Wie Sprache unser geistiges Auge prägt
In Bayern gilt ab jetzt: Gendern ist an Schulen, Hochschulen und Behörden verboten. Welche Wirkung hat das?
Astronauten, Forscher, Bürger, Kunden, Polizisten, Richter ... bei all diesen Ausdrücken sind Frauen und diverse Menschen doch mitgemeint! So argumentieren Befürworterinnen und Befürworter des generischen Maskulinums, also der Verwendung der maskulinen Form auch in Fällen, in denen nicht nur Männer gemeint sind. Allerdings zeigen immer mehr Studien, dass es für das geistige Auge durchaus einen Unterschied macht, ob beispielsweise die weibliche Form explizit dazugesagt wird.
Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder und die Minister seines Kabinetts haben das Gendern in Schulen, Hochschulen und Behörden nun untersagt, das Verbot trat am Montag in Kraft. Damit kann man zwar weiterhin die männliche und die weibliche Form gemeinsam nennen, aber Sonderzeichen im Wortinneren sind verpönt. In der Allgemeinen Geschäftsordnung (AGO) für die Behörden des Freistaats Bayern heißt es jetzt: „Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, GenderGap oder Mediopunkt sind unzulässig.“
Der Rat für deutsche Rechtschreibung weist darauf hin, dass es sich um Eingriffe in Wortbildung, Grammatik und Orthografie handelt, die die Verständlichkeit von Texten beeinträchtigen können.
Wer sich an Universitäten und Schulen umhört, vernimmt oft die Frage, was das alles soll. Gendern oder nicht ist für viele kein Thema. Viele Jugendliche und Studierende und auch Dozentinnen und Dozenten sowie Lehrkräfte sprechen den Glottisschlag – also die kleine Pause innerhalb eines gegenderten Worts – selbstverständlich mit. Erst kürzlich schrieben einige Studierendenvertretungen Wissenschaftsminister Markus Blume einen offenen Brief, in dem sie fragten, ob er keine dringlicheren Probleme habe. Und auch der Landesschülerrat teilte auf der Plattform X mit, dass man sich gesammelt gegen das Genderverbot
stelle. „Wie Diskursräume in einer Gesellschaft offen gehalten werden durch ein allgemeines Genderverbot, ist uns schleierhaft.“
Welche Konsequenzen denjenigen drohen, die sich über das Verbot hinwegsetzen, ist nach Angaben des bayerischen Innenministeriums eine Einzelfallentscheidung. „Ob überhaupt beziehungsweise wann dabei die Schwelle eines disziplinarrechtlich relevanten Fehlverhaltens im Sinne einer Dienstpflichtverletzung im konkreten Einzelfall überschritten wird, wird insbesondere mit Blick auf die Häufigkeit, das Ausmaß und den jeweiligen Kontext zu beurteilen sein“, teilte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage mit.
Es mache beispielsweise einen Unterschied, ob es sich um ein behördeninternes oder ein öffentliches Schreiben handle und ob die gendersensible Sprache einmal oder mehrmals verbotenerweise verwendet werde.
Das generische Maskulinum war in Deutschland (wie auch in Österreich) jahrzehntelang gebräuchlich. Doch sein Fundament wackelt. Mehr und mehr Menschen und Organisationen nutzen Alternativen, um Frauen und nicht-binäre Personen – also Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren – sichtbarer zu machen. Dazu kann gehören, konsequent auch die weibliche Form zu nennen (also zum Beispiel: Richterinnen und Richter). Zudem gibt es geschlechtsneutrale Ausdrücke wie Mensch, Person und Mitglied. Zum Teil werden auch Substantivierungen wie Lehrende und Studierende benutzt. Besonders leidenschaftlich diskutiert werden die jetzt in Bayern untersagten Schreibweisen mit Genderstern (zum Beispiel Schüler*innen), Binnen-I (SchülerInnen) und sogenanntem Gender-Gap (Schüler_innen und Schüler:innen).
Studien zeigen, dass sogenannte geschlechtergerechte Sprache grundsätzlich einen Unterschied macht. Die Sozialpsychologen Fritz Strack und Patrick Rothermund von der Universität Würzburg veröffentlichten gerade erst im „Journal of Language and Social Psychology“eine Untersuchung, der zufolge das generische Maskulinum eher mit Männern assoziiert wird – selbst wenn extra dazugesagt wird, dass Frauen mitgemeint sind.
Das generische Maskulinum verzerrt die Vorstellung in Richtung Männer. Andere Bilder im Kopf lassen sich nur erzeugen, wenn sie in der Sprache auch angesprochen und genannt werden.