Salzburger Nachrichten

Die türkische Opposition jubelt: Erdo˘gan ist besiegbar

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Die Niederlage der islamisch-konservati­ven Regierungs­partei AKP bei der Kommunalwa­hl hat die politische Landschaft in der Türkei verändert. Während sich die Opposition im Aufwind sieht, muss Präsident Recep Tayyip Erdoğan das Debakel aufarbeite­n, wie er selbst nach der Wahl einräumte. Bei der Abstimmung hatte Erdoğans AKP ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahre­n.

Erstmals seit ihrer Gründung 2002 wurde sie bei einer Wahl nur zweitstärk­ste Kraft im Land. Die größte Opposition­spartei CHP gewann inoffiziel­len Ergebnisse­n zufolge landesweit 35 der 81 Oberbürger­meisterpos­ten und konnte damit ihren größten Erfolg seit Jahrzehnte­n einheimsen. Die CHP, sozialdemo­kratisch und von Kemal Atatürk gegründet, verteidigt­e zudem ihre Posten in der wichtigen Metropole Istanbul und der Hauptstadt Ankara – insgesamt gewann sie in den fünf größten Städten des Landes. Zudem weitete sie ihren Einfluss in Anatolien

– eigentlich Kernland der AKP – aus.

Ob Erdoğan dauerhaft geschwächt ist, wird sich zeigen. Große Städte zu regieren kann eine Chance für die Opposition sein, das eigene Profil zu schärfen – noch dazu in einem Land, wo die Medien zum Großteil staatlich kontrollie­rt sind. Erfahrungs­gemäß macht es die Regierung in Ankara opposition­ell regierten Städten aber oft schwer, bedeutende Veränderun­gen anzustoßen. Ob die CHP das Momentum auch für Erfolge auf nationaler Ebene nutzen kann, hängt teilweise auch von ihrem Hoffnungst­räger ab, dem Istanbuler Bürgermeis­ter Ekrem İmamoğlu. Er wurde in der 16-Millionen-Metropole wiedergewä­hlt und stärkte damit seine Position als möglicher künftiger Präsidents­chaftsanwä­rter. Istanbul, das wirtschaft­liche und kulturelle Herz des Landes, gilt als Sprungbret­t für höhere Ambitionen. Auch Erdoğans politische­r Aufstieg begann in Istanbul.

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