Täter-Opfer-Umkehr auf Bayerisch
Der Verzicht auf sensible Sprache darf niemandem schaden, heißt es in Bayern. Diese kühne Argumentation eröffnet ganz ungeahnte Möglichkeiten.
Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden ist die Verwendung von Gendersprache nun ausdrücklich verboten. Nein, um Sprache geht es heute nicht, sondern darum, wie Dinge haarstäubend argumentiert werden.
Denn der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann von der CSU meinte im Zusammenhang mit dem Verbot für gendergerechte Sprache, dass es der Staatsregierung besonders wichtig sei, dass niemand benachteiligt werde, wenn er oder sie auf geschlechtersensible Sprache verzichtet. Das ist doch tatsächlich einmal ein origineller Ansatz, der ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Quasi Täter-Opfer auf Bayerisch. Die „Frauensache“hat sich in Anlehnung an Herrmann ein paar Beispiele ausgedacht, bei denen eine manipulative Logik künftig Schule machen und manchen den Alltag im anstrengenden Gesellschaftswandel erleichtern könnte. Also eine Anleitung dafür, wie man Veränderung verhindert. * Der Regierung ist es besonders wichtig, dass niemand, der durch Klüngelei und Verhaberung trotz schlechter Qualifikation einen Superposten bekommen hat, benachteiligt wird. Wäre ja ein Witz, wenn eine Person, die auf einen gut bezahlten Job gehievt wurde, dann auch noch Kritik aushalten müsste. Was kann einer dafür, dass er die „richtigen“Leute kennt?
* Der Regierung ist es auch besonders wichtig, dass niemand, der aufgrund seines Geschlechts mehr verdient als eine Person des anderen Geschlechts – in der Regel also Männer – benachteiligt wird. Bitte schön, reden wir nicht darüber, kein Wort der Kritik, der Arme ist eh schon gestraft genug, dass er ohne Grund mehr Geld kassiert, da will er nicht noch durch öffentliche Debatten über gerechte Bezahlung genervt und sich im öffentlichen Diskurs benachteiligt wissen. So etwas kann schon auf die Psyche drücken. * Oder wie wäre es damit: Anzügliche Witze, die auf Kosten von Frauen gehen, sind nicht jedermanns Geschmack. Aber keinesfalls darf so ein Blondinenwitzchen demjenigen schaden, der sie zum Besten gibt. Wäre wirklich diskriminierend, würden dann ein paar Kolleginnen sagen, dass sie das unangemessen und blöd finden. Ich meine, wie steht dann so eine Witzfigur in der Kollegenschaft da?
Herrmanns Argumentation taugt dazu, gesellschaftliche Zustände einzuzementieren, unabhängig davon, ob man diese gut oder schlecht findet. Und sein Ansatz verkehrt die Situation. Es geht ihm nicht darum, eine Sprache zu fördern, die abseits von Sonderzeichen trotzdem sensibel ist, sondern darum, jene besonders zu schützen, die sich einen Kehricht um Veränderungen zugunsten von Frauen kümmern.