Straßensängerin setzt sich zur Wehr
Nikolaus Bachler sorgt als Intendant der Osterfestspiele dafür, dass eine arme Venezianerin jetzt in Salzburg Furore macht.
Erste „La Gioconda“-Fotos zeigen, wie Regisseur Oliver Mears die Geschichte aus der Zeit der Inquisition ins Heute versetzt. Gelingt das?
SN:
Nikolaus Bachler: Ob es gelingt, müssen die Zuschauer beurteilen. Entscheidend ist nicht, dass diese Oper im 16. Jahrhundert spielt, sondern dass sie in Venedig spielt. Denn mit dieser Stadt verbinden wir Mystisches. Und es geht um eine Gesellschaft mit starken Unterschieden zwischen Arm und Reich. Da gibt es sehr Begüterte, die in Saus und Braus leben, während andere darunter leiden und in Abhängigkeit kommen. Zudem setzt Oliver Mears über das Stück eine Klammer: Diese Straßensängerin (Gioconda, diese Partie singt Anna Netrebko, Anm.) ist bei ihm eine Frau, die von klein auf missbraucht worden ist.
SN: Ergibt das mehr als unglückliche Liebe, große Oper – eingebettet ins Thema Italien und Sehnsucht nach Süden?
Die große Oper ist es natürlich. Allein die Besetzung ergibt ein unglaubliches Fest von Stimmen, dirigiert vom großartigen Antonio Pappano. Wir möchten aber eine heute relevante Geschichte erzählen.
Wichtig ist auch, italienische Musik authentisch aufzuführen. Italienische Oper gibt es in München, Wien oder Berlin mit dortigen Orchestern. Ich hoffe, dass man ab Samstag diese Kraft spüren wird: Bei uns spielt ein italienisches Orchester, das der Accademia di Santa Cecilia. Es singt ein italienischer Chor, und das in Oper wie Konzerten. Das kann nur ein Festival.
SN: Ist Salzburg zu Ostern ein gutes Pflaster für Festspiele?
Ja, Salzburg bewährt sich seit über 100 Jahren als Festivalort. Diese Stadt ist Bühne wie kaum eine andere. Man bewegt sich wie in einem Theater: Gebäude umgeben von Bergen. Das wirkt wie gebaute oder von der Natur erschaffene Kulissen.
Die zweite ideale Bedingung ist die Konzentration, die hier – anders als in Großstädten – möglich ist. Hinzu kommt unsere zeitliche Konzentration: Festivals haben ja die Tendenz, sich auszuweiten und zu verlängern. Dass wir uns auf Karwoche und Ostern beschränken, hat große Kraft. Noch dazu ist Ostern eine Zeit des Aufbruchs nach dem Winter. Man fährt wieder weg und ist bereit, sich auf das Thema eines Festivals einzulassen.
SN: Wie war der Vorverkauf?
Sehr gut. Verdi-Requiem, „La Gioconda“(mit Anna Netrebko und Jonas Kaufmann) und der Tanz sind sowieso überbucht. Konzertkarten gibt es noch im zweiten Zyklus (Gründonnerstag bis Ostermontag).
SN: Wie ist die Nachfrage nach der dritten Opernaufführung am Mittwoch der Karwoche?
Auch die ist voll und war schon 2023 bei „Tannhäuser“stark nachgefragt. Wir könnten die heurige Produktion fünf Mal verkaufen.
SN: Wo gibt es Hemmnisse für die Osterfestspiele?
Wir kämpfen alle ums Geld. Umso mehr gilt das für dieses gering subventionierte Festival. Da braucht man viele private Sponsoren und Donatoren. Aber sonst? Ich könnte nicht sagen, was mich hemmt.
SN: Ein Opernhaus hat 80 oder 90 Prozent Subventionsanteil. Die Salzburger Festspiele haben gut 25 Prozent. Wie schaffen Sie’s mit 15 Prozent?
Wir müssen leider hohe Preise verlangen. Und wir schaffen das mit Förderern und Sponsoren. Stadt, Land und Tourismusfonds haben uns eine gute Tarifanpassung für die nächsten drei Jahre zugesichert.
SN: Ist der Name Karajan noch ein Atout oder eine mittlerweile altmodische Marke?
Karajan ist wie Toscanini – der Inbegriff des Dirigenten. Dieser Name ist ein Atout für Salzburg. Und ich höre, dass Tonträger Karajans noch immer Bestseller sind.
Was speziell die Osterfestspiele betrifft: Wir haben einen guten, engen Kontakt mit beiden Töchtern. Arabel Karajan vertritt jetzt die Familie in der Stiftung (die 25 Prozent an der Osterfestspiel-GmbH hält). Mit ihr haben wir im Vorjahr den von der Familie gestifteten Herbertvon-Karajan-Preis verändert: Statt arrivierter Künstler zuvor zeichnen wir jetzt junge Künstler aus, heuer sind das drei Sängerinnen.
SN: Ab 2026 kommen die Berliner Philharmoniker wieder, mit denen Herbert von Karajan 1967 die Osterfestspiele gegründet hat. Für wie viele Jahre?
Derzeit sind fünf Jahre ausgemacht.
SN: Sie haben seit 2013 in Baden-Baden gespielt, nachdem
Sie Salzburg verlassen hatten, weil Ihre finanziellen Forderungen nicht erfüllt wurden.
Wie gelingt das jetzt?
Dafür suche ich eine Zusatzfinanzierung. Und die werde ich finden.
SN: Wie viel brauchen Sie?
Wir werden circa eine Million Euro pro Jahr zusätzlich brauchen.
Sie sind seit den Osterfestspielen 2021 Intendant. Wie lange läuft Ihr Vertrag? Mein Vertrag endet mit 2025.
SN:
SN: Wann steht Verlängerung oder Neubesetzung der Osterfestspiel-Intendanz an?
Ich hab keine Eile.
SN:
Ich arbeite ja bereits mit den Berliner Philharmonikern! Aber wie das vertraglich aussieht? In meinem Alter schaut man nicht mehr so auf Verträge. Ich muss schauen, dass Anna Netrebko, Jonas Kaufmann und Luca Salsi hier singen. Das andere ist Aufgabe der Eigentümer.
Würden Sie weitermachen? SN: Die Intendanz der Salzburger Festspiele ab Herbst 2026 ist ausgeschrieben? Hätten Sie Interesse?
Wie oft muss ich das noch sagen? Nein! Um Gottes willen: Nein!
Im Herbst 2026 sollen Sanierung und Ausbau des Großen Festspielhauses beginnen. Betrifft das die Osterfestspiele?
SN:
Ab 2027 wird das Große Haus zu Ostern (und zumindest von Herbst bis Frühsommer, Anm.) gesperrt sein, angeblich für vier Jahre. Wir können die Felsenreitschule nutzen. Für die Oper gibt es Ideen. Aber für Konzerte wäre es schade, wenn es für dieses wohl bedeutendste Symphonieorchester das Große Haus nicht gäbe.
Weil die Felsenreitschule weniger Plätze hat, ergibt das einen Einnahmenausfall. Den werden wir nicht wegstecken können. Ich gehe davon aus, dass in der Budgetierung des Umbaus eine Abgeltung des Einnahmenausfalls enthalten ist.
SN: Über zwei Personen im Umfeld der Osterfestspiele wird derzeit kritisch geredet. Einer ist der Mäzen Martin Schlaff. Es heißt, er habe Kontakte zu Gazprom-Firmen.
Werden die Russland-Sanktionen eingehalten? Ist er integer?
Martin Schlaff unterstützt viele Kulturinstitutionen, allein in Wien Staatsoper, Volksoper und Musikverein, zudem die Mailänder Scala – und Gott sei Dank auch in großem Ausmaß die Osterfestspiele Salzburg. Er ist ein Opernnarr.
Ich kenne ihn lange. Mit Russland und Gazprom hat er nichts zu tun. Und ich würde sagen: Seine Unterstützung für Kunst kann man dankbar annehmen.
Der Sänger Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, der das Direktorium der Salzburger Festspiele mit einer (noch anhängigen) arbeitsrechtlichen Klage und mit (allesamt zurückgewiesenen) Strafanzeigen eingedeckt hat: Für 2025 haben Sie ihn für „Chowanschtschina“engagiert. Zufall oder Absicht? Reiner Zufall. Ich habe ihn vor zwei Jahren engagiert, und das natürlich ausschließlich aus künstlerischen Gründen. Auch wüsste ich nicht, welche Handhabe ich hätte, ihn als (unbescholtenen, Anm.) Sänger auszuladen.
SN:
„Eine ideale Bedingung in Salzburg ist die Konzentration.“Nikolaus Bachler, Intendant
SN: „La Gioconda“ist Teil des Italien-Schwerpunkts. Wie ist das 2025 mit Modest Mussorgskis „Chowanschtschina“?
Das Thema wird „Wunden und Wunder“. Unsere Welt ist ja voller Kriege und Schrecklichkeiten. Trotzdem müssen wir uns eine offene Sicht auf die Zukunft bewahren, „Wunder“heißt nichts anderes.
Das von Esa-Pekka Salonen geleitete Finnish Radio Symphony Orchestra ist auch wegen der Nähe Finnlands zu Russland interessant. Es wird interessant, wie die Künstler auf die Situation des nächsten Jahres reagieren werden.