Wahldebakel geht am Parteichef nicht mehr spurlos vorbei
Die ÖVP muss eine Wahlschlappe verarbeiten. Intern keimt ein Konflikt auf. Parteichef Haslauer will nun die Struktur hinterfragen.
SALZBURG. Elf Bürgermeistersessel hat die ÖVP mit den Stichwahlen am Sonntag im Land verloren. Mit 92 Mandaten weniger ziehen die Schwarzen in die Gemeindevertretungen ein. Schmerzen bereiten den Verantwortlichen und Parteistrategen der Salzburger Volkspartei vor allem Gemeinden wie Neumarkt am Wallersee, St. Johann, Puch bei Hallein, Strobl und die Landeshauptstadt Salzburg. Die für die ÖVP wichtigen Gemeinden sind nun in den Hän- den der SPÖ. „Der Sonntag geht definitiv als Desaster in die Parteigeschichte ein“, sagt ein Funktionär.
In der Tat setzte sich jener Stimmenverlust fort – der schon im ersten Wahlgang am 10. März deutlich wurde. In vielen Orten ist die ÖVP die absolute Mehrheit los. Teilweise duellierte man sich mit neu gegründeten Bürgerlisten – die auf Anhieb mit mehreren Mandaten in die Gemeindevertretungen einzogen und einstige ÖVP-Hochburgen eroberten.
Dass Bürgerlisten inzwischen in Mode gekommen sind, wird in ÖVP-Kreisen mehrfach betont und anerkannt. „Die Menschen wählten das Ungewisse“, sagt Hannes Rainer, Bezirksobmann der ÖVP im Pongau und Bürgermeister von Goldegg.
Dass aber ausgerechnet die Sozialdemokraten Wahlsiege einfahren, passt scheinbar nicht zum gezeichneten Bild der Volkspartei: Die etablierten Parteien seien in der Krise, wurde stets betont.
Parteichef und Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) sagt am Montag: „Wir können insgesamt nicht zur Tagesordnung übergehen.“Es brauche eine neue Standortbestimmung der ÖVP. Diese werde zum Teil schon seit Jänner erarbeitet und müsse forciert werden. „Die Letztverantwortung für die Verluste liegt immer beim Parteiobmann“, sagt Haslauer. Zu beachten sei aber, dass man immer noch 89 von 119 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie 1061 von insgesamt 2164 Mandaten stelle.
In einer Parteipräsidiumssitzung am 3. April will die ÖVP nun über eine Neuorganisation beraten. Innerparteilich keimt langsam ein Konflikt auf – dieser wurde durch die Wahlverluste am Sonntag weiter verstärkt. „Es muss sich nun was ändern – auch personell –, die Salzburger ÖVP denkt nicht an die bevorstehende EU-Wahl und die Nationalratswahl, das werden die nächsten Wahlschlappen“, sagt ein Parteifunktionär – der wie so viele ÖVP-Mitglieder namentlich nicht Kritik an der Parteispitze üben will. Kritiker hätten in der ÖVP trotz Wahlverlusten noch immer keinen leichten Stand, sagt ein anderer Insider. Ein
Reformprozess sei aber längst überfällig. „Vielen Funktionären reicht es nun – sie sehen keine Perspektive.“
Haslauer selbst will jetzt jedenfalls die Parteistruktur hinterfragen. „Wir müssen uns die
Altersstruktur ansehen und besser werden, was die Kommunikation betrifft“, sagt der 67-Jährige. Die Botschaften der Partei hätten Gültigkeit – es brauche jedoch eine zeitgemäße Sprache. „Wir müssen als Partei mehr darauf achten, wie man uns von außen sieht – als ÖVP neigt man dazu, sich von innen heraus zu definieren.“Der Wahlsonntag gehöre jedenfalls nicht zu den Höhepunkten.
Jetzt als Landesparteiobmann in die Bezirke und Gemeinden hineinzuregieren, sei aber schwierig und bis dato nicht von Erfolg gekrönt gewesen, betont Haslauer. „Es geht nur mit den Gemeinden.“In der Stadt Salzburg müsse es beispielsweise wieder gelingen, dass die ÖVP in allen Stadtteilen gut organisiert sei, was das Personal betrifft.
„Menschen wissen nicht mehr, wofür die einzelnen Parteien stehen.“Martina Rettensteiner, ÖVP (Bild: SN/MINI)
Zurück in den Pongau: Auch Rainer möchte nicht zur Tagesordnung übergehen: „Wir müssen als ÖVP einen Findungsprozess starten, um zu wissen, wie wir an die Bürgerinnen und Bürger herankommen. Diesen Auftrag vom Wähler haben wir verstanden.“Die Unzufriedenheit sei da und nicht zu leugnen.
Nur wenige Verluste musste Michael Obermoser, ÖVP-Obmann im Pinzgau, hinnehmen. Dort waren es nur vier Mandate weniger – 19 Bürgermeistersessel sind der ÖVP im Pinzgau direkt zuzuordnen. „Die Situation ist die, dass wir im Pinzgau bei den Menschen sind“, sagt er. Wahlerfolge seien auf Landesebene nur dann möglich, wenn man sich um die Ängste und Sorgen der Menschen kümmere. „Und das während der gesamten Periode.“Man müsse mit dem Volk und nicht gegen das Volk regieren.
Die Bürgermeisterinnenkandidatin in Forstau, Martina Rettensteiner (ÖVP), verlor die Stichwahl am Sonntag gegen Gregor Schwarz von der Liste LF. Sie hat sich bereits mit der Fehleranalyse beschäftigt: „Die Menschen wissen nicht mehr, wofür die einzelnen Parteien stehen.“Das sei ein Bildungs- und Kommunikationsproblem. „Menschen, die wenig haben, fühlen sich nicht gehört.“Das Problem habe die ÖVP erkannt – nur reichlich spät. Es brauche auch wieder die Einsicht der Menschen, dass politische Vertreter Gutes wollen.
Maximilian Aichinger, Landesparteiobmann der Jungen ÖVP, sagt: „Die Niederlagen tun weh.“Als Junge ÖVP wünsche man sich Einbindung und Mitsprache.
Politikwissenschafter Armin Mühlböck von der Universität Salzburg hebt das Thema auf die analytische Ebene: „Es ist keine gute Zeit für die ÖVP.“Die Volkspartei bleibe zwar die dominierende Kraft auf Gemeindeebene, müsse aber Federn lassen. Die Partei performe auch auf Bundesebene nicht und liege inzwischen wieder auf dem Niveau von 2017. Das habe keinen Rückenwind für die kommunale Ebene gebracht.
In Mandatsstimmen habe die ÖVP die absolute Mehrheit im Land Salzburg verloren. Von insgesamt 2164 Mandaten entfallen 1061 auf die ÖVP. „Das ist erst zwei Mal zuvor passiert, 1994 und 1999“, sagt Mühlböck.
Angeschlagen ist die Partei laut Mühlböck seit der Landtagswahl. In der Analyse dürfe man aber nicht vergessen, dass die ÖVP das kommunalpolitische Geschehen dominiere. „Bei Veränderungen trifft es logischerweise immer die Volkspartei – wen soll es sonst treffen?“, fragt der Politologe. Innerhalb der ÖVP werde es weiter rumoren, glaubt Mühlböck. „Was die Partei daraus macht, werden wir in den nächsten Tagen und Wochen sehen.“