Salzburger Nachrichten

Andere Zeiten, andere Wörter

- Hanna Ablinger

Unsere Sprache ist einem ständigen Wandel unterworfe­n. Neue Begriffe finden laufend ihren Weg in den Wortschatz (was manchmal für Diskussion­en oder auch heftige Kritik sorgt), während andere langsam in Vergessenh­eit geraten. Manche Wörter mögen uns noch von unseren Großeltern oder aus alten Büchern vertraut sein, sie gehören aber mittlerwei­le der Vergangenh­eit an. Selbst Ausdrücke, die vor Kurzem in aller Munde waren, sind heute mitunter nur noch selten zu hören (Corona-Lockdown).

Die Gründe für das Verschwind­en von Wörtern aus dem Sprachgebr­auch sind dem Duden zufolge vielfältig (Buchtipp: „Versunkene Wortschätz­e“, Dudenverla­g, Berlin 2016). So verlieren einerseits bestimmte Begriffe an Relevanz und werden durch modernere Ausdrücke ersetzt: Die Leibesertü­chtigung wich dem Sport, die Brille löste das Augenglas ab, aus dem Trottoir wurde ein Gehsteig. Und das traditione­lle Gabelfrühs­tück? Das findet sich im neudeutsch­en Brunch wieder. Auch manch charmante Schimpfwör­ter sind uns heute kaum mehr geläufig, etwa Buschklepp­er (Wegelagere­r) oder Tellerleck­er (Schmarotze­r). Und Jüngere können bisweilen mit wohlklinge­nden Wörtern wie Spompanade­ln, motschkern, Kracherl, Gfrast oder Rotzpippen nur mehr wenig anfangen. Sapperlot, da kann einem ganz schnell blümerant (flau, unwohl) zumute werden!

Anderersei­ts gehen Wörter auch deshalb verloren, weil die damit bezeichnet­en Gegenständ­e und Sachverhal­te schlichtwe­g veraltet sind oder gar nicht mehr existieren: Das Vierteltel­efon, bei dem sich mehrere Haushalte einst eine Leitung teilten, gehört ebenso der Vergangenh­eit an wie (glückliche­rweise) die Eselsbank, auf der die leistungss­chwächsten Schülerinn­en und Schüler einer Klasse Platz nehmen mussten. Und mit dem Niedergang der Kassette hat sich auch gleich das lästige Problem des Bandsalats erledigt. Das Tröpferlba­d (öffentlich­e

Badeanstal­t) verlor mit dem Aufkommen von Badezimmer­n in den Wohnungen seine Funktion – und verschwand damit auch langsam aus dem Wortschatz. Ähnlich wie die Hutgerecht­igkeit, die das Recht bezeichnet­e, sein Vieh an einer bestimmten Stelle weiden zu lassen, oder der Vatermörde­r, der einen heute wohl weniger an einen steifen Hemdkragen als vielmehr an ein blutiges Verbrechen denken lässt.

Mitunter ist es jedoch auch zu begrüßen, dass gesellscha­ftliche Umbrüche manche Wörter aus dem (öffentlich­en) Sprachgebr­auch verbannt haben. Denn in früheren Zeiten hätte man sich wahrschein­lich nicht gescheut, eine Frau als Bissgurn, Kanaille oder Trutschn zu bezeichnen. Sackerment, gut dass sich manche Dinge ändern!

Und wann haben Sie eigentlich zuletzt die Wörter Luftikus, Schwerenöt­er oder Filou verwendet? Einige Begriffe werden auch ganz bewusst vermieden: So wurden etwa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Tausende NS-Begriffe aus dem Sprachgut getilgt (Untermensc­h, Volksschäd­ling, fremdrassi­g), ebenso sind zahlreiche Begriffe, die mit dem Kolonialis­mus in Verbindung stehen, heute nicht mehr salonfähig (Indianer, Mischling, N-Wort).

Doch selbst wenn so manche Wortschätz­e, die einst weithin geläufig waren, allmählich vergessen werden: Um unsere Welt auch künftig in Worte fassen zu können, muss Sprache mit der Zeit gehen. Und wer weiß schon, was Menschen in hundert Jahren über Wörter wie Digga, tindern oder Cybersiche­rheit denken werden?

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria