Wie ein Wolf in Fuschl Almtradition zerstörte
150 Jahre trieb die Fuschler Bauernfamilie Oberascher Schafe auf die Alm. Bis der Wolf kam. Diese sollen künftig ohne Risse erlegt werden können.
Es war noch zu Zeiten des Kaisers, als die Landwirtsfamilie Oberascher in Fuschl damit begann, in den Sommermonaten Schafe auf der Alm zu halten. Rund 150 Jahre lang wurden die Tiere auf die 1230 Meter hoch gelegene Illingerbergalm, nun eine Agrargemeinschaft nahe dem St. Gilgener Zwölferhorn, aufgetrieben.
Gertraud Oberascher ist heute für das landwirtschaftliche Tagesgeschäft auf dem Rehgrashof zuständig. Am Montag empfingen sie und ihre Tochter Johanna zahlreiche Besucher auf dem Gehöft. Sie schilderte ihnen die Zeiten des Schafauftriebs: „Wir hatten Alpine Steinschafe. Von Ende Mai bis Oktober waren sie auf der Alm. Die Schafe wollten da hinauf, sie gingen zum Teil allein. Das war ein gelebtes Tierwohl.“
Der Sommer 2014 beendete dieses Idyll. Gertraud Oberascher sagt, dass es zwei Übergriffe durch einen Wolf gegeben habe: „Nach dem zweiten haben wir die Schafe von der Alm geholt. Von ursprünglich 17 Tieren brachten wir zwölf nach Hause. Aber den Schafen war es hier im Sommer einfach zu warm.“Es war nicht der einzige Vorfall mit Wölfen in der Gegend „und nach ein paar Jahren des Dahinwurschtelns haben wir beschlossen, die Schafhaltung aufzugeben“.
Rund 1800 Almen gibt es im Bundesland, auf 300 davon werden auch Schafe oder Ziegen gehalten. In wenigen Wochen startet die Almsaison. Dort haben in der Vergangenheit immer wieder Beutegreifer wie Wölfe zugeschlagen. Im Vorjahr konnten per DNA-Analysen 16 Vorfälle mit rund 60 toten Schafen und Ziegen in Salzburg eindeutig Wölfen zugeschrieben werden. Das Land Salzburg leistete den betroffenen Landwirtinnen und Landwirten 36.500 Euro Entschädigung.
Für die Hälfte der zu Tode gebrachten Nutztiere wurde im vergangenen Sommer eine Wölfin verantwortlich gemacht. Die Landesregierung gab das Tier per Verordnung zum Abschuss frei. Am 8. Juli 2023 wurde es im Hochkönig-Gebiet erlegt.
Die Landwirte sind seit Längerem alarmiert. Da
Wölfe ganzjährig in der EU geschützt sind, ist eine Bejagung nur schwer möglich. Landesjägermeister Max
Mayr Melnhof: „Die Willkommenskultur für die großen Beutegreifer ist ein Wahnsinn.“
Mayr Melnhof ist einer der vielen Besucher an diesem Tag bei der Familie Oberascher. LHStellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) und Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) stellen dort das neu ausgetüftelte Wolfsmanagement vor.
Auf dessen Basis soll nun das Salzburger Jagdgesetz novelliert werden. Und zwar noch vor Beginn der neuen Almsaison. Grünen-Tierschutzsprecherin
Kimbie Humer-Vogl dazu: „Es gibt seit Jahren einen Wolfsmanagementplan des Österreich Zentrums, der die Situationen mit Wölfen regelt, von denen ein Risiko ausgehen könnte. Die geplante Gesetzesänderung braucht es nicht, hier geht es wieder einmal um Panikmache.“
„Jäger wären bei einem Abschuss Angriffen ausgesetzt.“Max Mayr Melnhof, Landesjägermeister
Der Managementplan enthält nun unter anderem den Begriff des „Risikotiers“. Das wäre ein Wolf, der menschlichen Siedlungen nahe kommt. Anhand des Managementplans kann der Wolfsbeauftragte Hubert Stock Empfehlungen aussprechen, ob das Tier gejagt werden soll. Risse sind im neuen Plan keine Voraussetzungen mehr für einen Abschuss. Schwaiger: „Es geht nicht darum, eine Tierart auszurotten.
Es gibt Wölfe, die durchziehen, ohne Probleme zu machen.“
Weder Svazek noch Schwaiger können dem Einsatz von Herdeschutzhunden und Hirten etwas abgewinnen – vor allem aus finanziellen Gründen. Schwaiger: „Man würde für unsere Schafalmen 450 Hirten benötigen und zwischen zwei und sieben Herdenschutzhunde pro Alm. Die jährlichen Kosten dafür würden rund 21 Millionen Euro betragen. Wer soll denn das bezahlen?“
Die Familie Oberascher, aber auch andere Landwirte mit Schafen nicht. Die Behirtung von Schafen oder Ziegen ist laut Angaben des Landes erst bei einer Herdengröße von 500 bis 800 Stück wirtschaftlich vertretbar.
Rupert Quehenberger, Präsident der Salzburger Landwirtschaftskammer, sagt dazu: „Die durchschnittliche Größe einer Schafherde in Salzburg liegt bei 23 Tieren.“
Gertraud Oberascher sagt über ihre kleine Herde von damals: „Damit kann man nichts verdienen. Die Mutterschafe bleiben, man lässt einmal Lämmer schlachten und die Wolle haben wir im Garten als Dünger verwendet.“Die Schafe seien aber für die Alm als solche wichtig. Sie verhindern, dass die Weiden vom Bürstling überwuchert werden und somit für andere Herdentiere nutzbar bleiben. Die Familie Oberascher hofft auf die Wirksamkeit des neuen Plans. Tochter Johanna meint nämlich: „Ich würde gerne wieder mit Schafen weitermachen.“
Ob das überarbeitete Wolfsmanagement voll greift, ist ungewiss. Landesjägermeister Mayr Melnhof muss noch jede Menge Überzeugungsarbeit leisten: „Es gibt in Salzburg rund 11.000 Jägerinnen und Jäger. Aber viele davon scheuen zurück, weil sie im Fall eines Abschusses persönlich mit Untergriffigkeiten und Angriffen vor allem in sozialen Medien konfrontiert sind.“
Auch das ist mit ein Grund dafür, warum offiziell der genaue Ort des vorjährigen Wolfsabschusses nie bekannt gegeben worden ist. Von der Identität des Jägers oder der Jägerin ganz zu schweigen.