Ein Sohn emanzipiert sich vom Vater
Pier Silvio Berlusconi will den Medienkonzern seines Vaters zu einem seriösen Partner in Europa machen – und ProSiebenSat.1 aufspalten.
Irgendwann kommt der Moment, in dem sich Söhne von ihren raumergreifenden Vätern emanzipieren müssen oder zumindest sollten. Im Fall von Pier Silvio Berlusconi geschah das erst kurz vor dem Tod des Multimilliardärs und viermaligen italienischen Ministerpräsidenten – diese Woche jährt sich seine erste Präsidentschaft exakt zum 30. Mal – im vergangenen Sommer. Der Junior war zwar schon vorher aus dem Schatten des Seniors getreten; bereits seit 2015 leitet Pier Silvio den vom Vater gegründeten Medienkonzern Mediaset, heute unter dem Namen Media For Europe (MFE) firmierend. Nie aber wagte sich Pier Silvio so weit aus dem Fenster wie bei der Ankündigung, MFE werde die bekannte Fernsehmoderatorin Bianca Berlinguer vom Staatsfernsehen Rai abwerben. „Als ich das meinem Vater sagte, zog er nur die Augenbraue hoch“, erzählte der Sohn vor einigen Monaten.
Dazu muss man wissen, dass Silvio Berlusconi bis zum Schluss ein überzeugter Antikommunist war, Berlinguer die Tochter des bislang letzten großen italienischen Kommunistenführers Enrico Berlinguer ist und gewiss nicht auf der politischen Linie Berlusconis liegt. Wie kommt es also dazu, dass eine Altlinke zum Medienkonzern eines berüchtigten Kommunistenhassers wechselt, der seine Fernsehsender stets zum Ausbau seiner politischen Macht in Italien benutzte? Die Antwort: Emanzipation, des Sohns vom Vater. Es gehörte Mut und sogar eine gewisse Chuzpe zu der Verpflichtung, die wegweisenden Charakter haben sollte.
Pier Silvio Berlusconi, demnächst 55 Jahre alt, ist zusammen mit seiner Schwester Marina Mehrheitseigner des Familienkonzerns Fininvest, zu dem auch MFE gehört.
Der Junior will MFE seriöser machen, das behauptet er zumindest. TV-Trash und parteiische Berichterstattung sollen bei den Berlusconi-Sendern weniger Platz haben.
Wer’s glaubt, wird selig, denken sich nun wohl Berlusconi-Kritiker. Doch Pier Silvio, Berlusconis zweitgeborener Sohn aus erster Ehe, machte zumindest im Ansatz Ernst.
Dazu kaufte der Junior eine ganze Reihe Moderatorinnen und Moderatoren ein, die man zu Zeiten seines Vaters gewiss nicht bei Mediaset gesehen hätte. Es gibt nun auch kritische Stimmen bei den Sendern Canale 5, Rete 4 und Italia 1 – und ein bisschen weniger Klatsch.
Nicht, dass in den lange Zeit für ihre Stimmungsmache berüchtigten Berlusconi-Sendern nun rundum eine neue Ernsthaftigkeit einkehrte. Aber Pier Silvio hat zumindest seine eigenen Ideen.
Aus erster Ehe hat Berlusconi junior eine Tochter, die ihn schon mit 52 Jahren zum Großvater machte. Seit 2002 ist der Fitnessfreak mit dem ehemaligen Showgirl Silvia Toffanin liiert, mit der er zwei Kinder hat. Der Tod des Vaters war gerade zwei Wochen vorbei, als Berlusconi den neuen Ton ankündigte. „Weniger Exzesse, mehr Information“lautete seine Devise. Beinahe zeitgleich konnte der MFE-Chef feiern, dass Mediaset 2023 in Italien eine Durchschnitts-Einschaltquote von 37,7 Prozent erreicht hatte und damit erstmals das Staatsfernsehen übertraf. Dort setzt die Regierung einem parteiübergreifenden Ritual folgend eigene Gefolgsleute an Schlüsselstellen.
Berlusconi junior will Media For Europe dem Namen entsprechend zu einem europäischen Konzern umbauen. Die spanische Tochter Mediaset España ist komplett integriert. Stück für Stück hat MFE auch seine Beteiligung am deutschen Medienkonzern ProSiebenSat.1 auf bis zu 29 Prozent erhöht. Auch wegen des zweifelhaften Images der Mediaset-Sender kam es aber nie zu einer echten inhaltlichen Kooperation. Wie Ende vergangener Woche bekannt wurde, erhöht der Großaktionär nun aber zunehmend den Druck auf den ProSiebenSat.1-Vorstand: MFE will auf der ProSiebenHauptversammlung am 30. April einen Beschluss erwirken, um die Segmente Dating und Video sowie Commerce und Ventures, also das Dating- und E-Commerce-Geschäft, abzuspalten und eigenständig an die Börse zu bringen. Das würde es für Berlusconi & Co. attraktiver machen, den ganz großen Plan umzusetzen – nämlich ProSiebenSat.1 zu übernehmen. Das Medienhaus ist in Österreich durch die Tochter ProSiebenSat.1Puls4 (Puls 4, ATV, ATV 2, Puls 24) vertreten.
Politische Ambitionen habe er indes nicht, sagt Pier Silvio Berlusconi. Dennoch gibt es immer wieder Spekulationen über seinen Eintritt in die Politik und die Leitung der Berlusconi-Partei Forza Italia, die von der Familie finanziert wird. Alles könnte aber auch eine Frage der Zeit sein. „Mein Vater“, sagt Pier Silvio, „ist auch erst im Alter von 58 Jahren in die Politik gegangen.“
„Mein Vater ist auch erst im Alter von 58 Jahren in die Politik gegangen.“Pier Silvio Berlusconi, MFE