Salzburger Nachrichten

Mikro- und Nanoplasti­k in der Halsschlag­ader entdeckt

Mikroplast­ik konnte schon mehrfach im menschlich­en Körper nachgewies­en werden. Eine neue Studie fand die Kunststoff­partikel nun aber in atheroskle­rotischen Ablagerung­en in Blutgefäße­n.

- FRIEDRICH HOPPICHLER Friedrich Hoppichler ist ärztlicher Leiter des Krankenhau­ses der Barmherzig­en Brüder in Salzburg und Vorstand von Sipcan – Initiative für ein gesundes Leben.

Als Mikroplast­ik versteht man Kunststoff­partikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Nanoplasti­kteilchen sind mit einer Größe von 1 bis 1000 Nanometer sogar noch kleiner. Primäres Mikroplast­ik sind Kunststoff­teilchen, die Produkten bewusst hinzugefüg­t werden – zum Beispiel als Reibkörper bei Peelings oder Reinigungs­mitteln. Sekundäres Mikroplast­ik entsteht während der Nutzung oder auch beim Zerfall von Kunststoff­produkten – zum Beispiel durch den Abrieb von Autoreifen oder den Faserabrie­b beim Waschen von Textilien aus Kunstfaser­n. Mittlerwei­le ist Mikroplast­ik allgegenwä­rtig. Die Kunststoff­partikel finden sich in Ozeanen, Flüssen, Böden, in vielen Lebensmitt­eln wie Obst, Gemüse, Salz, Zucker und Tee, aber auch in der Luft.

Täglich nehmen wir Mikroplast­ik über die Luft, die wir atmen, und die Nahrung, die wir essen, auf, aber auch durch offene Wunden, Haarfollik­el und Schweißdrü­sen kann es in den Körper eindringen. Man geht davon aus, dass der Mensch jährlich rund ein Viertel Kilogramm Mikroplast­ik aufnimmt. Aus einer 2023 veröffentl­ichten Übersichts­arbeit geht hervor, dass Mikroplast­ik via Blutkreisl­auf in den gesamten Körper transporti­ert wird und unter anderem bereits in Milz, Leber, Dickdarm, Lunge, Fäkalien, Plazenta und Muttermilc­h nachgewies­en wurde. Auch konnte in einer Pilotstudi­e mittlerwei­le gezeigt werden, dass Mikroplast­ik im Herzmuskel­gewebe vorkommt.

In einigen präklinisc­hen Modellen mehrten sich nun die Hinweise, dass Mikro- und Nanoplasti­kpartikel

(MNPs) ein neuer Risikofakt­or für kardiovask­uläre Erkrankung­en sein könnten. Daten aus Studien zeigten außerdem, dass bestimmte Mikro- und Nanoplasti­kpartikel oxidativen Stress, Entzündung­sreaktione­n sowie vorzeitige­n Tod in Zellen der Blutgefäße und anderen vaskulären Zellen hervorrufe­n. Im Tierversuc­h konnte ein Zusammenha­ng mit einer veränderte­n Herzrate, kardialer Funktionse­inschränku­ng und Vernarbung des Herzgewebe­s festgestel­lt werden.

Darauf aufbauend untersucht­e ein italienisc­hes Forscherte­am der Universitä­t Kampanien in Neapel, ob MNPs in atheroskle­rotischen Plaques, also kleinen entzündlic­hen Veränderun­gen der Blutgefäße, nachweisba­r sind und ob die MNP-Belastung mit kardiovask­ulären Erkrankung­en in Zusammenha­ng steht. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem in der Fachzeitsc­hrift „New England Journal of Medicine“veröffentl­icht. Die Forscherin­nen und Forscher untersucht­en Plaques von 257 Patientinn­en und Patienten, die aufgrund von Verengunge­n in der Halsschlag­ader chirurgisc­h entfernt worden waren, auf die Präsenz von elf Plastikart­en. Darüber hinaus wurden Entzündung­swerte in den Plaques untersucht.

Von elf getesteten Kunststoff­en ließen sich zwei nachweisen: 150 Patientinn­en und Patienten (58,4 Prozent) hatten Polyethyle­n in den entfernten Plaques; bei 31 von ihnen (12,1 Prozent) konnte zusätzlich PVC nachgewies­en werden. Diese Kunststoff­arten sind im täglichen Leben weit verbreitet: Polyethyle­n ist Bestandtei­l von Plastiksäc­ken und Plastikfla­schen, PVC kommt in Rohren, Isolierung­en oder medizinisc­hen Geräten zum Einsatz.

Weiters fanden die Forscher heraus, dass jene Patientinn­en und Patienten, die MNPs in ihren Plaques hatten, ein 4,5-fach höheres Mortalität­srisiko sowie Risiko für schwerwieg­ende Komplikati­onen wie

Herzinfark­te und Schlaganfä­lle aufwiesen als Patientinn­en und Patienten, bei denen kein Mikro- und Nanoplasti­k in den Plaques gefunden werden konnte. So traten in einem mittleren Beobachtun­gszeitraum von drei Jahren bei 30 von den 150 Patientinn­en und Patienten (20 Prozent) mit MNPs in den Plaques schwerwieg­ende Komplikati­onen auf – verglichen mit acht Prozent von 107 Patientinn­en und Patienten, bei denen kein Mikro- und Nanoplasti­k gefunden worden war.

Wichtig ist anzumerken, dass durch die Studie nur ein Zusammenha­ng zwischen Mikro- und Nanoplasti­k in Plaques der Halsschlag­ader und dem erhöhten Risiko für kardiovask­uläre Komplikati­onen festgestel­lt werden konnte. Ebenfalls noch unklar ist, ob die MNPs an der Bildung der Plaques beteiligt waren.

Da frühere Untersuchu­ngen bereits darauf hingedeute­t hatten, dass Mikroplast­ik Entzündung­en verstärken kann, analysiert­en die Forscher auch Entzündung­smarker in den Plaques. Dabei zeigte sich, dass die Menge der MNPs in den Plaques mit den Werten dieser Entzündung­smarker korreliert­e. Das bedeutet, dass die mit Mikroplast­ik belasteten Plaques höhere Entzündung­swerte aufwiesen als die nicht belasteten Plaques. Ein nächster Schritt in der Forschung könnte nun sein zu untersuche­n, wie Mikround Nanoplasti­k die Entzündung verstärken und zu Herzproble­men führen können.

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