Mikro- und Nanoplastik in der Halsschlagader entdeckt
Mikroplastik konnte schon mehrfach im menschlichen Körper nachgewiesen werden. Eine neue Studie fand die Kunststoffpartikel nun aber in atherosklerotischen Ablagerungen in Blutgefäßen.
Als Mikroplastik versteht man Kunststoffpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Nanoplastikteilchen sind mit einer Größe von 1 bis 1000 Nanometer sogar noch kleiner. Primäres Mikroplastik sind Kunststoffteilchen, die Produkten bewusst hinzugefügt werden – zum Beispiel als Reibkörper bei Peelings oder Reinigungsmitteln. Sekundäres Mikroplastik entsteht während der Nutzung oder auch beim Zerfall von Kunststoffprodukten – zum Beispiel durch den Abrieb von Autoreifen oder den Faserabrieb beim Waschen von Textilien aus Kunstfasern. Mittlerweile ist Mikroplastik allgegenwärtig. Die Kunststoffpartikel finden sich in Ozeanen, Flüssen, Böden, in vielen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Salz, Zucker und Tee, aber auch in der Luft.
Täglich nehmen wir Mikroplastik über die Luft, die wir atmen, und die Nahrung, die wir essen, auf, aber auch durch offene Wunden, Haarfollikel und Schweißdrüsen kann es in den Körper eindringen. Man geht davon aus, dass der Mensch jährlich rund ein Viertel Kilogramm Mikroplastik aufnimmt. Aus einer 2023 veröffentlichten Übersichtsarbeit geht hervor, dass Mikroplastik via Blutkreislauf in den gesamten Körper transportiert wird und unter anderem bereits in Milz, Leber, Dickdarm, Lunge, Fäkalien, Plazenta und Muttermilch nachgewiesen wurde. Auch konnte in einer Pilotstudie mittlerweile gezeigt werden, dass Mikroplastik im Herzmuskelgewebe vorkommt.
In einigen präklinischen Modellen mehrten sich nun die Hinweise, dass Mikro- und Nanoplastikpartikel
(MNPs) ein neuer Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen sein könnten. Daten aus Studien zeigten außerdem, dass bestimmte Mikro- und Nanoplastikpartikel oxidativen Stress, Entzündungsreaktionen sowie vorzeitigen Tod in Zellen der Blutgefäße und anderen vaskulären Zellen hervorrufen. Im Tierversuch konnte ein Zusammenhang mit einer veränderten Herzrate, kardialer Funktionseinschränkung und Vernarbung des Herzgewebes festgestellt werden.
Darauf aufbauend untersuchte ein italienisches Forscherteam der Universität Kampanien in Neapel, ob MNPs in atherosklerotischen Plaques, also kleinen entzündlichen Veränderungen der Blutgefäße, nachweisbar sind und ob die MNP-Belastung mit kardiovaskulären Erkrankungen in Zusammenhang steht. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“veröffentlicht. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten Plaques von 257 Patientinnen und Patienten, die aufgrund von Verengungen in der Halsschlagader chirurgisch entfernt worden waren, auf die Präsenz von elf Plastikarten. Darüber hinaus wurden Entzündungswerte in den Plaques untersucht.
Von elf getesteten Kunststoffen ließen sich zwei nachweisen: 150 Patientinnen und Patienten (58,4 Prozent) hatten Polyethylen in den entfernten Plaques; bei 31 von ihnen (12,1 Prozent) konnte zusätzlich PVC nachgewiesen werden. Diese Kunststoffarten sind im täglichen Leben weit verbreitet: Polyethylen ist Bestandteil von Plastiksäcken und Plastikflaschen, PVC kommt in Rohren, Isolierungen oder medizinischen Geräten zum Einsatz.
Weiters fanden die Forscher heraus, dass jene Patientinnen und Patienten, die MNPs in ihren Plaques hatten, ein 4,5-fach höheres Mortalitätsrisiko sowie Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie
Herzinfarkte und Schlaganfälle aufwiesen als Patientinnen und Patienten, bei denen kein Mikro- und Nanoplastik in den Plaques gefunden werden konnte. So traten in einem mittleren Beobachtungszeitraum von drei Jahren bei 30 von den 150 Patientinnen und Patienten (20 Prozent) mit MNPs in den Plaques schwerwiegende Komplikationen auf – verglichen mit acht Prozent von 107 Patientinnen und Patienten, bei denen kein Mikro- und Nanoplastik gefunden worden war.
Wichtig ist anzumerken, dass durch die Studie nur ein Zusammenhang zwischen Mikro- und Nanoplastik in Plaques der Halsschlagader und dem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen festgestellt werden konnte. Ebenfalls noch unklar ist, ob die MNPs an der Bildung der Plaques beteiligt waren.
Da frühere Untersuchungen bereits darauf hingedeutet hatten, dass Mikroplastik Entzündungen verstärken kann, analysierten die Forscher auch Entzündungsmarker in den Plaques. Dabei zeigte sich, dass die Menge der MNPs in den Plaques mit den Werten dieser Entzündungsmarker korrelierte. Das bedeutet, dass die mit Mikroplastik belasteten Plaques höhere Entzündungswerte aufwiesen als die nicht belasteten Plaques. Ein nächster Schritt in der Forschung könnte nun sein zu untersuchen, wie Mikround Nanoplastik die Entzündung verstärken und zu Herzproblemen führen können.