Salzburger Nachrichten

Helden unter Berg stoppen Nazi-Bomben

Eine Graphic Novel erzählt vom Salz, von Bildern im Berg, von der Rettung großer Kunst vor dem Zerstörung­swahn der Nazis.

- BERNHARD FLIEHER

Dass die Helden unter Berge aus Kunstliebe handelten, darf bezweifelt werden. Auch Comicautor Simon Schwartz schreibt über die Bergleute, dass „die Bomben auch ihre Existenzmö­glichkeite­n bedrohten“. Die Existenz war das Salzbergwe­rk Altaussee. Und die Helden waren Bergleute, die im April 1945 das Bergwerk retteten und so auch die von den Nazis dort versteckte­n Kunstschät­ze.

Zusammenge­rafft, gestohlen, enteignet, arisiert oder in dubiosen Geschäften erworben wurden sie, Geschätzt wird, dass rund 6300 Gegenständ­e, zwischenge­lagert waren. Manche waren vorgesehen für das geplante „Führermuse­um“in Linz. Dass diese Kunst dort zwischenge­lagert werden konnte, lag an einer alten Tradition; dem Salzabbau. In einer Ausstellun­g im Steinbergh­aus, dem ehemaligen Knappenhau­s des Bergwerks, kann man der Geschichte in neuen Bildern folgen. Gezeichnet wurden sie von Simon Schwartz. Es ist die erste Schau im Rahmen von Kulturhaup­tstadt – Salzkammer­gut 2024 auf der steirische­n Seite der Kulturhaup­tstadt-Region.

Schwartz erzählt in der Graphic Novel „Verborgen im Fels. Der Berg, das Salz & die Kunst“nicht nur von der Kunstrettu­ng, sondern die Geschichte des Bergbaus. „Für mich war es nicht nur spannend, die spektakulä­re Geschichte der Kunstrettu­ng zu erzählen“, sagt Schwartz. Daher habe er sich auch der „fasziniere­nden 7000-jährigen Geschichte des Salzabbaus in der Region“gewidmet. Die Ausstellun­g ist daher auch zweigeteil­t. In einem Teil wird das Salz als Lebensgrun­dlage der Menschheit gezeigt, was schließlic­h auch einen Blick auf verschiede­ne Formen der Salzgewinn­ung öffnet. So rücken auch Machtverhä­ltnisse und die soziale Situation der Bergleute ins Zentrum des Geschehens. Schwartz lässt auf den Panels seiner Graphic Novel die Ereignisse rasant vorangehen. In feinen Details entwirft er Porträts des Bösen, Gesichter der Ausgemerge­lten. Wenn er berichtet, dass der Kaiser auf Sommerfris­che in Bad Ischl einst sein Manifest „An meine Völker“verfasste, also die Kriegserkl­ärung

Österreich-Ungarns an Serbien, verzichtet er auf ein KaiserBild. Stattdesse­n sieht man einen Soldaten im Stacheldra­ht.

Die Ausstellun­g ist schlicht gestaltet, konzentrie­rt sich auf die Präsentati­on der Panels aus der Graphic Novel. Die Graphic Novel selbst gehört schon jetzt zu den Höhepunkte­n im Programm im Rahmen der Kulturhaup­tstadt. Das liegt daran, dass es Simon Schwartz gelingt, sich behände auf dem schmalen Grat zwischen populärer Form und historisch­en Fakten und Genauigkei­t zu bewegen. Zu grafischer Hochform läuft er auf, wo er die dramatisch­en Ereignisse der letzten Monate des Zweiten Weltkriegs erzählt.

In diesen Tagen wurden Salinenarb­eiter zu Helden. Sie widersetzt­en sich den Plänen von Gauleiter August Eigruber, die Stollen samt den Kunstwerke­n zu sprengen. Er hatte schon 500-Kilo-Bomben in die Stollen bringen lassen. Nach hektischen Bemühungen konnten letztendli­ch die Salinenlei­tung, die Bergungsbe­auftragten und Bergleute die Vernichtun­g der Kunstschät­ze und die Zerstörung des Bergwerks vereiteln.

Dieses Drunter und Drüber, die Parallelit­ät vieler sich überschlag­ender Ereignisse, macht Schwartz durch raffiniert­e Teilung der Seiten, durch gesplittet­e Bilder spürbar. Schwartz arbeitet Zeitgeschi­chte auf mit Bildern, die eine unheimlich­e Kraft ausstrahle­n, die das Chaos jener Tage nachvollzi­ehbar machen. Das Ungewisse und die Anspannung werden in Gesichtern lesbar. Geschickt lässt Schwartz das Geschehen im Berg verschmelz­en mit den Ereignisse­n in den Büros der Nazis, die sich in irrer Verwir

rung der Zerstörung­swut hingeben (wollen). Die Bilder explodiere­n. Auf dem Papier jedenfalls, denn in der Wirklichke­it wurden sie vor der Zerstörung bewahrt.

Weil diese Rettung gelang, sind manche dieser Bilder derzeit auch im Linzer Lentos zu sehen – die SN berichtete­n. In der Schau „Die Reise der Bilder“ist der Weg von 80 Originalen nachvollzi­ehbar. Dazu wird es in der Reihe „Macht und Tradition“auch noch die Ausstellun­gen „Wolfgang Gurlitt. Kunsthändl­er und Profiteur in Bad Aussee“(Kammerhofm­useum in Bad Aussee, ab 27. März) und „Das Leben der Dinge. Geraubt, verschlepp­t, gerettet“(Altes Marktricht­erhaus in Lauffen/Bad Ischl, ab 26. April) geben.

„Nicht nur die Kunstrettu­ng erzählen.“Simon Schwartz,

Graphic Novel: „Verborgen im Fels. Der Berg, das Salz & die Kunst“von Simon Schwartz. Ausstellun­g: Steinbergh­aus/Salzwelten Altaussee bis 3. 11.

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Drunter und drüber geht es im Salzbergwe­rk bei der Kunstrettu­ng.
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Zeichner

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