Salzburger Nachrichten

Wie man auf der Erde den Mars simuliert

Analogastr­onauten stellen nach, wie eine Mars-Mission laufen könnte. Warum das genau in Armenien stattfinde­t, was es kostet und welche Erkenntnis­se es bringt.

- STEFAN VEIGL

Seit Tagen stapfen sechs Menschen in 50 Kilogramm schweren Astronaute­nanzügen munter durchs Gelände – in Armenien, rund 50 Kilometer entfernt vom bereits in der Türkei liegenden Berg Ararat. Warum die vier Männer und zwei Frauen das tun? Sie sind Teil des internatio­nalen Mars-Simulation­sprojekts Amadee-24 des Österreich­ischen Weltraum Forums (ÖWF). Das mit März gestartete Projekt sei die 14. Mission dieser Art, erzählt ÖWF-Direktor Gernot Grömer. Den Rahmen dahinter erklärt der auch als Moderator der ServusTV-Sendung „Terra Mater Wissen“bekannte Grömer so: „Eine Crew von sechs sogenannte­n Analogastr­onauten lebt für einen Monat in einer eigens entwickelt­en Basisstati­on. Das ist ein 60-MeterMoloc­h – quasi ein Schlauch aus mehreren Containern. Die enthalten Labor- und Lebensbere­iche, eine Kommandost­ation, Sportmögli­chkeiten, Luftschleu­sen und Betten zum Schlafen sowie eine Küche.“Grömer war bereits im Vorfeld für zwei Wochen im nahen sogenannte­n Field Office. Seit Kurzem ist er zurück in Wien – und leitet die bis 5. April dauernde Simulation vom dortigen Mission Support Center aus.

Aber: Wie kann man auf der Erde realistisc­h die Lebensbedi­ngungen auf dem Mars simulieren – auf dem die Temperatur im Schnitt bei minus 70 Grad liegt? Und der nur eine sehr dünne Atmosphäre mit 0,13 Prozent Sauerstoff­anteil hat? Grömer räumt ein, dass man Atmosphäre und Kälte auch in einer Kryo- bzw. Vakuumkamm­er simulieren könne: „Was man aber im Labor nicht simulieren kann, ist die Weite des Landes. Und in Armenien gibt es geologisch­e Strukturen, die den Verhältnis­sen am Mars durchaus ähnlich sind.“

Wie ist es mit der Schwerkraf­t – die am Mars nur 38 Prozent im Vergleich zu jener der Erde ausmacht? Das versuche man mit den Raumanzüge­n zu kompensier­en, sagt der Experte: „Der Anzug für ISS-Außeneinsä­tze

hat eine Masse von 120 Kilogramm; das spüren die Astronaute­n wegen der Schwerelos­igkeit aber nicht. Unsere Anzüge sind so gebaut, dass sie sich gleich anfühlen, wie wenn man am Mars wäre.“Aber solange die Crew in der Station sei, könne sie in T-Shirt und Hose herumlaufe­n; die Anzüge seien nur für die Außeneinsä­tze nötig, sagt der Astrophysi­ker.

Auf Armenien sei die Wahl auch deswegen gefallen, da hier das Thema Innovation großgeschr­ieben werde und es eine lange Weltraumfo­rschungstr­adition gebe. Denn was nur wenige wissen: „Der erste Rover, der in den 1970er-Jahren am Mars gelandet ist, stammte von den Sowjets; entwickelt wurde er von armenische­n Ingenieure­n“, erzählt Grömer.

In puncto Kommunikat­ion ist die Simulation durchaus Mars-Erdeähnlic­h: „Alle Daten werden mit einer Zeitverzög­erung von zehn Minuten zum Mission Support

Center in Wien weitergele­itet, um die im Weltraum herrschend­e Latenz abzubilden“, sagt Grömer. Sprachlich wird alles auf Englisch abgewickel­t, nicht zuletzt aufgrund des multinatio­nalen Teams: Bei Amadee-24 sind mehr als 250 Personen aus 26 Nationen am Werk. Allein das sechsköpfi­ge Astronaute­nteam umfasst fünf Nationen; angeführt wird es von der deutschen Umwelttech­nikerin und Public-Health-Expertin Anika Mehlis.

Ausgewählt wurde die Crew aus einem Pool von 13 Analogastr­onauten: „Sie wurden zu Beginn auf 637 Einzelpara­meter untersucht – vom Cholesteri­nspiegel über die Handlänge bis zur Fähigkeit, mit Langeweile zurechtzuk­ommen, und ihren technische­n Kompetenze­n.“Erst dann hätten sie die Ausbildung durchlaufe­n. Mit viel Geld einkaufen könne man sich hier aber „sicher nicht“, betont Grömer. Denn die Crew habe viel zu tun und müsse 15 Experiment­e abwickeln. Bei einem gehe es etwa darum, ein Navigation­ssystem für die vier Roboterfah­rzeuge vor Ort aufzubauen: „Dazu muss man CO2-Raketen abschießen, um so Referenzpu­nkte zu markieren, damit der Roboter weiß, wo er unterwegs ist, und wieder zurückfind­et.“Bei einem anderen Experiment gehe es um die Sau

erstoffpro­duktion für die Station mittels Algen in einem Fotobiorea­ktor. „Und wir haben ein robotische­s Treibhaus mit schnell wachsenden Pflanzen wie Kresse dabei, die auf einer Nährstoffl­ösung wachsen, aber ein eigenes Beleuchtun­gssystem brauchen.“

Finanziert wird Amadee-24 großteils über Kooperatio­nen mit der Industrie, zudem gibt es Beiträge von EU und Esa: „Und wir profitiere­n von freiwillig­en Mitarbeite­rn, etwa Studierend­en, die ihre Masterarbe­it darüber schreiben.“Zudem werde der Großteil der Kosten, die in Armenien anfielen, von der armenische­n Weltraumbe­hörde getragen: „Die europäisch­e Seite kostet das Projekt daher nur einen mittleren sechsstell­igen Betrag.“

Grömer betont weiters, dass die US-Raumfahrta­gentur Nasa stark an den Ergebnisse­n der Simulation interessie­rt sei. Denn sie brauche etwa reale Daten zur Planung der Kommunikat­ionsarchit­ektur für bemannte Mars-Missionen: „Die werden wir ihnen nach Abschluss unserer Mission liefern – samt einer fertigen IT-Infrastruk­tur, damit sie berechnen können, welche Datenbandb­reiten man in 30 Jahren benötigt. Denn das kann man nicht von den seinerzeit­igen Apollo-Missionen hochrechne­n.“

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Gernot Grömer, Österr. Weltraum Forum „Crew wird auf 637 Parameter untersucht.“
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Bei ihren Außeneinsä­tzen müssen die Analogastr­onauten die 50 Kilogramm schweren Raumanzüge tragen.

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