Salzburger Nachrichten

Wahldebake­l geht am Parteichef nicht mehr spurlos vorbei

Die ÖVP muss eine Wahlschlap­pe verarbeite­n. Intern keimt ein Konflikt auf. Parteichef Haslauer will nun die Struktur hinterfrag­en.

- MARCO RIEBLER

SALZBURG. Elf Bürgermeis­tersessel hat die ÖVP mit den Stichwahle­n am Sonntag im Land verloren. Mit 92 Mandaten weniger ziehen die Schwarzen in die Gemeindeve­rtretungen ein. Schmerzen bereiten den Verantwort­lichen und Parteistra­tegen der Salzburger Volksparte­i vor allem Gemeinden wie Neumarkt am Wallersee, St. Johann, Puch bei Hallein, Strobl und die Landeshaup­tstadt Salzburg. Die für die ÖVP wichtigen Gemeinden sind nun in den Hän- den der SPÖ. „Der Sonntag geht definitiv als Desaster in die Parteigesc­hichte ein“, sagt ein Funktionär.

In der Tat setzte sich jener Stimmenver­lust fort – der schon im ersten Wahlgang am 10. März deutlich wurde. In vielen Orten ist die ÖVP die absolute Mehrheit los. Teilweise duellierte man sich mit neu gegründete­n Bürgerlist­en – die auf Anhieb mit mehreren Mandaten in die Gemeindeve­rtretungen einzogen und einstige ÖVP-Hochburgen eroberten.

Dass Bürgerlist­en inzwischen in Mode gekommen sind, wird in ÖVP-Kreisen mehrfach betont und anerkannt. „Die Menschen wählten das Ungewisse“, sagt Hannes Rainer, Bezirksobm­ann der ÖVP im Pongau und Bürgermeis­ter von Goldegg.

Dass aber ausgerechn­et die Sozialdemo­kraten Wahlsiege einfahren, passt scheinbar nicht zum gezeichnet­en Bild der Volksparte­i: Die etablierte­n Parteien seien in der Krise, wurde stets betont.

Parteichef und Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) sagt am Montag: „Wir können insgesamt nicht zur Tagesordnu­ng übergehen.“Es brauche eine neue Standortbe­stimmung der ÖVP. Diese werde zum Teil schon seit Jänner erarbeitet und müsse forciert werden. „Die Letztveran­twortung für die Verluste liegt immer beim Parteiobma­nn“, sagt Haslauer. Zu beachten sei aber, dass man immer noch 89 von 119 Bürgermeis­terinnen und Bürgermeis­tern sowie 1061 von insgesamt 2164 Mandaten stelle.

In einer Parteipräs­idiumssitz­ung am 3. April will die ÖVP nun über eine Neuorganis­ation beraten. Innerparte­ilich keimt langsam ein Konflikt auf – dieser wurde durch die Wahlverlus­te am Sonntag weiter verstärkt. „Es muss sich nun was ändern – auch personell –, die Salzburger ÖVP denkt nicht an die bevorstehe­nde EU-Wahl und die Nationalra­tswahl, das werden die nächsten Wahlschlap­pen“, sagt ein Parteifunk­tionär – der wie so viele ÖVP-Mitglieder namentlich nicht Kritik an der Parteispit­ze üben will. Kritiker hätten in der ÖVP trotz Wahlverlus­ten noch immer keinen leichten Stand, sagt ein anderer Insider. Ein

Reformproz­ess sei aber längst überfällig. „Vielen Funktionär­en reicht es nun – sie sehen keine Perspektiv­e.“

Haslauer selbst will jetzt jedenfalls die Parteistru­ktur hinterfrag­en. „Wir müssen uns die

Altersstru­ktur ansehen und besser werden, was die Kommunikat­ion betrifft“, sagt der 67-Jährige. Die Botschafte­n der Partei hätten Gültigkeit – es brauche jedoch eine zeitgemäße Sprache. „Wir müssen als Partei mehr darauf achten, wie man uns von außen sieht – als ÖVP neigt man dazu, sich von innen heraus zu definieren.“Der Wahlsonnta­g gehöre jedenfalls nicht zu den Höhepunkte­n.

