Von der Folterkammer auf die Anklagebank
Bewusstlos und mit abgeschnittenem Ohr: In Moskau werden die Terrorverdächtigen im Gerichtssaal vorgeführt.
Russlands Medienvertreter sind es gewohnt, dass Sicherheitsbeamte im Kasernenhofton mit ihnen reden. „Wir behindern die Arbeit nicht, wir stellen keine Fragen, auf das erste Kommando verlassen wir den Raum“, rief der Justizbeamte, bevor die vier mutmaßlichen Attentäter des Terroranschlags in Moskau dem Haftrichter vorgeführt wurden. Doch der Anblick der Angeklagten schockte trotzdem viele.
Die Tadschiken, die am Freitag im Konzertsaal Crocus City Hall 137 Menschen getötet hatten, schienen aus der Folterkammer zu kommen. Ihre Gesichter waren von Blutergüssen
und Schrammen entstellt. Muchammadsobir Fajsow, 19 Jahre, wurde auf einem Rollstuhl in den Saal geschoben, bewusstlos. Er war auf der Intensivstation gelandet, nachdem man ihm ein Auge ausgeschlagen hatte. Saidakrami Ratschabalisoda, 30 Jahre, trug einen Mullverband auf der rechten Kopfseite, ihm hatte ein Sicherheitsmann einen Großteil seines Ohres abgeschnitten. Am Samstag wurde ein Video veröffentlicht, auf dem er ihm das Ohr in den Mund stopft.
Die kremlnahe Zeitung „Moskowski Komsomolez“zitierte am Montag einen ehemaligen „Spezialisten“, der das abgeschnittene Ohr als „gute alte Methode“lobt. Ein anderer anonymer Experte des Blattes entschuldigt die Grausamkeiten: Beim Zugriff müsse man schnell Information aus den Verbrechern herausholen, um freie Komplizen zu fangen und Gefahren abzuwenden. „Da kümmern die Bürgerrechte der Terroristen niemanden.“
Ilja Abischew, Militärexperte der BBC, sagte dem Kanal TV-Doschd,
Kämpfer professioneller Spezialeinheiten hätten solche Foltern niemals veranstaltet. Doch es könnte sein, dass die Sicherheitsorgane bewusst gewalttätige Kriegsveteranen eingesetzt haben, um die Terroristen öffentlich zu „bearbeiten“. Die Bilder erinnern an Videos der Söldnertruppe Wagner aus Syrien und der Ukraine, wo Deserteure mit dem Vorschlaghammer totgeschlagen wurden.
Kremlsprecher Dmitri Peskow lehnte es ab, den Zustand der Gefolterten zu kommentieren. „Auf diese Frage gebe ich keine Antwort.“ExPräsident Dmitri Medwedew aber erklärte, man werde sie töten. „Das muss sein.“Auch wenn Russland die Todesstrafe 1996 ausgesetzt hat.
Jewgeni Rasskasow, ehemaliger Kämpfer der Neonazigruppe Rusitsch, bot das blutige „Ohrabschneidemesser“auf seinem Telegram-Kanal zur Versteigerung an. Ein Folterwerkzeug als Kultgegenstand. Auf russischen Verkaufsportalen waren solche Jagdmesser am Montag ausverkauft.