Medienrecht kontra Datenschutz als Geisel für Zitierverbot
Die Ministerinnen Zadić und Edtstadler beschädigen bloß ihren guten Ruf. Ein Zitierverbot beschädigt aber die Pressefreiheit.
Dass nun auch zwei der fähigsten Ministerinnen schwere Fehler begehen, ist eine Ironie des Schicksals dieser Koalition. In den letzten Zuckungen der ausgeisternden Regierung entblößen Alma Zadić und Karoline Edtstadler Verständnislücken zur demokratiepolitischen Rolle von Medien. Das wirkt prototypisch für die Bilanz von Türkis-Grün.
Die Baustelle von Zadić heißt missverständlich „Medienprivileg“. Das ist eine Ausnahme vom Datenschutz. Denn die Gewährung von Einsichtnahme widerspricht dem Redaktionsgeheimnis für anonyme Informanten. Der Verfassungsgerichtshof will aber einen weniger pauschalen Vorrang der Pressefreiheit. Die Regierung muss die Abwägung zwischen diesen Menschenrechten bis Jahresmitte reparieren. Dann wird die bisherige Bestimmung aufgehoben. Der im Justizministerium entwickelte Entwurf dazu ist aber derart von Wunschdenken und Realitätsferne der Behörden geprägt, dass
Medien(haus)anwälte, Journalisten und Wissenschafter dagegen Sturm laufen.
Der Protest zeigte erst Wirkung, als sich ausgerechnet die sonst von ihrem Amt überforderte Medienministerin anschloss. Susanne Raab ließ auf Nachfrage antworten: „Es braucht hier strukturelle Überarbeitungen, um einen vernünftigen Ausgleich zwischen Datenschutz und Redaktionsgeheimnis zu gewährleisten.“Worauf die Kollegin von der Justiz als Stellungnahme verbreitete: „Wenn es hier noch konkrete Punkte gibt, bei denen weitere Verbesserungen möglich sind, steht die Bundesregierung dem selbstverständlich offen gegenüber.“
Das ist mehr als eine übliche innerkoalitionäre Watschen. Während Zadić am Interessenausgleich von Datenschutz und Pressefreiheit arbeitet, startet Raab ein Team-Match gegen die grüne Kollegin. VP-Verfassungsministerin Edtstadler will ein Zitierverbot aus Polizeiprotokollen und Gerichtsakten. Es soll kritischen
Journalismus einschränken. Erst das Zitat sichert die Zeichnung politischer Sittenbilder, wie sie die Republik seit Jahren erschauern lassen. Also sagt Georg Kodek, Präsident des Obersten Gerichtshofs, in der „ZiB 2“: „Ich vermisse so ein Verbot nicht.“Es ist ein Selbstschutzwunsch der ÖVP. Sie will die Reparatur des Medienprivilegs mit einem grünen Ja zum Zitierverbot verbinden. Bei einer türkisen Blockade aber droht gesetzloser Zustand, der bis zu Razzien in Redaktionen führen kann.
Wenn Zadić und Edtstadler ihre gute Nachrede verspielen, ist das ihr persönliches Problem. Ein Zitierverbot bedeutet mehr – die massive Einschränkung der Pressefreiheit. Es wirkt wie die Selbstschussanlage einer einst staatstragenden Partei im Wahlkampf mit einer FPÖ, die keine freien Medien will.