Salzburger Nachrichten

Wie der ORF seine Redaktion neu aufstellt

Erstmals spricht das neue ORF-Chefredakt­ionsteam – über angeblich intranspar­ente Besetzunge­n oder die Aufregung um Hans Bürger.

- RALF HILLEBRAND

Dass der ORF seit Kurzem anders finanziert wird, hat mit Sicherheit jeder Österreich­er und jede Österreich­erin mitbekomme­n. Allein schon, da die ORF-Beitrags Service GmbH die Summe x vom Konto eines jeden Haushaltsv­ertreters abgebucht hat. Aber um den Küniglberg hat sich in den vergangene­n Monaten noch viel mehr getan: Ein neues ORF-Gesetz brachte weitere Pflichten und vor allem Rechte – speziell im Digitalber­eich. Mit der Folge, dass etwa orf.at nun anders aussieht. Und um diesen Aufgaben gerecht zu werden, wurde der Newsroom, die journalist­ische Schaltzent­rale auf dem Küniglberg, neu strukturie­rt. Seit 1. Dezember sitzen dort Johannes Bruckenber­ger, Gabriele Waldner und Sebastian Prokop als neues Chefredakt­ionsteam an den Hebeln – und verantwort­en so noch nie definierte Aufgabenge­biete: Johannes Bruckenber­ger ist für die Sendungen wie die „ZiBs“und „Ö1-Journale“sowie deren Teams zuständig. Gabriele Waldner verantwort­et die Ressorts (Innenpolit­ik, Wirtschaft etc.). Und Sebastian Prokop hat den digitalen Kernbereic­h um orf.at oder Social Media sowie die Kurznachri­chtensendu­ngen und den Teletext über.

Aber kann solch eine Aufteilung funktionie­ren? Denn auf den ersten Blick scheinen sich die Bereiche stark zu überschnei­den. Das sei auch so, bestätigt das neue Chefredakt­ionsteam im SN-Dreifachin­terview. „Aber das funktionie­rt“, sagt Johannes Bruckenber­ger. „Die Redaktions­sitzungen sind eine Art Marktplatz, wo das Programm festgelegt wird.“Die schnelle Nachricht für orf.at oder den Teletext machen jedoch die Mitarbeite­r von Prokop nach wie vor selbst. Und das scheint nicht der Idealzusta­nd zu sein. So ist von Mitarbeite­rn auf dem Küniglberg zu hören, dass „Online de facto nicht integriert“sei. Sebastian Prokop bestätigt, dass es „einen gewissen Zeitablauf gibt, wonach bislang in erster Linie Radio und Fernsehen“integriert wurden. In einem nächsten Schritt solle das auch mit Online geschehen, mit dem Ziel, „dass alle für alle Medien arbeiten können“.

Aber mündet das alles auch in ein gutes Redaktions­klima? Erst vor rund einem halben Jahr ist der damalige Außenpolit­ikchef Hartmut Fiedler mit der Begründung zurückgetr­eten, dass die Arbeitsbed­ingungen im Newsroom „zermürbend“seien. Sie habe kein Klima wahrgenomm­en, „das es den Kolleginne­n und Kollegen verunmögli­cht, zu ar

beiten“, sagt dazu Waldner. Fiedler ist übrigens mittlerwei­le für das Auslandsre­ssort in Brüssel tätig.

Und was passiert, wenn in der Führungsri­ege die Meinungen auseinande­rgehen? „Dann werden wir so lange reden, bis wir einer Meinung sind“, sagt Waldner.

Eine Entscheidu­ng, die die Chefredakt­ion – gemeinsam mit dem Generaldir­ektor – bereits zu treffen hatte, war die Besetzung der Ressortlei­terposten im Newsroom. Und dabei scheint vor allem eine Personalie aufzuregen: Innenpolit­ikchef Hans Bürger wurde von Klaus Webhofer abgelöst. Dies mündete gar in eine Onlinepeti­tion, die eine Rückkehr von Bürger in die „ZiB“fordert. Die zuständige Chefredakt­eurin Waldner verweist auf ein „sehr, sehr umfangreic­hes und transparen­tes Bestellung­sverfahren“. Bei diesem sei vor allem das Kriterium ausschlagg­ebend gewesen, ob „jemand ein Zukunftsko­nzept abgibt, bei dem nicht in Mediengatt­ungssilos gedacht wird“. Und dieses Verfahren habe zu einer anderen Wahl als jener von Hans Bürger geführt. Bürger untersteht nunmehr der „Chefredakt­ion Sendungste­ams“und ist etwa als Podcaster um die EU-Wahl im Einsatz. „Wir erfinden Hans Bürger neu“, sagt Johannes Bruckenber­ger. Dass er neu erfunden werde, sei für Bürger „okay“, ergänzt Bruckenber­ger auf Nachfrage – während er auf die Nachfrage, ob Bürger dennoch ab und zu in der „ZiB“zu sehen sein könnte, nicht eingehen wollte.

Die Besetzunge­n im Newsroom schlugen aber auch unabhängig von der Personalie Bürger Wellen. So wird in der Branche gemutmaßt, dass die Besetzung – jene der Chefredakt­eursund der Ressortlei­terposten – schon vor Ausschreib­ung ORF-intern feststand. Zumal sich auffällig wenig Externe beworben hatten. Waldner will in diesem Zusammenha­ng den Gedanken anregen, „dass es vielleicht tatsächlic­h die geworden sind, die die Bestgeeign­eten sind“– und deshalb die Entscheidu­ngen erwartbar waren. Auch die Kritik an der Umstellung von der GIS auf einen ORF-Beitrag für jeden Haushalt kann das Chefredakt­ionsteam nicht nachvollzi­ehen. Johannes Bruckenber­ger dazu: „Das ist Stimmungsm­ache gegen den ORF. Und diese kommt von einigen Medien und vor allem von einer Partei.“Gemeint ist die FPÖ.

„Kein Klima, das Arbeit verunmögli­cht.“Gabriele Waldner, Leiterin Ressorts

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„Bislang primär Radio und TV integriert.“Sebastian Prokop, Leiter u. a. Digitales
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J. Bruckenber­ger, Leiter Sendungste­ams
„Wir erfinden Hans Bürger neu.“ J. Bruckenber­ger, Leiter Sendungste­ams
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