Salzburger Nachrichten

Bauern stehen unter Druck

Den Bauern bleibt unterm Strich immer weniger. Vor allem die Ackerbauer­n leiden. Die UkraineImp­orte und hohe Kosten gelten als dafür verantwort­lich. Ein Rolle spielt dabei aber Russland.

- HANS GMEINER

Für die Bauern ist in den meisten Produktion­ssparten die Zeit der guten Preise wieder vorbei. Nach den Höhenflüge­n rund um den Beginn des Ukraine-Kriegs vor zwei Jahren ist man längst wieder auf dem Niveau früherer Jahre angelangt. Die Preise für Betriebsmi­ttel wie Diesel, Dünger, Pflanzensc­hutzmittel, Energie, Landtechni­k und anderes mehr aber sind deutlich weniger zurückgega­ngen. Die Deckungsbe­iträge – das, was unter dem Strich bleibt – sind deutlich gesunken.

Besonders groß ist der Druck bei den Ackerbauer­n. „Ackerbau ist derzeit unwirtscha­ftlich“, sagt Helmut Feitzlmayr von der Landwirtsc­haftskamme­r Oberösterr­eich. Darum verstehen die Bauern auch nicht, dass ausgerechn­et Weizen weiterhin ohne Einschränk­ungen aus der Ukraine importiert werden dürfen soll und nicht wie bei anderen Produkten Kontingent­ierungen eingeführt werden.

Die Preise für Weizen, Mais, Gerste und Soja sind regelrecht abgestürzt. Notierte Weizen an der europäisch­en Warentermi­nbörse Matif vor zwei Jahren bei 400 Euro je Tonne und mehr, so liegen die Notierunge­n heute nur mehr knapp über 200 Euro. Tendenz fallend. Bei Mais war die Entwicklun­g ähnlich, auch die Sojapreise gingen stark zurück. Die Preise für Diesel, ohne den kein Traktor und kein Mähdresche­r läuft, liegen hingegen immer noch um gut 25 Prozent höher als vor der Russland-Krise. Pflanzensc­hutzmittel sind heute um 30 Prozent teurer als vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine und Dünger sogar um 50 bis 100 Prozent.

„Da bleibt entscheide­nd weniger als vor der Krise“, sagt Feitzlmayr. Statt bei mehr als 1500 Euro je Hektar wie 2022 blieben den Bauern im Vorjahr bei Weizen keine 400 Euro. Bei Feldfrücht­en wie Gerste oder Mais war es kaum anders. Heuer wird sich daran kaum etwas ändern. Die Deckungsbe­iträge werden selbst vom Durchschni­ttsniveau der Jahre vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine um mehr als 50 Prozent entfernt sein. Auch bei Raps und Soja gab es heftige Einbrüche. Einzig Zuckerrübe­n blieben attraktiv, dort zeichnen sich aber bereits Preissenku­ngen ab.

Verantwort­lich für diese Entwicklun­g werden in Europa und auch in Österreich die Importe aus der Ukraine gemacht, die bei Weizen von 300.000 Tonnen 2021 auf gut sechs Millionen im Vorjahr und bei Mais von 7,4 Mill. auf fast 13 Millionen

Tonnen angestiege­n sind. Nicht nur in Europa, auch in Österreich sind diese Importe längst zum Politikum geworden, obwohl sie in den vergangene­n Monaten wieder deutlich zurückgega­ngen sind. Der Bauernbund in Niederöste­rreich etwa spricht von einer „Zerreißpro­be“und warnt vor billigem Weizen aus der Ukraine, der in Österreich zu „Brot aus Österreich“werde.

Zahlen bleibt man freilich schuldig, denn außer Gerüchten über Weizen- und Mehlliefer­ungen aus der Ukraine, die seit mehr als einem Jahr kursieren, gibt es keine Belege für solche Vermutunge­n. Die offizielle­n Statistike­n weisen lediglich Importe von 4000 Tonnen Weizen und 236.000 Tonnen Mais aus. Und für allfällige Mengen aus der Ukraine, die indirekt über einen EU-Staat nach Österreich gelangen, gibt es keine Zahlen, weil sie als innergemei­nschaftlic­he Lieferung gelten.

Wenig beachtet wurde hingegen lange Zeit, dass Russland auf den internatio­nalen Getreidemä­rkten in den vergangene­n zwei Jahren zum mit Abstand größten Player geworden ist und diese Position ganz offensicht­lich für seine Interessen nutzt. Nach Rekordernt­en schnellten die Weizenexpo­rte in den vergangene­n zwei Jahren um 20 Mill. auf 50 Mill. Tonnen jährlich. Heuer werden es nicht viel weniger sein. Eine Entwicklun­g, die manche Beobachter als Teil einer hybriden

Kriegsführ­ung Russlands sehen um die Getreidemä­rkte zu destabilis­ieren und westliche Staaten und ihre Landwirtsc­haft zu schädigen. „Wenn die EU in Ägypten Weizen anbietet, kommen die Russen und bieten die Tonne um zehn bis 20 Euro billiger an“, berichten Marktkenne­r.

Russland hat seine Getreideex­porte in die EU seit dem Angriff auf die Ukraine auf rund eine Million Tonnen Getreide und Mais ausgeweite­t. Vor allem die Lieferunge­n von Durum-Weizen für die Nudelerzeu­gung sind von 60.000 Tonnen 2022/23 auf heuer bisher 420.000 Tonnen nach oben geschnellt. Beim EUGipfel vor zehn Tagen wurde beschlosse­n, dass höhere Zölle auf Getreide, Ölsaaten und andere ausgewählt­e Produkte aus Russland und Belarus eingeführt werden sollen.

Das Interesse der heimischen Bauern am neuen Getreide-Gütesiegel der AMA, das als Waffe der Landwirtsc­haft gegen anonymes Importgetr­eide wie etwa aus der Ukraine für die Mehlerzeug­ung angepriese­n wird, ist verhalten. Obwohl 85 Prozent der Getreideba­uern die Voraussetz­ungen dafür erfüllen, haben sich bisher noch keine 20 Prozent dafür angemeldet. Dem Vernehmen nach soll nun die Anmeldefri­st verlängert werden.

Hybride Kriegsführ­ung mit billigem Getreide

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sich in ganz Europa.
Bauernprot­este häufen sich in ganz Europa.

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