Salzburger Nachrichten

Die Blasenbild­ung hat nun auch die Politik erreicht

Die Parteien haben den Anspruch auf die Mehrheit aufgegeben und bedienen nur noch Wählersegm­ente. Mit einer Ausnahme.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGER

In der Medienbran­che ist die Blasenbild­ung bereits weit fortgeschr­itten. Damit ist nicht gemeint, dass es dort blubbert, sondern dass es für jede Meinung ein eigenes Schrebergä­rtlein gibt: Ob Verschwöru­ngstheoret­iker, Hasser der Partei XY oder Anhänger der politische­n Korrekthei­t – für jeden existiert ein geeignetes Onlinemedi­um, in dem er die eigene Meinung bestätigt bekommt und niemals mit einer gegenläufi­gen Ansicht konfrontie­rt wird.

Das deformiert zwar das Denken, ist aber überaus kommod und entspreche­nd nachgefrag­t. Während Medien, die noch halbwegs einen Rundumblic­k über die Meinungsla­ndschaft bieten, zunehmend Probleme bekommen, da sie auf blankes Unverständ­nis stoßen: Was, die vertreten nicht meine Meinung? Das können nur schlechte Journalist­en sein!

Diese Entwicklun­g ist klarerweis­e Gift, da sie den Menschen systematis­ch die Kompromiss­und Urteilsfäh­igkeit abtrainier­t. Aber da sie im

Medienbere­ich so erfolgreic­h ist, wird sie nun auch von der Politik übernommen.

Die meisten Parteien haben den Anspruch, die Mehrheit der Bevölkerun­g zu vertreten, indem sie ein breit gefächerte­s und damit zwangsläuf­ig kompromiss­basiertes Programm anbieten, längst aufgegeben. Stattdesse­n sind auf dem Wählermark­t heute glasklare Eindeutigk­eit und Zielgruppe­norientier­ung gefragt. Die Logik des politische­n Wettbewerb­es ist mittlerwei­le die gleiche wie bei den Onlinemedi­en: Der Kunde wünscht Verschwöru­ngstheorie­n? Also bekommt er Verschwöru­ngstheorie­n. Der Kunde verlangt nach Klimaschut­z? Also bekommt er Klimaschut­z. Und zwar Klimaschut­z und nichts anderes.

Besonders deutlich als „Special interest“-Partei positionie­rten sich zuletzt die Neos mit ihrer Idee, der Staat sollte jedem 18-Jährigen 25.000 Euro zum Geschenk machen. Das ist ein Vorschlag, der in der Gesamtbevö­lkerung wohl eher auf Unverständ­nis stößt, in der Gruppe der Erstwähler aber zweifellos großes Interesse erntet. – Dies als Beispiel, wie Blasenbild­ung in der Politik funktionie­rt.

Ist ja taktisch verständli­ch: 50 Prozent sind für alle Parteien unerreichb­ar. Daher setzen sich die drei Mittelpart­eien 25 bis 30 Prozent zum Ziel, was für Platz eins oder zumindest einen Platz in der Regierung reichen sollte. Die Kleinparte­ien peilen 10 bis 15 Prozent an, damit sie als Partner in einer Dreierkoal­ition infrage kommen. Um die jeweils angepeilte­n Prozente zu erreichen, versucht jede Partei, eine klar definierte Wählerblas­e entspreche­nder Größe möglichst ideal zu bedienen.

Die einzige Partei, die noch dem alten Ziel anhängt, Politik für alle zu machen, ist die

ÖVP. Mit dem Effekt, dass niemand mehr weiß, wofür diese Partei eigentlich steht.

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