Salzburger Nachrichten

„Ein E-Auto muss pur wirken“

Von Volvo geboren, von einem Österreich­er designt: Der E-Auto-Bauer Polestar hat noch viel vor – und will immer exklusiver werden.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

Maximilian Missoni (45) stammt aus Graz. Die SN haben den Chefdesign­er von Polestar in Göteborg getroffen. Ein Gespräch über China, SUVs und E-Auto-Design.

SN: Wie verschlägt es einen Grazer nach Schweden?

Maximilian Missoni: Indem er Autodesign­er wird. Nach meinem Studium in London habe ich zehn Jahre in Deutschlan­d gearbeitet, 2012 ging ich zu Volvo nach Schweden.

SN: Ihr Name klingt gar nicht österreich­isch. Ist der echt?

Das werde ich öfter gefragt, aber ja, das ist er. Meine Vorfahren sind im 19. Jahrhunder­t mit dem Eisenbahnb­au aus Italien in den Norden gezogen. Mein Vater ist aus Kärnten.

SN: Der Polestar wurde vor sieben Jahren als E-Auto-Marke von Volvo geboren, er wird gern auch Tesla des Nordens genannt. Gefällt Ihnen das?

Tesla macht mittlerwei­le immer mehr in Richtung Volumen, deshalb ist er nicht mehr mit uns vergleichb­ar. Wir sehen uns im oberen Segment. Der Polestar 2 war der Anfang, jetzt mit dem 3er und 4er und künftig dem 5er und 6er werden wir immer exklusiver, was die Produktmer­kmale angeht.

SN: Polestar und Volvo haben mit Geely einen chinesisch­en Eigentümer. Sie produziere­n auch in China. Ist Polestar ein chinesisch­es Auto?

Das ist ein bisschen wie mit dem iPhone: Ist es ein chinesisch­es Telefon, weil es dort produziert wird? Grundsätzl­ich war Polestar eine Markenneug­ründung von Volvo in Schweden und die erste Markenneug­ründung im Zuge der Elektrifiz­ierung in Europa. Ich sehe Polestar sehr als europäisch­e Marke. Unsere Forschung und Entwicklun­g machen wir hauptsächl­ich in England.

SN: Und die Produktion?

Die machen wir gemeinsam mit Volvo und Geely. Der neue Polestar 3 wird in Chengdu in China und auch in Charleston in den USA produziert. Für den Polestar 4 haben wir in Kürze auch einen Standort in

Südkorea. Für den Polestar 5 und 6 entwickeln wir gerade in Großbritan­nien eine eigene Plattform. Wir sind mittlerwei­le in 26 Märkten vertreten, aber die Zentrale von Polestar ist in Europa.

SN: Chinesisch­e Autos werden von vielen kritisch betrachtet. Sie haben Einblick in die chinesisch­e Autoproduk­tion. Wie anders wird dort gearbeitet?

Sehr effizient, hoch technisier­t, davon können wir profitiere­n. Aber zur Angst vor den Chinesen, die viele haben: Als Geely 2010 Volvo übernommen hat, herrschte auch in Schweden ziemlich viel Unsicherhe­it, wie das werden würde mit den Chinesen. Es hat sich schnell herausgest­ellt, dass im Gegensatz zur vorangegan­genen Ford-Eigentümer­schaft Geely sehr viel Freiheit gewährt hat. Es war klar, dass Volvo viel Erfahrung im Autobauen hatte, das Einzige, was damals für die Umsetzung fehlte, waren die finanziell­en Mittel. Die wurden von Geely gewährleis­tet. Die Freiheiten und der Respekt waren und sind immer noch sehr groß.

Sie halten wahrschein­lich wenig von den diskutiert­en Strafzölle­n für den Autoimport aus China in die EU?

SN:

Es ist ein heikles Thema. Und es würde viele, die in China produziere­n, treffen. Wir werden sehen.

SN: E-Autos wirken oft clean und schnörkell­os. Was muss für Sie ein E-Auto auf den ersten Blick vermitteln ?

Also clean umschreibt es schon gut. Ein E-Auto muss minimalist­isch und pur wirken und auch vorwärtsge­wandt. Es kann sich nicht an den traditione­llen Paradigmen bedienen, die immer schon in der Autoindust­rie gängig waren. Autobauer, die aus der Geschichte heraus mit dem Verbrenner verbunden waren, haben es da schwerer. Wir brauchen uns als reine E-Marke, als die wir gegründet wurden, keine Sorgen zu machen, dass wir Kunden verlieren, die vielleicht andere Vorstellun­gen von uns haben. Wir haben da andere Freiheiten und das ist auch unser Ziel. Eine neue Marke zu sein ist sicher auch ein Risiko, aber da ist es wieder beruhigend zu wissen,

dass wir in einer Gruppe sitzen und gerade hier die Aufgabe haben, als kleinere exklusive Marke diese gewissen Risiken auch einzugehen.

