Die Berge als Horizont
ICHliebe es, wenn Berge mir den Blick verstellen. Die Linie der Gipfel, Grate und Taleinschnitte bildet dann den Horizont, gibt ihm (s)eine Form. Diese Vorliebe hängt wohl mit dem Aufwachsen in einem Salzburger Tauerntal zusammen, dessen Enge ich nie als Einschränkung empfunden habe. Wer ihr entfliehen will, braucht ja nur hinauf auf die Höhe und hat dann ein Gipfelmeer vor sich liegen. Nicht einmal anstrengend muss das sein, es reicht auch, in eine Gondel einzusteigen.
Als Kind habe ich nicht verstanden, wenn Besuch aus dem Flachland vom beklemmenden Gefühl redete, das sich angesichts der Nähe des Gebirges schlagartig einstellte. Da schwang auch ein wenig Angst mit. Mittlerweile kann ich mir das zumindest vorstellen. Berge, Felswände haben eine unglaubliche Präsenz: Ihre Mächtigkeit ist zu spüren, auch die latente Gefahr von Steinschlag oder Felssturz, die immer von ihnen ausgeht. Im Hinterkopf sind diese Gedanken auch bei mir, aber die Faszination der Bergansichten überwiegt.
Die Hüttschlager Wand zum Beispiel ist so eine markante Erscheinung: Das Gestein leuchtet in grüngrauen Schattierungen, die Felsbänder sind waagrecht geschichtet, zeigen je nach Witterung mehr Konturen oder mehr Fläche. Wie ein Bild ist diese Wand anzuschauen; eines, das sich immer verändert und in den Details ihre Reize offenbart.
Zu den wildromantischen Anblicken im Großarltal zählt auch die Wachterwand am Taleingang. Der benachbarte Steinbruch beeinträchtigt jedoch dieses Felswahrzeichen, die Wunden an der Oberkante sind weithin sichtbar. Warum eine Erweiterung des Abbaus zulasten dieser Naturschönheit bewilligt werden konnte, ist für mich unverständlich. Noch dazu bildet diese Wand ein
Blickensemble mit dem denkmalgeschützten ehemaligen Mautgebäude „Alte Wacht“am Fuß des Felsens. Das gerät offenbar in Vergessenheit.
Solche eindrückliche Berge und Wände haben mich geprägt. Ich wohne auch in Salzburg zwischen den Stadtbergen, vom Fenster schaue ich auf den nahe gelegenen Gaisberg und wohl nicht von ungefähr zieht es mich im Sommer immer wieder auf die gebirgige Mittelmeerinsel Korsika. Angesichts der Tofana hoch über Cortina d’Ampezzo ist mir das vor ein paar Wochen so richtig bewusst geworden. Das Tofanamassiv mit seinen Dreitausendergipfeln zählt zum Unesco-Welterbe Dolomiten. Skifahrer und Skifahrerinnen kommen dort bei den oberen Liften dem rötlichen Gebirgsstock zum Greifen nah, haben ihn direkt vor Augen.
Atemberaubend schön dieser Berghorizont, er wird mir nie zu eng werden.