„Schade drum“: Kein Ende der Zeitumstellung in Sicht
Am Wochenende wird in der EU wieder an den Uhren gedreht. Die Abschaffung schien in Griffweite, doch die Pläne scheiterten. Ex-Kommissionschef Juncker kritisiert die Mitgliedsstaaten dafür.
In der Nacht auf Ostersonntag ist es wieder so weit: Die Uhren werden EU-weit auf Sommerzeit umgestellt. In Österreich passiert das seit 1979. Die Wiedereinführung war eine Folge der Ölkrise. Eine Stunde mehr Tageslicht sollte den Energieverbrauch senken. Der Nutzen ist bekanntlich überschaubar, der Ärger darüber umso größer.
Und so flammt halbjährlich – Ende März und Ende Oktober, wenn die Uhren wieder zurückgestellt werden – eine Diskussion über Sinn und Unsinn auf. 2018 schien es, als könnte die Zeitumstellung bald ein Ende haben. Die EU-Kommission, deren Präsident damals JeanClaude Juncker hieß, konsultierte die Bürgerinnen und Bürger. Das Ergebnis der damals im Sommer durchgeführten Onlineumfrage war eindeutig: 84 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer votierten für eine Abschaffung. 4,6
Millionen Stimmen wurden abgegeben. Drei Viertel gaben an, dass die Zeitumstellung eine „negative“oder „sehr negative“Erfahrung für sie sei. Wobei das Interesse in den einzelnen Mitgliedsstaaten stark variierte. In Österreich beteiligten sich knapp drei Prozent der Bevölkerung, rund 250.000 Stimmen wurden abgegeben. Allein aus Deutschland waren es rund drei Millionen.
Die EU-Kommission
legte noch
im selben Jahr einen Vorschlag vor. Der sah vor, dass sich jedes EULand entscheiden sollte, ob es künftig ganzjährig die Sommer- oder die Winterzeit beibehalten will. Das EU-Parlament gab dafür wenige Monate später grünes Licht.
Warum stellen wir fünf Jahre später noch immer die Uhren um?
Weil für EU-weite Regelungen neben dem Parlament die einzelnen Mitgliedsstaaten mitentscheiden. Bevor die Verhandlungen starten
können, müssen die Länder eine gemeinsame Position finden – 27 einzelne Interessen sind nicht immer unter einen Hut zu bringen. So war es auch bei der Zeitumstellung. Es gab Befürchtungen, dass bei einem Fleckerlteppich aus Winter- und Sommerzeit in Europa der Handel unter den Staaten beeinträchtigt werden könnte. Österreich sprach sich in der Diskussion für eine Beibehaltung der Sommerzeit aus.
Zuletzt haben sich die zuständigen Verkehrsminister im Dezember 2019 unter finnischer Ratspräsidentschaft dazu ausgetauscht. Seither ist das Thema von den Tagesordnungen verschwunden. Belgien, das derzeit den Vorsitz innehat, hat bisher keine Anstalten gemacht, die Zeitumstellung wieder auf die Agenda zu setzen. Eine Anfrage an die Koordinatoren der ungarischen Ratspräsidentschaft, die im zweiten Halbjahr 2024 stattfindet, blieb unbeantwortet. Die weitere Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland, der Ausbau der eigenen Verteidigungsfähigkeit, die Erweiterung und EU-Reformen: Priorität haben in Brüssel und in den Hauptstädten aktuell andere Themen. Somit dürfte das Aus für das halbjährliche Drehen an den Uhren noch länger auf sich warten lassen.
Ex-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker aus Luxemburg, der die Abstimmung über die vielfach unbeliebte Maßnahme lanciert hatte, sieht es kritisch, dass die Bemühungen um eine Neuregelung aufgegeben wurden. Auf SN-Anfrage ließ er wissen: „Die Bürger haben sich per Referendum für die Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. Kommission und Europäisches Parlament haben sich diesem Bürgerwunsch angeschlossen. Die Regierungen leider nicht alle“, lässt Juncker auf Anfrage wissen. „Schade drum.“
84 Prozent stimmten für eine Abschaffung