gehört.
Das Wesen oder Auftauchen von Glück bleibt stets eine Frage des Blickwinkels und der eigenen Erwartungshaltung. Erich Fromm formulierte das einmal so: „Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung.“Da schaden dann Bescheidenheit und Demut nicht. Beides sollte aber keineswegs mit Selbstaufgabe verwechselt werden. Wer nun also einen Schritt zurück macht aus selbst gemachter Bequemlichkeit oder Raunzerei und dann von Österreich aus auf die Welt blickt, wird schnell feststellen, wie privilegiert wir im Vergleich zu den meisten Weltregionen leben. Gewiss gibt es auch hier viel zu tun, um dieses Privileg zu erhalten. Im Prinzip leben wir jedoch in einem wohlhabenden Staat. Es ist ein sicherer Staat. Das ist ein Glück, das zu selten kommuniziert wird. Vielleicht liegt das auch daran, dass es in kaum einem anderen Land einen so großen Wortschatz gibt, wenn man jammern oder Beschwerde führen will. Die Tendenz, dass immer öfter an unseren demokratischen Grundwerten gerüttelt wird, dass über zivilisatorische Errungenschaften wie etwa die Menschenrechte gesudert wird, dass über Grundrechte gemosert wird, ist bloß für antidemokratische Volks-Demagogen ein Glück.
Was dagegen helfen könnte, wäre eine Politik, die sich weniger mit Machterhalt und Machtgewinn beschäftigt. Ein Glück für jene an den sozialen Rändern könnte sein, wenn nicht den Reichen und Luxuriösen nachgestrebt wird, sondern jenen, die Ideen haben, die das Gemeinwohl vor den eigenen Gewinn stellen. Glücklich machen könnte eine Politik, die eine Gesellschaft forciert, in der überzeugend und konsequent an grundsätzlichen Bedürfnissen der Menschen gearbeitet wird. Es breitet sich jedoch ein Populismus aus, der bloß einen schnellen, also nur oberflächlichen Erfolg anstrebt. Dann verkommt Politik zu einem Vogerl, das sich jeden Moment mit dem neuesten Wind dreht. Diese Entwicklung widerspricht zutiefst der Hoffnung, dass sich das Glück oder besser noch: eine dauerhafte Zufriedenheit für möglichst viele Menschen als langfristiger Zustand einstellen kann.
Ein Moment Glück, ein Leben lang zufrieden