Salzburger Nachrichten

Was die Deutschen über Covid nicht wissen sollten

Das Robert-Koch-Institut wollte die Protokolle der Pandemiebe­ratungen für sich behalten. Ein Gericht sah das anders.

- CORNELIE BARTHELME

Wer wissen will, wie die Pandemieze­it sich in Deutschlan­d anfühlte, sollte sich an ihren Beginn vor fast exakt vier Jahren erinnern. Im ersten Lockdown erließ Bayerns Landesregi­erung ein Parkbank-Verbot. Nicht einmal allein dort sitzen und ein Buch lesen war erlaubt.

Wer wissen will, wie manche der Entscheidu­ngen zustande kamen, die das Robert-Koch-Institut (RKI) traf – die dem Bundesgesu­ndheitsmin­isterium unterstell­te oberste Bundesbehö­rde in Sachen öffentlich­e Gesundheit und Ratgeberin der Bundesregi­erung: Der kann das jetzt nachlesen in den Protokolle­n des Krisenstab­s, den das RKI eingericht­et hatte. Das Onlinemaga­zin „Multipolar“hatte das RKI auf Herausgabe dieser Protokolle verklagt. Das Verwaltung­sgericht Berlin gab der Klage statt.

Online stehen nun knapp 250 Protokolle, geschwärzt an vielen Stellen; dazu die entspreche­nden Begründung­en des RKI auf 1059 Seiten. Nicht nur „Multipolar“vermutet in den Dokumenten und erst recht den Schwärzung­en politische­n Sprengstof­f. Das ZDF verwendet in einem ersten Bericht diese Formulieru­ng und berichtet über Widersprüc­he zwischen den Protokolle­n

des Instituts und den politische­n Entscheidu­ngen.

So vermerkt das Ergebnispr­otokoll der Krisenstab­sitzung vom 30. Oktober 2020, dass der Wert des

Tragens von FFP2-Masken nicht erwiesen sei. „Ihr Nutzen sollte auf Arbeitssch­utz von Personen, die mit infektiöse­n Patienten arbeiten, begrenzt bleiben.“Und: „Eine offensiver­e Kommunikat­ion wäre sinnvoll, um transparen­t zu machen, warum RKI dies nicht empfiehlt.“ Die Öffentlich­keit erfuhr nicht nur nichts davon, die Maskenrege­ln wurden sogar verschärft.

Knapp vor Beginn des ersten Lockdowns steht im Protokoll der Sitzung vom 17. März 2020: „Durch den starken Anstieg der Fallzahlen wird die Gesundheit­sgefahr für die Bevölkerun­g jetzt als ,hoch‘ eingestuft.“Tags zuvor wurde vermerkt, dass „eine neue Risikobewe­rtung vorbereite­t“worden sei: „Es soll diese Woche hochskalie­rt werden.“Diese neue „Risikobewe­rtung wird veröffentl­icht, sobald [der Name der Person ist geschwärzt] ein Signal dafür gibt“. „Multipolar“, ein Onlinemaga­zin, das Politologe­n in die Nähe verschwöru­ngserzähle­rischer Publikatio­nen rücken, schließt daraus, die Risikobewe­rtung beruhe „nicht auf einer fachlichen Einschätzu­ng des RKI, sondern auf der politische­n Anweisung eines externen Akteurs“. Am Montag aber erklärte die Sprecherin von Gesundheit­sminister Karl Lauterbach, derlei sei „üblich“, weil „man auch Mitarbeite­r schützen muss“– und „hinter der Schwärzung steht ein interner Mitarbeite­r des RKI“. Das RKI erklärte, die Protokolle seien Zusammenfa­ssungen von Diskussion­en im Krisenstab. Einzelne Äußerungen spiegelten nicht die dann abgestimmt­e Position des RKI.

Protokolle könnten zum Politikum werden

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