Salzburger Nachrichten

Täter-Opfer-Umkehr auf Bayerisch

Der Verzicht auf sensible Sprache darf niemandem schaden, heißt es in Bayern. Diese kühne Argumentat­ion eröffnet ganz ungeahnte Möglichkei­ten.

- Karin Zauner WWW.SN.AT/FRAUENSACH­E

Bayerns Schulen, Hochschule­n und Behörden ist die Verwendung von Genderspra­che nun ausdrückli­ch verboten. Nein, um Sprache geht es heute nicht, sondern darum, wie Dinge haarstäube­nd argumentie­rt werden.

Denn der bayerische Staatskanz­leichef Florian Herrmann von der CSU meinte im Zusammenha­ng mit dem Verbot für gendergere­chte Sprache, dass es der Staatsregi­erung besonders wichtig sei, dass niemand benachteil­igt werde, wenn er oder sie auf geschlecht­ersensible Sprache verzichtet. Das ist doch tatsächlic­h einmal ein originelle­r Ansatz, der ganz neue Möglichkei­ten eröffnet. Quasi Täter-Opfer auf Bayerisch. Die „Frauensach­e“hat sich in Anlehnung an Herrmann ein paar Beispiele ausgedacht, bei denen eine manipulati­ve Logik künftig Schule machen und manchen den Alltag im anstrengen­den Gesellscha­ftswandel erleichter­n könnte. Also eine Anleitung dafür, wie man Veränderun­g verhindert. * Der Regierung ist es besonders wichtig, dass niemand, der durch Klüngelei und Verhaberun­g trotz schlechter Qualifikat­ion einen Superposte­n bekommen hat, benachteil­igt wird. Wäre ja ein Witz, wenn eine Person, die auf einen gut bezahlten Job gehievt wurde, dann auch noch Kritik aushalten müsste. Was kann einer dafür, dass er die „richtigen“Leute kennt?

* Der Regierung ist es auch besonders wichtig, dass niemand, der aufgrund seines Geschlecht­s mehr verdient als eine Person des anderen Geschlecht­s – in der Regel also Männer – benachteil­igt wird. Bitte schön, reden wir nicht darüber, kein Wort der Kritik, der Arme ist eh schon gestraft genug, dass er ohne Grund mehr Geld kassiert, da will er nicht noch durch öffentlich­e Debatten über gerechte Bezahlung genervt und sich im öffentlich­en Diskurs benachteil­igt wissen. So etwas kann schon auf die Psyche drücken. * Oder wie wäre es damit: Anzügliche Witze, die auf Kosten von Frauen gehen, sind nicht jedermanns Geschmack. Aber keinesfall­s darf so ein Blondinenw­itzchen demjenigen schaden, der sie zum Besten gibt. Wäre wirklich diskrimini­erend, würden dann ein paar Kolleginne­n sagen, dass sie das unangemess­en und blöd finden. Ich meine, wie steht dann so eine Witzfigur in der Kollegensc­haft da?

Herrmanns Argumentat­ion taugt dazu, gesellscha­ftliche Zustände einzuzemen­tieren, unabhängig davon, ob man diese gut oder schlecht findet. Und sein Ansatz verkehrt die Situation. Es geht ihm nicht darum, eine Sprache zu fördern, die abseits von Sonderzeic­hen trotzdem sensibel ist, sondern darum, jene besonders zu schützen, die sich einen Kehricht um Veränderun­gen zugunsten von Frauen kümmern.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria