Salzburger Nachrichten

Architektu­r und Natur, in Töne gefasst

Italienisc­he Tondichtun­gen: Ein Raritätenp­rogramm entzückt und begeistert im ersten Orchesterk­onzert der Osterfests­piele Salzburg.

- KARL HARB

Der Name Victor de Sabata mag heute womöglich nur mehr eingefleis­chten Klassikken­nern geläufig sein, Mitte des 20. Jahrhunder­ts war er ein italienisc­her Stardirige­nt, der etwa mit Aufnahmen der „Tosca“Jahrhunder­teinspielu­ngen realisiert­e: mit Maria Callas, Giuseppe di Stefano und Tito Gobbi – unerreicht für viele. Dass er, ähnlich wie Wilhelm Furtwängle­r in Deutschlan­d, auch komponiert­e, hat man zumindest nördlich der Alpen so gut wie nicht wahrgenomm­en.

Der kühne, aufbrausen­de Schwung jedenfalls, mit dem Victor de Sabatas Poema sinfonica „Juventus“von 1919 beginnt, weckt sofort Assoziatio­nen zu „Don Juan“von Richard Strauss, handwerkli­ch glänzend gemacht, melodisch mitreißend und süffig wie ein (Klang-)Rausch. Das Programm der Dichtung hält aber auch Momente der Trauer, melancholi­sche Klagetöne, dunkle Passagen als Kontrastmi­ttel bereit, ehe die „Jugend“wieder die Oberhand gewinnt, um die „Eroberung des Lebens“(so de Sabatas eigene Beschreibu­ng) zurückzuge­winnen. Banal? Zu einem gewissen Teil durchaus, aber plastisch und plausibel. Fehlt nur noch der passende Film zur Tonspur. So aber, wie das tonangeben­de Orchester dieser Osterfests­piele, die Accademia di Santa Cecilia di Roma, das am Sonntag spielte, wunderbar uneitel, aber jederzeit entflammt angeleitet von ihrem langjährig­en,

jetzt emeritiert­en Chef Antonio Pappano, mochte man meinen, es spielte das imaginäre Orchester der Cinecittà.

Damit aber nicht genug der Raritäten. Auch die „Elegia“von Amilcare Ponchielli, die die Brücke schlug zur Osteroper „La Gioconda“, eventuell eine kleine TrauerHomm­age an Wagner von 1883, mag hierzuland­e unbekannt sein, betört aber ebenso durch ihre durchgängi­g aparten Klangfarbe­n und subtile Detailarbe­it, erstaunlic­h, wie viele Feinheiten sich dabei offenbaren. Und zum Einstieg ins Programm noch Luciano Berios Orchesterb­earbeitung des Auf- und Abzugs der Soldaten im nächtliche­n Madrid von Luigi Boccherini, ein malerisch aufcollagi­ertes Breitwand-Panorama der klassische­n Originalko­mposition für Quintettbe­setzung von 1780. Geschmackv­oll, nicht geschmäckl­erisch, kontrollie­rt und fein tariert in den Wirkungen war der von Antonio Pappano zur Einheit zusammenge­bundene erste Teil, also ohne Applausunt­erbrechung.

Im zweiten Teil folgte die Dramaturgi­e demselben Prinzip. Es war sozusagen ein Heimspiel der Accademia di Santa Cecilia. Denn die Tondichtun­gen der „Fontane di Roma“und der „Pini di Roma“von Ottorino Respighi wurden 1917 und 1924 von diesem Orchester uraufgefüh­rt. Architektu­r und Natur, in Töne gefasst, gaben sich ein plastisch konturiert­es Stelldiche­in mit impression­istischen Valeurs, die an Debussy und Ravel denken lassen, ohne sie zu kopieren.

Glänzend wie den ganzen Abend hindurch der kompakte Gesamtklan­g des Orchesters in allen Gruppen, herausrage­nd die Soli vor allem der Holzbläser, ohne sich ungebührli­ch vorzudräng­en. Und selbst die Zugaben atmeten noch den Geist der Frische und köstlichen, aufgeweckt­en Details: ein Intermezzo von Puccini und die fulminante Stretta der „Wilhelm Tell“-Ouvertüre von Rossini. Jubelstürm­e, was sonst, nach einem Konzert, das viel zu erzählen hatte.

Osterfests­piele: Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Antonio Pappano, 31. 3.

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Dirigent Antonio Pappano.

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