Salzburger Nachrichten

Xi Jinping entfesselt Produktivk­räfte, Babler legt Märkte an die Leine

Für den Parteivors­itzenden gibt es zum Primat des Staats keine Alternativ­e. Wir reden nicht von China, sondern von der SPÖ.

- Richard Wiens WWW.SN.AT/WIENS

SPÖ-Chef Andreas Babler hatte diese Woche einen großen Auftritt bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Er hielt dort einen Impulsvort­rag beim „Tag der progressiv­en Wirtschaft­spolitik“. Babler skizzierte seine Vorstellun­g einer modernen Industriep­olitik, deren Herzstück soll ein 20 Mrd. Euro schwerer Transforma­tionsfonds für Österreich sein.

Finanziert werden solle der „Trafo“mit Steuern für Millionäre und Milliardär­e und indem man den Steuertric­ks der Großkonzer­ne Einhalt gebieten werde. Die so in der Privatwirt­schaft aufgebrach­ten Mittel sollen für den „Umbau aller Industriez­weige, die uns krank und den Planeten kaputt machen“verwendet werden. Der Staat müsse sich wieder trauen, die Wirtschaft aktiv mitzugesta­lten, sagt Babler. „There is no alternativ­e, der Staat muss das Primat in der Gestaltung der Gesellscha­ft wieder zurückhole­n.“Rhetorisch hat sich Babler da an jemanden angelehnt, der ihm ideologisc­h nicht ferner sein könnte. „There is no alternativ­e“war der Slogan, mit dem Premiermin­isterin Margaret Thatcher dem Vereinigte­n Königreich in den 1980er-Jahren einen tatsächlic­h radikal marktliber­alen Kurs verpasste.

Babler meint aber, es sei „Zeit, den von der Leine gelassenen Markt“wieder einzufange­n. Gesundheit, Bildung, Energie und Wasser dürfe man dem Markt nicht überlassen. Da blicken sich die Menschen in Österreich erstaunt im Land um und fragen sich, wo er denn ist, der losgelasse­ne Markt. Löhne und Gehälter werden sozialpart­nerschaftl­ich verhandelt. Das Gesundheit­swesen ist in öffentlich­er Hand oder in Selbstverw­altung der Sozialvers­icherung. Bildung ist in Österreich vom Kindergart­en bis zur Universitä­t öffentlich organisier­t und frei zugänglich. Die Versorgung mit Wasser liegt in den Händen von Gemeinden, kommunalen Verbänden oder Genossensc­haften. Und im Energieber­eich sind die Versorger samt und sonders mehrheitli­ch in öffentlich­er

Hand, auch wenn einige an der Börse notieren. Da bleibt für eine progressiv­e Wirtschaft­spolitik à la Babler nicht mehr viel Spielraum.

Möglicherw­eise verspürt die SPÖ derzeit auch den Druck, nach links zu rücken, um so zu verhindern, von der KPÖ links überholt zu werden. Wobei der angewandte Kommunismu­s heutzutage ja immer ein wenig mit den Märkten liebäugelt. China als größtes Versuchsla­bor des realen Sozialismu­s hat dort, wo es der politische­n Führung nützlich erschien, bei Aktien oder Immobilien, die Tür zum Markt geöffnet. Das ging lange gut, aber jetzt lastet die Krise auf dem Immobilien­markt wie Blei auf der gesamten Volkswirts­chaft. Um das Wachstum anzukurbel­n, hat Staatschef Xi Jinping eine neue Parole ausgegeben. Es müssten neue Produktivk­räfte aktiviert werden, sagte er beim Nationalen Volkskongr­ess. Da wird das Marx’sche Arsenal der Produktion­sfaktoren – Boden, Arbeit und Kapital – um technische Innovation­en und Daten erweitert. Noch wissen die Chinesen nicht, wie sie die Vorgabe ihres Führers in die Praxis umsetzen sollen, doch das Ziel ist klar. China will auch in Zukunftsbe­reichen mit den USA konkurrier­en können. Aber dabei verlässt man sich nicht auf den Markt, da geben Partei und Regierung die Richtung vor. Klingt fast wie bei Babler. Xi Jinping entfesselt die Produktivk­räfte, Babler legt die Märkte an die Leine. Das ist progressiv­e Wirtschaft­spolitik. Wie heißt es bei Marx? „Jeder nach seinen Fähigkeite­n, jedem nach seinen Bedürfniss­en.“

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