Pressefreiheit gerät von zwei Seiten unter Druck
Überschießender Datenschutz und strafrechtliches Zitierverbot drohen Journalisten mundtot zu machen.
Vom ORF bis zu den Tageszeitungen, von den Verlegerverbänden bis zum Presseclub Concordia, von den Privatsendern bis zur Journalistengewerkschaft: Die Akteure der heimischen Medienszene sind in höchster Alarmbereitschaft. Grund dafür ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs. Dieser hat Ende 2022 eine Ausnahmebestimmung gekippt, die den Medien im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung eingeräumt worden war. Da sich die türkis-grüne Regierung bisher zu keiner Neuregelung durchringen konnte, drohen ab 1. Juli – dann endet die vom VfGH gesetzte Frist – massive Einschränkungen in der Berichterstattung und eine Aushebelung des Redaktionsgeheimnisses.
Worum geht es? Die Datenschutzgrundverordnung normiert, dass jedermann von jeder Institution Auskunft über die dort zu seiner Person verarbeiteten Daten verlangen kann. Also welche Bilder, Informationen, Notizen, Mails, die seine Person betreffen, in der jeweiligen Institution vorhanden sind. Medien waren bisher von dieser Verpflichtung generell ausgenommen – mit dem Argument, dass eine Auskunfterteilung dem Redaktionsgeheimnis zuwiderlaufen würde. Dem VfGH war diese generelle Ausnahmeregelung zu weitgehend, er verlangt eine genauere Spezifikation.
Doch die Regierung ist der Aufforderung auf Gesetzessanierung bisher nicht nachgekommen. Ein erster Entwurf aus dem Justizministerium erscheint den Medienvertretern als nicht praktikabel. Und die Zeit drängt. Sollte bis 1. Juli keine neue gesetzliche Regelung geschaffen werden, gibt es keinerlei Sonderbestimmung mehr für die Medien. Was bedeuten würde, dass Personen, die Gegenstand der Berichterstattung sind, die Medien mit Anfragen zu ihrer Person lahmlegen könnten. Journalistinnen und Journalisten müssten heikle Rechercheprotokolle herausgeben und/oder löschen. Es gäbe keinerlei Informantenschutz mehr.
Das Problem wird verschärft durch den Umstand, dass die ÖVP die dringend gebotene Neuregelung des Datenschutzes in den Redaktionen mit dem von ihr gewünschten Zitierverbot junktimiert. Und zwar wünscht sich die ÖVP ein strafrechtliches Verbot, in der Berichterstattung aus Gerichtsakten zu zitieren. Begründet wird dies mit dem Schutz von Beschuldigtenrechten und der Unvoreingenommenheit der Justiz. Die ÖVP ist insofern ein gebranntes Kind, als die ÖVP-Affären
der vergangenen Jahre nicht zuletzt durch geleakte Chatprotokolle und dergleichen aufgeflogen sind. Dürfen diese Protokolle nicht mehr veröffentlicht werden, käme dies einer eklatanten Schwächung der journalistischen Kontrolle gleich. Investigative Journalistinnen und Journalisten stünden mit einem Fuß im Kriminal. Die Grünen sind vehement gegen ein Zitierverbot.
Im ungünstigsten Fall lässt die Regierung die Frist zur Datenschutzsanierung verstreichen – und die ÖVP setzt nach den Wahlen das Zitierverbot mit einem anderen Koalitionspartner durch. Wodurch die Freiheit der Berichterstattung zweifach gefährdet wäre.
Mit einem Fuß im Kriminal?