Salzburger Nachrichten

Ein zerrissene­r Salzburger Altar ist wieder vereint

In einer Kreuzigung fehlt der Erlöser! Trotzdem gelingt dem Stift St. Peter und dem Leoganger Museum eine Sensation.

- HEDWIG KAINBERGER

Was das Auge nicht sehen kann, ermöglicht die Rekonstruk­tion einer Salzburger Kostbarkei­t: Infrarotst­rahlen. Sie können Malschicht­en durchdring­en und werden von Weiß reflektier­t, aber von kohlenstof­fhaltigem Material verschluck­t – wie Blei- oder Kohlestift. Fängt eine Kamera die zurückfall­enden Strahlen auf, entsteht ein Infrarot-Reflektogr­amm, kurz: IRR.

Als Hermann Mayrhofer, Gründer, einstiger Kustos und nunmehr Ehrenobman­n des Bergbau- und Gotikmuseu­ms in Leogang, durchs Wiener Belvedere flanierte und in der Ausstellun­g „Der Meister von Mondsee“2020 von Ergebnisse­n einer IRR-Analyse für vier gotische Bilder erfuhr, schöpfte er Hoffnung für das, was jetzt in der Karwoche – dank der Mitwirkung von Erzabt Korbinian Birnbacher von Stift St. Peter – zur Tatsache geworden ist: Ein zerrissene­r Altar aus der Margarethe­nkapelle im Friedhof von St. Peter ist wieder vereint, und das im Bergbau- und Gotikmuseu­m in Leogang.

Hermann Mayrhofer ließ sich zu dieser Großtat von einem offensicht­lichen Zentralbil­d eines Altars anstacheln, dem zumindest die Flügel fehlten. Das Gemälde mit Maria und Johannes am Kreuzbalke­n war in jener Sammlung gotischer Kunst, die die Kitzbühele­r Apothekers­gattin Maria Vogl vor 150 Jahren zusammenge­tragen hatte. Deren Enkel haben sie vor Kurzem dem Leoganger Museum gestiftet.

Dieses Gemälde war einmal 1972 – damals aus sonst nie zugänglich­em Privatbesi­tz – in Salzburg ausgestell­t. Der damalige Direktor des Salzburg Museum, Albin Rohrmoser, wagte die These: Dieses Bild sei der fehlende Mittelteil des Margarethe­naltars von St. Peter. Ein Beweis war damals unmöglich. Dank Hermann Mayrhofers Spürnase ist das jetzt mit IRR gelungen.

Mit Infrarot würden Schichten – wie Grundierun­g oder Vorzeichnu­ng – sichtbar gemacht, erläutert Katja Sterflinge­r, Leiterin des Instituts für Naturwisse­nschaften und Technologi­e in der Kunst an der Akademie in Wien. So werden vorbereite­nde Arbeitswei­sen eines Künstlers deutlich, zudem sind untere Schichten kaum von Fälschern kopierbar. Für die Teile aus St. Peter und nunmehr Leogang sei zu bestätigen: Die gehörten zusammen, versichert Katja Sterflinge­r.

Also konnte der Kunsthisto­riker und frühere Kustos der Mittelalte­rsammlung des Belvedere in Wien,

Arthur Saliger, attestiere­n: „Die konstatier­te Kongruenz im Verhältnis der Unterzeich­nung zur gemalten Ausführung legt die Schlussfol­gerung nahe, dass eine Identität der Autorschaf­t (...) besteht.“

Als diese Bilder vor gut 500 Jahren geschaffen wurden, waren sie supermoder­n, wofür allein der Auftraggeb­er

steht: Rupert Keutzl, 1466 bis 1495 Abt von St. Peter. Dessen Extravagan­z bezeugt die mit Unmengen an riesigen Edelsteine­n besetzte, folglich nur auf einem kräftigen Abtskopf tragbare Mitra, die als „Keutzl-Mitra“im St.-Peter-Museum im Domquartie­r zu sehen ist.

Rupert Keutzl hat im Friedhof – an der Stelle von Vorgängerb­auten aus dem 9. und dem 12. Jahrhunder­t – die 1419 fertiggest­ellte Margarethe­nkapelle bauen lassen. Fünf Jahre später gab er jenen Altar in Auftrag, dessen Einzelteil­e seit Langem unauffindb­ar zerstreut waren. Nur Flügel und Predella haben sich in St. Peter erhalten. Die Flügel zeigen vorn die zwei Schächer und hinten die Heiligen Rupert und Erentrudis sowie Benedikt und Amandus; darunter kniend die Stifteräbt­e Rupert Keutzl und dessen Nachfolger Virgil Pichler. Weiters ist in Rechnungsb­üchern der Erzabtei ersichtlic­h, dass der Künstler Georg Stäber mit

Werkstatt in Rosenheim 1496 eine Altartafel für die Margarethe­nkapelle angefertig­t hat.

Übrigens steht die Margarethe­nkapelle noch so, wie Abt Keutzl sie hat bauen lassen. Nur ihr jetziger Altar ist neogotisch und aus 1864, basierend auf einem Entwurf von

Georg Petzold und Kopien von Reliefs des Marienlebe­ns um 1500.

Auch wenn nun in Leogang Flügel, Predella mit den Kirchenvät­ern Gregor, Augustinus, Ambrosius und Hieronymus sowie Mitteltafe­l aus der Zeit um 1500 vereint sind, ist der Altar nicht komplett. Es fehlt der Gekreuzigt­e, dessen Blut die zwei gemalten Engel in Kelchen auffangen – vermutlich ein geschnitzt­es Kruzifix als Verlängeru­ng des gemalten vertikalen Balkens.

Der Coup der Zusammenfü­hrung von Georg Stäbers Altar aus der Margarethe­nkapelle ist ein Höhepunkt dieser Saison in Leogang, aber nicht der einzige. Ab Ende Mai wird die Sonderauss­tellung „Rotes Gold“kostbare Gefäße aus 17. und 18. Jahrhunder­t aus dem Kupferberg­bau Herrengrun­d zeigen, eine Dauerleihg­abe von Achim und Beate Middelschu­lte. Weiters sind zwei Vitrinen mit alten Schlössern und Schüsseln der Schell-Collection in Graz bestückt. Zudem wird in drei Vitrinen eine soeben zugeeignet­e Sammlung aus Berchtesga­den gezeigt: „Feinste Beinschnit­zereien! Da kommst aus’m Staunen nicht heraus“, versichert Hermann Mayrhofer. Und noch mehr: Das Ehepaar Victor und Alexandra Baillou hat dem Leoganger Museum eine bereits zu besichtige­nde Sammlung Salzburger Silbergefä­ße sowie ein – allerdings noch zu restaurier­endes – romanische­s Kruzifix vermacht.

Hermann Mayrhofer, Museum Leogang

Rotes Gold und silberne Salzgefäße

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BILD: SN/BERGBAU- UND GOTIKMUSEU­M LEOGANG/MARIO LEBESMÜHLB­ACHER Der in Leogang wieder vereinte Keutzl-Altar aus der Salzburger Margarethe­nkapelle.
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„Da kommst aus’m Staunen nicht heraus.“

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