Wir müssen das Problem selbst lösen
Die Zuwanderung Tausender Menschen aus Syrien kann auch eine Chance sein. Es liegt an uns und an den Zugewanderten, sie zu nutzen.
Chance? Gefahr? Beides? – Seit Monaten strömen Monat für Monat Hunderte Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder und hauptsächlich aus Syrien, nach Wien, um im Rahmen der Familienzusammenführung mit ihren nach Österreich geflüchteten Vätern vereinigt zu werden. Das Wiener Schulsystem ist aufgrund des Zustroms schulpflichtiger Kinder am Anschlag, in einzelnen Schulen müssen bereits Containerklassen aufgestellt werden, die neu Zugezogenen brauchen Wohnungen und Sozialleistungen. Dass gleichzeitig mit dieser Entwicklung migrantisch geprägte Jugendbanden und Messerstechereien Schlagzeilen machen, hat mit dieser Entwicklung zwar absolut nichts zu tun, erschwert aber eine sachgerechte und vernunftbasierte Diskussion über die Zuwanderung.
Chance oder Gefahr? Werden die jungen Zuwanderer, die jetzt ihren Vätern nach Österreich folgen, jene sein, die die Lücken auf unserem Arbeitsmarkt füllen, das Sozialsystem am Laufen halten, unsere Alten pflegen werden? Oder werden sich noch mehr Migrantenghettos, eine noch deutlicher ausgeprägte Parallelgesellschaft bilden? Mit all den oben erwähnten Problemen, die mit der momentanen Zuwandererwelle zwar nichts zu tun haben, aber jedenfalls das Ergebnis einer nicht geglückten Integration sind?
Wir haben nicht alle Zeit der Welt
Die Entscheidung darüber fällt jetzt, in diesen Wochen und Monaten, auch wenn das nicht allen Akteuren klar zu sein scheint. So ist etwa die Gelassenheit, mit der die Wiener Schulbehörden auf den Massenansturm neuer Schüler aus einem anderen Kulturkreis ohne Deutschkenntnisse reagieren, ein wenig befremdlich. Denn mit ein paar Klassencontainern auf der grünen Wiese ist es wohl nicht getan. Wien braucht zusätzliche Lehrer, zusätzliche Sprachtrainer, zusätzliche Freizeitbetreuer, zusätzliche Sozialarbeiter, und zwar in jenem Rekordtempo, das der hiesigen Politik leider völlig wesensfremd ist. Erst vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung die Verkürzung der Lehrerausbildung, die mehr Pädagogen für die Klassenzimmer frei machen soll, um ein weiteres Jahr verschoben. Ganz so, als ob wir alle Zeit der Welt hätten. Haben wir aber nicht. Denn die neu angekommenen Kinder brauchen ihren Unterricht, ihre Sprachkurse, ihre Betreuung nicht irgendwann, sondern jetzt, wenn sie fit für den Arbeitsmarkt und für unsere Gesellschaft werden sollen.
Im Übrigen geht es nicht nur um die Kinder, die man aus ihrer Blase heraus in unsere Gesellschaft hereinholen muss, sondern auch um
deren Väter und Mütter. Dass etwa in Wien eine fünfköpfige Familie ohne eigenes Einkommen knapp 2550 Euro an Sozialleistungen plus Familienbeihilfe plus Krankenversicherung erhält, mag sozialpolitisch erfreulich sein, ist aber nicht eben ein Anreiz, sich einen Job zu suchen und auf eigene Füße zu stellen. Und man muss deutlich machen: Integration, inklusive aktiver Teilhabe am Arbeitsmarkt, ist nicht nur eine Bringschuld der eingesessenen Gesellschaft, sondern auch eine Holschuld der Zugewanderten. Diese Holschuld muss eingefordert werden – notfalls mit Druck und mit Sanktionen. Weiters erforderlich ist eine kluge Wohnungspolitik. Denn die Zusammenballung von Migranten in einigen wenigen Stadtteilen führt zur Abschottung und zur Bildung von migrantisch geprägten Gegenwelten, wie sie in einzelnen Wiener Bezirken bereits zu beobachten
sind. Auch hier ist Eile dringend geboten. Denn selbst wenn das Vorhaben, die EU-Außengrenzen in Hinkunft besser zu schützen, in die Tat umgesetzt werden sollte (wonach es nicht aussieht), ändert dies nichts mehr an den bereits vorhandenen Integrationsherausforderungen. Dasselbe gilt für die in der ÖVP vernommene Ansage, am Asylrecht zu schrauben. Kann man alles tun. Aber es ist lächerlich, eine derart unrealistische, nur im internationalen Gleichklang mögliche Maßnahme als Lösung aktueller Migrationsprobleme zu verkaufen.
Die unzweifelhaft vorhandenen Probleme im Zusammenleben wird nicht Frontex lösen, und nicht das EU-Parlament oder die EU-Kommission.
Das müssen wir selbst tun.