Zurück in den Musiksaal
In den vergangenen Wochen begegnete mir sehr oft der Franz Kafka. 100. Todestag ist im Juni. Da wird in einer größeren Öffentlichkeit gefeiert, was sonst kaum Platz hat: ein überragender Schriftsteller, ein Stilist, einer, der den Irrsinn so gut hinschreiben konnte, dass sogar Situationen nach ihm benannt wurden. Es gibt auch viele neue Filme, hintergründige Dokus und einige sehr, sehr empfehlenswerte Graphic Novels über diesen Mann. Wann immer mir Kafka – zuletzt etwa war das bei Stermann und Grissemann – unterkommt, weckt das bei mir den Drang, gleich und dauernd irgendjemandem zu sagen: Kafka gehört gelesen. Davon bin ich überzeugt, seit ich ihn das erste Mal gelesen habe. Verdammt lang her. Aber eine Sache ändert sich nie, wann immer ich eines der Bücher zur Hand nahm (oft auch um abzuschreiben): vor allem seinen Erzählungen liegt die sonst gern vergessene Gewissheit zugrunde, dass wir Wesen des Scheiterns sind, Wesen, die an eine Art unsichtbare Mauer stoßen, Wesen
(eher noch als Menschen), die an Gesetzen zerschellen. Da ist immer irgendetwas, das uns heimlich leitet oder verleitet. Das beschäftigte mich beim Besuch im Schärdinger Bundesgymnasium, meiner alten Schule. Ich saß im Musiksaal, in dem ich einst das Maturazeugnis überreicht bekommen hatte. Ich sprach über die Zeitung, übers Schreiben, ich las Kolumnen und aus meinem Radbuch. Dann wollte eine Schülerin wissen, ob ich immer schon schreiben wollte, ob ich schon als Teenager wusste, dass ich das machen werde. Ich sagte schnell
Ja. Und dann kam mir in den Sinn, wie ich verleitet wurde zum Lesen. Man sagt ja gerne und vorschnell, dass die jungen Menschen nichts mehr lesen. Ich erinnere mich an mindestens zehn Schulkollegen, die auch nur lasen, was sie mussten. Aber ich meine das andere Lesen, das selbst gewählte. In der Schule hatte ich eine Lehrerin, der es leichtfiel – jedenfalls mir –, die Welt der Literatur zu öffnen. Eingeladen zum Lesen wurde ich von einem alten Freund, der nun dort unterrichtet und der – neben dem Umstand, dass ich als Sohn eines Buchbinders zwischen Bücherregalen aufgewachsen bin –, auch maßgeblich an meiner Lesefreude Anteil trägt. Es gibt also, wenn wir noch einmal zu Figuren bei Kafka kommen, etwas, das uns heimlich leitet, das und verführt. Und auch wenn ich das für keine gute Idee halte, wurden die Schülerinnen und Schüler gefragt, was sie denn gerade lesen. Viele zeigen auf. Und dann zeigt auch der Arthur auf und sagt: „,Die Strafkolonie‘ von Franz Kafka.“Danke, ganz alte, immer brauchbare Schule.