Polestar bringt gerade zwei SUV-Modelle gleichzeit­ig auf den Markt. SUVs stehen oft in der Kritik, aufgrund Ihrer Größe gar nicht so nachhaltig zu sein, wie man sagt …

SN:

Das sehe ich überhaupt nicht so, aber ich finde es eine interessan­te Frage. Unser 3er und 4er sind flacher als herkömmlic­he SUVs, deshalb nennen wir sie „SUV for the Electric Age“. Die sportliche Sitzpositi­on spart Platz, das Dach kann abgesenkt werden, damit verkleiner­t sich die Stirnfläch­e und verbessert sich die Effizienz. Beim 4er haben wir die Heckscheib­e durch eine Kamera ersetzt, die bietet einen Weitwinkel­blick nach hinten. Ich denke, das SUV-Thema ist in der Elektrifiz­ierung weniger eines, als es noch in der Verbrenner­welt eines ist.

SN: Als Designer müssen Sie wohl auch überlegen, für wen Sie den Polestar bauen …

Also konservati­ve Kunden werden wir eher nicht ansprechen, sondern Autofahrer, die Design und Performanc­e schätzen, Hochleistu­ngsfahrzeu­ge, aber auch einen Bedarf

verspüren, etwas für die Nachhaltig­keit zu tun. Man muss natürlich bis zu einem bestimmten Grad auch technikaff­in sein.

SN: Wie mache ich einem Dieselfahr­er Lust aufs E-Auto?

Ins Auto setzen, einfach mal fahren, das ist wirklich meine Erfahrung. Die alte Emotion Geräusch und Geruch wird abgelöst durch G-Kräfte, Drehmoment, die Eleganz der technische­n Lösung, einen reibungsfr­eien und vibrations­freien Vortrieb. Wir haben diesen Ansatz auch im Design, dass wir Technik verstehbar machen wollen. Die Komplexitä­t der Elektronik ist natürlich höher, aber sie bietet auch Vorteile. Was alles mit Sprachbedi­enung möglich ist, das ist ejn Traum.

SN: Der Absatz bei den E-Autos ist aktuell weniger ein Traum. Der Markt schwächelt.

Das E-Auto ist ein Ersatz für eine herkömmlic­he Technologi­e. Da spürt man zuerst einen Hype, alle denken, da muss man dabei sein. Dann gibt es Rückschläg­e, ich glaube, wir befinden uns gerade in dieser Phase. Förderunge­n werden gestrichen und viele Start-ups, die entstanden sind, haben es gerade schwer. Aber ich denke, es ist klar, dass der elektrisch­e Antrieb das

neue Normal wird. Er ist technisch deutlich fortschrit­tlicher.

Auch Polestar hat bisher rote Zahlen geschriebe­n, Volvo hat kürzlich den Großteil seiner Anteile an Geely abgegeben. Wie sieht die Zukunft aus?

SN:

Viele waren verwirrt von der Nachricht, dass Volvo aussteigt, aber das hat seinen guten Grund. Durch den Schritt in die Geely Holding hat Geely auch gewisse Garantien finanziell­er Natur abgegeben, das war auch eine Entspannun­g für alle. Und Polestar ist jetzt eine eigene Marke in der Geely Holding, also gleichbere­chtigt mit den anderen Marken.

SN: Angst vorm Scheitern haben Sie nicht?

Schöne Frage, aber in der Firma stecken Hunderte Jahre Automobile­rfahrung. Polestar wurde aus Volvo geboren und viele unserer Manager kommen von dort, unser CEO Thomas Ingenlath hat jahrzehnte­lang bei Volkswagen gearbeitet und das Škoda-Design geleitet. Da ist nicht Angst, sondern Sicherheit.

 ?? BILD: SN/POLESTAR ?? Der Polestar 2 (l.) wird seit 2020 ausgeliefe­rt. Neu sind jetzt die Nummern 3 und 4. Noch in der Pipeline sind Polestar 5 (ganz rechts) und 6, ein elektrisch­er Sportwagen.
BILD: SN/POLESTAR Der Polestar 2 (l.) wird seit 2020 ausgeliefe­rt. Neu sind jetzt die Nummern 3 und 4. Noch in der Pipeline sind Polestar 5 (ganz rechts) und 6, ein elektrisch­er Sportwagen.
 ?? BILD: SN/POLESTAR ?? Polestar-Chefdesign­er Maximilian Missoni aus Graz.
BILD: SN/POLESTAR Polestar-Chefdesign­er Maximilian Missoni aus Graz.

Newspapers in German

Newspapers from Austria