Xi Jinping entfesselt Produktivkräfte, Babler legt Märkte an die Leine
Für den Parteivorsitzenden gibt es zum Primat des Staats keine Alternative. Wir reden nicht von China, sondern von der SPÖ.
SPÖ-Chef Andreas Babler hatte diese Woche einen großen Auftritt bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Er hielt dort einen Impulsvortrag beim „Tag der progressiven Wirtschaftspolitik“. Babler skizzierte seine Vorstellung einer modernen Industriepolitik, deren Herzstück soll ein 20 Mrd. Euro schwerer Transformationsfonds für Österreich sein.
Finanziert werden solle der „Trafo“mit Steuern für Millionäre und Milliardäre und indem man den Steuertricks der Großkonzerne Einhalt gebieten werde. Die so in der Privatwirtschaft aufgebrachten Mittel sollen für den „Umbau aller Industriezweige, die uns krank und den Planeten kaputt machen“verwendet werden. Der Staat müsse sich wieder trauen, die Wirtschaft aktiv mitzugestalten, sagt Babler. „There is no alternative, der Staat muss das Primat in der Gestaltung der Gesellschaft wieder zurückholen.“Rhetorisch hat sich Babler da an jemanden angelehnt, der ihm ideologisch nicht ferner sein könnte. „There is no alternative“war der Slogan, mit dem Premierministerin Margaret Thatcher dem Vereinigten Königreich in den 1980er-Jahren einen tatsächlich radikal marktliberalen Kurs verpasste.
Babler meint aber, es sei „Zeit, den von der Leine gelassenen Markt“wieder einzufangen. Gesundheit, Bildung, Energie und Wasser dürfe man dem Markt nicht überlassen. Da blicken sich die Menschen in Österreich erstaunt im Land um und fragen sich, wo er denn ist, der losgelassene Markt. Löhne und Gehälter werden sozialpartnerschaftlich verhandelt. Das Gesundheitswesen ist in öffentlicher Hand oder in Selbstverwaltung der Sozialversicherung. Bildung ist in Österreich vom Kindergarten bis zur Universität öffentlich organisiert und frei zugänglich. Die Versorgung mit Wasser liegt in den Händen von Gemeinden, kommunalen Verbänden oder Genossenschaften. Und im Energiebereich sind die Versorger samt und sonders mehrheitlich in öffentlicher
Hand, auch wenn einige an der Börse notieren. Da bleibt für eine progressive Wirtschaftspolitik à la Babler nicht mehr viel Spielraum.
Möglicherweise verspürt die SPÖ derzeit auch den Druck, nach links zu rücken, um so zu verhindern, von der KPÖ links überholt zu werden. Wobei der angewandte Kommunismus heutzutage ja immer ein wenig mit den Märkten liebäugelt. China als größtes Versuchslabor des realen Sozialismus hat dort, wo es der politischen Führung nützlich erschien, bei Aktien oder Immobilien, die Tür zum Markt geöffnet. Das ging lange gut, aber jetzt lastet die Krise auf dem Immobilienmarkt wie Blei auf der gesamten Volkswirtschaft. Um das Wachstum anzukurbeln, hat Staatschef Xi Jinping eine neue Parole ausgegeben. Es müssten neue Produktivkräfte aktiviert werden, sagte er beim Nationalen Volkskongress. Da wird das Marx’sche Arsenal der Produktionsfaktoren – Boden, Arbeit und Kapital – um technische Innovationen und Daten erweitert. Noch wissen die Chinesen nicht, wie sie die Vorgabe ihres Führers in die Praxis umsetzen sollen, doch das Ziel ist klar. China will auch in Zukunftsbereichen mit den USA konkurrieren können. Aber dabei verlässt man sich nicht auf den Markt, da geben Partei und Regierung die Richtung vor. Klingt fast wie bei Babler. Xi Jinping entfesselt die Produktivkräfte, Babler legt die Märkte an die Leine. Das ist progressive Wirtschaftspolitik. Wie heißt es bei Marx? „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“