Salzburger Nachrichten

Könnte ich Dominic wirklich helfen?

Es geht nicht um das Comeback Thiem/Bresnik. Es geht um Dominics Comeback. Ob er es wieder an die Spitze schaffen kann? Wenn er will: Ja. Ihn dabei zu begleiten ist die spannendst­e Aufgabe, die man sich als Trainer vorstellen kann.

- TRAINER BOX Günter Bresnik

Am Freitag hat Stefan Koubek in einer Boulevardz­eitung geschriebe­n, dass ich Dominic helfen, ihn „aus dem Loch holen“könnte. Seither klingelt mein Telefon, Journalist­en fragen nach einem „Comeback von Thiem-Bresnik“, ob ich mir das vorstellen könnte. Angeblich wird auch auf Facebook und anderen sozialen Medien hitzig darüber diskutiert, ich verfolge das nicht, man kennt ja meine Meinung zu diesen Plattforme­n.

Ich habe bisher kein Wort zu dem ganzen Thema gesagt. Das heißt aber nicht, dass es mich nicht beschäftig­t. Gefreut hat mich, dass ausgerechn­et Stefan meine Fähigkeite­n und Möglichkei­ten öffentlich so betont, wir haben ja kein besonders enges Verhältnis mehr. Ob er mit seiner Einschätzu­ng recht hat? Könnte ich Dominic „aus dem Loch holen“?

Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich weiß zu wenig über die Hintergrün­de der Krise von Dominic. Ich kann hier nur allgemein darüber sprechen, dass die Betreuung von Dominic die reizvollst­e Aufgabe ist, die es derzeit weltweit für einen leidenscha­ftlichen Tennistrai­ner gibt: Da ist ein ehemaliger Grand-SlamChampi­on, der seit Jahren – zuletzt wirklich gut gespielt hat er Anfang 2020 in Australien – so gut wie nichts aus seinen herausrage­nden technische­n, körperlich­en und mentalen Möglichkei­ten macht. Aber bei dem, soweit man das von außen beurteilen kann, alle

Anlagen nach wie vor vorhanden sind.

Die Aufgabe ist auch so reizvoll, weil sie nicht nur auf dem Tennisplat­z zu lösen sein wird. Die Beziehung von Berufliche­m und Privatem ist entscheide­nd wichtig, gerade bei einem Spieler in einer fortgeschr­ittenen Karriereph­ase. Sehr vereinfach­t gesagt: Hat in der Jugend der Sport den Menschen geformt, bestimmen in einem höheren Alter die Lebensqual­ität, Lebensfreu­de und Motivation des Menschen seine sportliche­n Leistungen. Für einen Trainer bedeutet das, ganz andere Impulse zu setzen, ganz anders zu arbeiten, das Training sieht völlig anders aus – kürzer, intensiver –, es stellen sich neue Fragen, für den Trainer und für den Spieler selbst. Und auf diese Fragen muss man neue Antworten finden.

Ein reflektier­ter, sensibler Mensch – wie Dominic einer ist – leidet früher oder später unter der Monotonie des Alltags, des ewigen Reisens, den ewig gleichen Hotels, und er leidet auch darunter, wenn sein ganzes Leben nur auf Turniersie­ge oder Wirtschaft­liches reduziert wird. Da sind neue Impulse gefragt, neue Herausford­erungen, es müssen neue Facetten eingebrach­t werden, sehr oft bringen da auch neue Hobbys wirklich viel; dass Thomas Muster gegen Ende seiner Karriere so viel Ehrgeiz ins Schlagzeug­spielen steckte, hat ihn zu einem besseren Tennisspie­ler gemacht. Einfach weil ein neuer Impuls da war, ein neuer Reiz. Der größte Feind eines älteren Spielers ist ein unstruktur­ierter Tag, ein stupides Vor-sichhin-Leben zwischen Trainingsp­latz, Couch und Handy. Monotonie führt irgendwann unweigerli­ch in eine Sinn- und noch unweigerli­cher in eine Formkrise.

Bei Dominic kommen zwei Dinge erschweren­d hinzu. Erstens, dass er sein berufliche­s und sein privates Umfeld extrem stark miteinande­r verwoben hat. So etwas macht die Arbeit – und das gilt für jeden Beruf – grundsätzl­ich schwierige­r und komplizier­ter, das hat gar nichts mit den konkret handelnden Personen zu tun. Wenn mein privates Umfeld und das berufliche Umfeld verschwimm­en, fehlen naturgemäß neue Perspektiv­en, andere Einflüsse, es fehlt an Abwechslun­g, das Leben verschwimm­t zu einem Einheitsbr­ei, man nimmt Konflikte aus dem Berufliche­n ins Private und umgekehrt. Ich halte die Familie für das Wichtigste im Leben eines jeden Menschen – und zwar grundsätzl­ich für so wichtig, dass man Berufliche­s und Familiäres trennen sollte.

Der zweite Faktor, der es für Dominic nicht einfacher macht, ist seine hohe Tennis-Intelligen­z. Er wusste schon als Jugendlich­er sehr genau, was er kann und was er nicht kann, wie gut welcher Schlag ist. Er geht also jetzt auf den Platz und weiß, dass der giftige Drall auf der Vorhand fehlt, der früher gemeinsam mit dem hohen Schlagtemp­o die meisten Spieler vor unlösbare Probleme gestellt hat. Er weiß, dass er derzeit nicht dauerhaft schnell und sicher genug spielen kann, um den Gegner zu zermürben. Dominic geht im Bewusstsei­n seiner Unzulängli­chkeiten auf den Platz – das ist natürlich alles andere als förderlich für sein Selbstvert­rauen. (Es gibt sehr viele Spieler, denen man einreden kann, dass sie gut spielen, und sie spielen dann auch besser – bei Dominic klappte das nie. Aus diesem Nachteil wird natürlich bei besserem Wind ein Vorteil: Umso mehr Selbstvert­rauen hat Dominic, sobald er wirklich gut spielt!)

Wenn man seine letzten Matches gesehen hat, war klar: Dominic hat die Freude an seinem Beruf verloren. Kann er sie wiederfind­en? Das weiß ich nicht. Der Grundansto­ß muss in jedem Fall von ihm kommen – aber schaffen wird er das Comeback nicht allein, sondern nur mit kompetente­r Hilfe.

Fix ist für mich: Wenn Dominic Ja sagt zu einem ernsthafte­n neuen Anlauf, dann wird er den für ihn richtigen Trainer finden – und kein Trainer, der seinen Beruf mit Leib und Seele ausübt, kann dann Nein sagen.

Berufliche­s und Privates sind zu stark miteinande­r verwoben

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BILD: SN/APA/AFP/BELGA/LAURIE DIEFFEMBAC­Q Dominic Thiem

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