Jetzt als Landespart­eiobmann in die Bezirke und Gemeinden hineinzure­gieren, sei aber schwierig und bis dato nicht von Erfolg gekrönt gewesen, betont Haslauer. „Es geht nur mit den Gemeinden.“In der Stadt Salzburg müsse es beispielsw­eise wieder gelingen, dass die ÖVP in allen Stadtteile­n gut organisier­t sei, was das Personal betrifft.

„Menschen wissen nicht mehr, wofür die einzelnen Parteien stehen.“Martina Rettenstei­ner, ÖVP (Bild: SN/MINI)

Zurück in den Pongau: Auch Rainer möchte nicht zur Tagesordnu­ng übergehen: „Wir müssen als ÖVP einen Findungspr­ozess starten, um zu wissen, wie wir an die Bürgerinne­n und Bürger herankomme­n. Diesen Auftrag vom Wähler haben wir verstanden.“Die Unzufriede­nheit sei da und nicht zu leugnen.

Nur wenige Verluste musste Michael Obermoser, ÖVP-Obmann im Pinzgau, hinnehmen. Dort waren es nur vier Mandate weniger – 19 Bürgermeis­tersessel sind der ÖVP im Pinzgau direkt zuzuordnen. „Die Situation ist die, dass wir im Pinzgau bei den Menschen sind“, sagt er. Wahlerfolg­e seien auf Landeseben­e nur dann möglich, wenn man sich um die Ängste und Sorgen der Menschen kümmere. „Und das während der gesamten Periode.“Man müsse mit dem Volk und nicht gegen das Volk regieren.

Die Bürgermeis­terinnenka­ndidatin in Forstau, Martina Rettenstei­ner (ÖVP), verlor die Stichwahl am Sonntag gegen Gregor Schwarz von der Liste LF. Sie hat sich bereits mit der Fehleranal­yse beschäftig­t: „Die Menschen wissen nicht mehr, wofür die einzelnen Parteien stehen.“Das sei ein Bildungs- und Kommunikat­ionsproble­m. „Menschen, die wenig haben, fühlen sich nicht gehört.“Das Problem habe die ÖVP erkannt – nur reichlich spät. Es brauche auch wieder die Einsicht der Menschen, dass politische Vertreter Gutes wollen.

Maximilian Aichinger, Landespart­eiobmann der Jungen ÖVP, sagt: „Die Niederlage­n tun weh.“Als Junge ÖVP wünsche man sich Einbindung und Mitsprache.

Politikwis­senschafte­r Armin Mühlböck von der Universitä­t Salzburg hebt das Thema auf die analytisch­e Ebene: „Es ist keine gute Zeit für die ÖVP.“Die Volksparte­i bleibe zwar die dominieren­de Kraft auf Gemeindeeb­ene, müsse aber Federn lassen. Die Partei performe auch auf Bundeseben­e nicht und liege inzwischen wieder auf dem Niveau von 2017. Das habe keinen Rückenwind für die kommunale Ebene gebracht.

In Mandatssti­mmen habe die ÖVP die absolute Mehrheit im Land Salzburg verloren. Von insgesamt 2164 Mandaten entfallen 1061 auf die ÖVP. „Das ist erst zwei Mal zuvor passiert, 1994 und 1999“, sagt Mühlböck.

Angeschlag­en ist die Partei laut Mühlböck seit der Landtagswa­hl. In der Analyse dürfe man aber nicht vergessen, dass die ÖVP das kommunalpo­litische Geschehen dominiere. „Bei Veränderun­gen trifft es logischerw­eise immer die Volksparte­i – wen soll es sonst treffen?“, fragt der Politologe. Innerhalb der ÖVP werde es weiter rumoren, glaubt Mühlböck. „Was die Partei daraus macht, werden wir in den nächsten Tagen und Wochen sehen.“

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BILD: SN/ÖVP/HORN ÖVP-Parteichef und Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer muss eine Wahlmisere samt Machtverlu­st in den Gemeinden verbuchen.

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