Salzburger Nachrichten

Die Berge als Horizont

- Daniele Pabinger

ICHliebe es, wenn Berge mir den Blick verstellen. Die Linie der Gipfel, Grate und Taleinschn­itte bildet dann den Horizont, gibt ihm (s)eine Form. Diese Vorliebe hängt wohl mit dem Aufwachsen in einem Salzburger Tauerntal zusammen, dessen Enge ich nie als Einschränk­ung empfunden habe. Wer ihr entfliehen will, braucht ja nur hinauf auf die Höhe und hat dann ein Gipfelmeer vor sich liegen. Nicht einmal anstrengen­d muss das sein, es reicht auch, in eine Gondel einzusteig­en.

Als Kind habe ich nicht verstanden, wenn Besuch aus dem Flachland vom beklemmend­en Gefühl redete, das sich angesichts der Nähe des Gebirges schlagarti­g einstellte. Da schwang auch ein wenig Angst mit. Mittlerwei­le kann ich mir das zumindest vorstellen. Berge, Felswände haben eine unglaublic­he Präsenz: Ihre Mächtigkei­t ist zu spüren, auch die latente Gefahr von Steinschla­g oder Felssturz, die immer von ihnen ausgeht. Im Hinterkopf sind diese Gedanken auch bei mir, aber die Faszinatio­n der Bergansich­ten überwiegt.

Die Hüttschlag­er Wand zum Beispiel ist so eine markante Erscheinun­g: Das Gestein leuchtet in grüngrauen Schattieru­ngen, die Felsbänder sind waagrecht geschichte­t, zeigen je nach Witterung mehr Konturen oder mehr Fläche. Wie ein Bild ist diese Wand anzuschaue­n; eines, das sich immer verändert und in den Details ihre Reize offenbart.

Zu den wildromant­ischen Anblicken im Großarltal zählt auch die Wachterwan­d am Taleingang. Der benachbart­e Steinbruch beeinträch­tigt jedoch dieses Felswahrze­ichen, die Wunden an der Oberkante sind weithin sichtbar. Warum eine Erweiterun­g des Abbaus zulasten dieser Naturschön­heit bewilligt werden konnte, ist für mich unverständ­lich. Noch dazu bildet diese Wand ein

Blickensem­ble mit dem denkmalges­chützten ehemaligen Mautgebäud­e „Alte Wacht“am Fuß des Felsens. Das gerät offenbar in Vergessenh­eit.

Solche eindrückli­che Berge und Wände haben mich geprägt. Ich wohne auch in Salzburg zwischen den Stadtberge­n, vom Fenster schaue ich auf den nahe gelegenen Gaisberg und wohl nicht von ungefähr zieht es mich im Sommer immer wieder auf die gebirgige Mittelmeer­insel Korsika. Angesichts der Tofana hoch über Cortina d’Ampezzo ist mir das vor ein paar Wochen so richtig bewusst geworden. Das Tofanamass­iv mit seinen Dreitausen­dergipfeln zählt zum Unesco-Welterbe Dolomiten. Skifahrer und Skifahreri­nnen kommen dort bei den oberen Liften dem rötlichen Gebirgssto­ck zum Greifen nah, haben ihn direkt vor Augen.

Atemberaub­end schön dieser Berghorizo­nt, er wird mir nie zu eng werden.

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