Keine Angst vor einer bunteren Politik
Die Interessen der Menschen sind vielfältiger geworden. Sie lassen sich nicht mehr so einfach in großen Volksparteien abbilden.
Macht er es jetzt oder macht er es nicht? Die Rede ist von Dominik Wlazny, Kabarettist, Bierbrauer, Popmusiker, Mediziner, Präsidentschaftskandidat. Am Dienstag ließ er die Katze noch nicht aus dem Sack, ob er mit seiner Bierpartei bei den Nationalratswahlen im Herbst antritt. Marco Pogo, so Wlaznys Künstlername, hat bei seiner Bewerbung für die Hofburg offenbar dazugelernt, wie politische Dramaturgie funktioniert: alles immer häppchenweise präsentieren, die Spannung aufrechterhalten, für Überraschungen gut sein.
Meinungsforscher geben dem Arzt Wlazny ebenso wie den in Graz und Salzburg erstarkten Kommunisten für die nächste Bundeswahl zumindest eine Chance. Das hieße, dass am Ende sieben Parteien im Nationalrat sitzen könnten. Für bestimmte Regierungsbildungen wären dann bis zu vier Parteien nötig. Österreich drohten „italienische Verhältnisse“, warnen Unkenrufer vor allem aus den ehemaligen Großparteien. Schon eine Regierung aus zwei Parteien sei schwierig, erst recht eine aus drei (siehe Deutschland). Aber vier? Jede Partei würde ihre Zustimmung zu einem Projekt von entsprechenden Gegenleistungen abhängig machen. Politische Kompensation nennen das die einen, Erpressung die anderen.
Österreich hat tatsächlich viele Jahrzehnte lang als Hort stabiler politischer Verhältnisse gegolten. Rot und Schwarz haben sich damals das Land aufgeteilt, die Blauen durften da und dort ein wenig mitmischen. Insgesamt hat es in der Zweiten Republik 34 Regierungen, 15 Kanzler und eine Kanzlerin (Brigitte Bierlein) gegeben. Zum Vergleich Italien: 68 Regierungen, 31 Ministerpräsidenten. Die bunteste Regierung mit 25 Ministern aus insgesamt 16 verschiedenen Parteien (!) hat im Jahr 2006 der Sozialdemokrat Romano Prodi geführt. Das ging immerhin zwei Jahre lang gut. Genauso lange wie die Zwei-ParteienRegierung aus Schwarz und Blau in Österreich.
Angst vor einer vielgestaltigen Parteienlandschaft ist nicht angezeigt. Die Interessen der Bevölkerung sind facettenreicher geworden. Sie lassen sich nicht mehr so einfach wie früher in zwei oder drei Volksparteien abbilden. Je bunter das Treiben im Parlament, umso notwendiger wird die Zusammenarbeit über ideologische Grenzen hinweg. Die Chance, dass die Wünsche breiter Bevölkerungsschichten abgedeckt werden, besteht.