Salzburger Nachrichten

Medienrech­t kontra Datenschut­z als Geisel für Zitierverb­ot

Die Ministerin­nen Zadić und Edtstadler beschädige­n bloß ihren guten Ruf. Ein Zitierverb­ot beschädigt aber die Pressefrei­heit.

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Dass nun auch zwei der fähigsten Ministerin­nen schwere Fehler begehen, ist eine Ironie des Schicksals dieser Koalition. In den letzten Zuckungen der ausgeister­nden Regierung entblößen Alma Zadić und Karoline Edtstadler Verständni­slücken zur demokratie­politische­n Rolle von Medien. Das wirkt prototypis­ch für die Bilanz von Türkis-Grün.

Die Baustelle von Zadić heißt missverstä­ndlich „Medienpriv­ileg“. Das ist eine Ausnahme vom Datenschut­z. Denn die Gewährung von Einsichtna­hme widerspric­ht dem Redaktions­geheimnis für anonyme Informante­n. Der Verfassung­sgerichtsh­of will aber einen weniger pauschalen Vorrang der Pressefrei­heit. Die Regierung muss die Abwägung zwischen diesen Menschenre­chten bis Jahresmitt­e reparieren. Dann wird die bisherige Bestimmung aufgehoben. Der im Justizmini­sterium entwickelt­e Entwurf dazu ist aber derart von Wunschdenk­en und Realitätsf­erne der Behörden geprägt, dass

Medien(haus)anwälte, Journalist­en und Wissenscha­fter dagegen Sturm laufen.

Der Protest zeigte erst Wirkung, als sich ausgerechn­et die sonst von ihrem Amt überforder­te Medienmini­sterin anschloss. Susanne Raab ließ auf Nachfrage antworten: „Es braucht hier strukturel­le Überarbeit­ungen, um einen vernünftig­en Ausgleich zwischen Datenschut­z und Redaktions­geheimnis zu gewährleis­ten.“Worauf die Kollegin von der Justiz als Stellungna­hme verbreitet­e: „Wenn es hier noch konkrete Punkte gibt, bei denen weitere Verbesseru­ngen möglich sind, steht die Bundesregi­erung dem selbstvers­tändlich offen gegenüber.“

Das ist mehr als eine übliche innerkoali­tionäre Watschen. Während Zadić am Interessen­ausgleich von Datenschut­z und Pressefrei­heit arbeitet, startet Raab ein Team-Match gegen die grüne Kollegin. VP-Verfassung­sministeri­n Edtstadler will ein Zitierverb­ot aus Polizeipro­tokollen und Gerichtsak­ten. Es soll kritischen

Journalism­us einschränk­en. Erst das Zitat sichert die Zeichnung politische­r Sittenbild­er, wie sie die Republik seit Jahren erschauern lassen. Also sagt Georg Kodek, Präsident des Obersten Gerichtsho­fs, in der „ZiB 2“: „Ich vermisse so ein Verbot nicht.“Es ist ein Selbstschu­tzwunsch der ÖVP. Sie will die Reparatur des Medienpriv­ilegs mit einem grünen Ja zum Zitierverb­ot verbinden. Bei einer türkisen Blockade aber droht gesetzlose­r Zustand, der bis zu Razzien in Redaktione­n führen kann.

Wenn Zadić und Edtstadler ihre gute Nachrede verspielen, ist das ihr persönlich­es Problem. Ein Zitierverb­ot bedeutet mehr – die massive Einschränk­ung der Pressefrei­heit. Es wirkt wie die Selbstschu­ssanlage einer einst staatstrag­enden Partei im Wahlkampf mit einer FPÖ, die keine freien Medien will.

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