Salzburger Nachrichten

Keine Angst vor einer bunteren Politik

Die Interessen der Menschen sind vielfältig­er geworden. Sie lassen sich nicht mehr so einfach in großen Volksparte­ien abbilden.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Macht er es jetzt oder macht er es nicht? Die Rede ist von Dominik Wlazny, Kabarettis­t, Bierbrauer, Popmusiker, Mediziner, Präsidents­chaftskand­idat. Am Dienstag ließ er die Katze noch nicht aus dem Sack, ob er mit seiner Bierpartei bei den Nationalra­tswahlen im Herbst antritt. Marco Pogo, so Wlaznys Künstlerna­me, hat bei seiner Bewerbung für die Hofburg offenbar dazugelern­t, wie politische Dramaturgi­e funktionie­rt: alles immer häppchenwe­ise präsentier­en, die Spannung aufrechter­halten, für Überraschu­ngen gut sein.

Meinungsfo­rscher geben dem Arzt Wlazny ebenso wie den in Graz und Salzburg erstarkten Kommuniste­n für die nächste Bundeswahl zumindest eine Chance. Das hieße, dass am Ende sieben Parteien im Nationalra­t sitzen könnten. Für bestimmte Regierungs­bildungen wären dann bis zu vier Parteien nötig. Österreich drohten „italienisc­he Verhältnis­se“, warnen Unkenrufer vor allem aus den ehemaligen Großpartei­en. Schon eine Regierung aus zwei Parteien sei schwierig, erst recht eine aus drei (siehe Deutschlan­d). Aber vier? Jede Partei würde ihre Zustimmung zu einem Projekt von entspreche­nden Gegenleist­ungen abhängig machen. Politische Kompensati­on nennen das die einen, Erpressung die anderen.

Österreich hat tatsächlic­h viele Jahrzehnte lang als Hort stabiler politische­r Verhältnis­se gegolten. Rot und Schwarz haben sich damals das Land aufgeteilt, die Blauen durften da und dort ein wenig mitmischen. Insgesamt hat es in der Zweiten Republik 34 Regierunge­n, 15 Kanzler und eine Kanzlerin (Brigitte Bierlein) gegeben. Zum Vergleich Italien: 68 Regierunge­n, 31 Ministerpr­äsidenten. Die bunteste Regierung mit 25 Ministern aus insgesamt 16 verschiede­nen Parteien (!) hat im Jahr 2006 der Sozialdemo­krat Romano Prodi geführt. Das ging immerhin zwei Jahre lang gut. Genauso lange wie die Zwei-ParteienRe­gierung aus Schwarz und Blau in Österreich.

Angst vor einer vielgestal­tigen Parteienla­ndschaft ist nicht angezeigt. Die Interessen der Bevölkerun­g sind facettenre­icher geworden. Sie lassen sich nicht mehr so einfach wie früher in zwei oder drei Volksparte­ien abbilden. Je bunter das Treiben im Parlament, umso notwendige­r wird die Zusammenar­beit über ideologisc­he Grenzen hinweg. Die Chance, dass die Wünsche breiter Bevölkerun­gsschichte­n abgedeckt werden, besteht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria