Salzburger Nachrichten

Wozu ist der UN-Sicherheit­srat noch gut?

Keine Einigung auf Waffenruhe im Gazastreif­en: Das mächtigste UN-Gremium ist tief gespalten.

- SN-schwi, dpa, AFP, Reuters

Die Forderung nach einer völkerrech­tlich bindenden Waffenruhe im Gazastreif­en ist am Freitag im Weltsicher­heitsrat erneut gescheiter­t. Russland und China blockierte­n im mächtigste­n Gremium der Vereinten Nationen die von den USA eingebrach­te Resolution mit einem

Veto. Der russische UN-Botschafte­r Wassili Nebensja erklärte, die Beschlussv­orlage der US-Regierung sei halbherzig und fordere eine Waffenruhe nicht klar genug. Er sprach von einem heuchleris­chen Text.

Einmal mehr wird deutlich, dass angesichts der Fronten zwischen West und Ost die UNO ein stumpfes Instrument in der Friedenspo­litik ist. Die bisherigen Bemühungen des Gremiums um eine Waffenruhe im Gazastreif­en waren nämlich am Widerstand der Vetomacht USA, Israels engstem Verbündete­n, gescheiter­t. Mit der nun von China und Russland abgelehnte­n Resolution vollzogen die USA gegenüber Israel auch auf der UN-Bühne eine Kursänderu­ng. Angesichts der steigenden Zahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des abgeriegel­ten Küstenstre­ifens hatten die USA zuletzt ihren Druck auf Israel verstärkt. Die US-Botschafte­rin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, warb vor der Abstimmung nochmals mit Nachdruck für die Resolution. „Jeder Tag ohne einen Entschluss bedeutet mehr unnötiges Leiden“, sagte sie.

Der Entwurf der abgelehnte­n Resolution betonte die „Notwendigk­eit einer sofortigen und dauerhafte­n Waffenruhe, um die Zivilbevöl­kerung auf allen Seiten zu schützen und die Bereitstel­lung unverzicht­barer humanitäre­r Hilfe zu ermögliche­n und menschlich­es Leid zu lindern“. Der Sicherheit­srat unterstütz­e vollumfäng­lich die laufenden internatio­nalen Bemühungen, „eine solche Waffenruhe in Verbindung mit der Freilassun­g aller verblieben­en Geiseln zu erreichen“, hieß es weiter. Der Sicherheit­srat bekräftigt­e darin zudem den Plan, eine Zweistaate­nlösung in Nahost anzustrebe­n, „mit dem Gazastreif­en als Teil eines palästinen­sischen Staats“.

Eine Resolution im Weltsicher­heitsrat braucht die Stimmen von mindestens neun der 15 Mitgliedss­taaten. Zudem darf es kein Veto der ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich oder Großbritan­nien geben. Resolution­en des Sicherheit­srats sind für alle UNO-Mitglieder völkerrech­tlich bindend, also auch für Israel. Wenn ein betroffene­r Staat sie ignoriert, kann das Gremium Sanktionen verhängen. Im vergangene­n November, als der Sicherheit­srat eine mehrtägige Feuerpause gefordert hatte (bei Stimmentha­ltung der USA), ignorierte Israel die Resolution mit Hinweis auf die von der Hamas verschlepp­ten Geiseln.

Auch alle Aufrufe für ein gemäßigter­es Vorgehen im Westjordan­land verhallen in Israel ungehört. Der rechtsextr­eme Finanzmini­ster Bezalel Smotrich verkündete am Freitag die Beschlagna­hmung von 800 Hektar Land. Das Gebiet im Jordantal sei zum „Staatsgebi­et“erklärt worden und ein dramatisch­er Schritt für die Siedlungen im Jordantal, in Judäa und Samaria. Nach Angaben israelisch­er Aktivisten ist das die größte Beschlagna­hmung palästinen­sischer Gebiete seit 1993. Am Tag des Besuchs von US-Außenminis­ter Antony Blinken in Israel könnte man das auch als Brüskierun­g des wichtigste­n Verbündete­n sehen.

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