The Angst und die Umarmung
Ja, Panik gelten nicht als Band des Optimismus. Live zeigen sie aber, dass bei aller Unruhe über die Welt auch Versöhnliches durchklingt.
Etwa nach zwei Dritteln des Konzerts stürzen sich Ja, Panik in einen Song, den Sänger Andreas Spechtl als „alten Song“ankündigt. Und wenn man sieht, wie das Publikum in der ArgeKultur in das treibende Vibrieren einsteigt, wird klar: Alle, die da sind, sind schon länger dabei. Und für die tut dann auch ein bisserl Erinnerung gut, an die Zeit, als Ja, Panik vor eineinhalb Jahrzehnten begannen, die gescheiteste wilde deutschsprachige IndieRockband zu werden. Und das war schnell klar an diesem Abend in der ArgeKultur: Sie sind es immer noch. Und daher klingen sie auch bei einem alten Song so ungestüm, als würden sie gerade erst aus dem einen Augenblick geboren, in dem man sie spielen hört. Dazu verschwindet die Band oft in bloß wenig Licht hinter ihrer Musik. It’s the sound, not the singer.
Die Knackigkeit des alten Songs – „Alles hin, hin, hin“– taucht an mehreren Stellen des Abends auf. Rotzig, schnell, punkig beschreiben sie Zustände der Unruhe. Das taten sie schon ein paar Songs zuvor mit „Die Luft ist dünn“, ebenfalls ein alter Titel. „… der Nebel steht mir bis zum Kinn“, heißt es da. Mit dem Eröffnungssong „Fascism Is Invisible (Why Not You?)“legten sie aber schon klar, dass sie nicht müde werden, den Gefahren des Daseins mit Gitarren entgegentreten zu wollen. Sie reißen die Tür auf zu den dunklen Hinterzimmern, um dort extreme Rechte, ihre Verschwörungen und ihre Ausgangsideen zu entlarven: „Scheiß auf Arbeit, scheiß auf Schule, Bambule, Radau“, singen sie in diesem Song vom neuen, zu Jahresbeginn erschienenen Album „Don’t Play With the Rich Kids“. Die Welt, so machen sie klar, ist nicht besser geworden, seit sie schon alles für hin, hin, hin erklärt hatten.
Doch der Umgang der Band mit gesellschaftlichen Unbilden hat sich geändert. Was schon vor zwei Jahren bei ihrem bisher letzten Salzburg-Gastspiel, damals nach acht Jahren Bandpause, zu erkennen war, verstärkt sich nun: Es schimmert eine Zuversicht durch, in der dennoch immer ein Zweifel haust. „Look at me, ein Kratzer im screen/Ja der Riss der Welt geht auch durch mich“, heißt es dann auch im Song „Oh Livestream“. In der Zwischenzeit wurde man trotz der Beunruhigung über die Zustände der Welt und ihre Vermessung mit dem aufgewühlten eigenen Inneren alleingelassen.
Wie ein Gegensatz zu den kleinen, wilden Aufruhreinheiten des Abends, diesen kurzen, schier punkigen Energiebündelsongs, wirkt dann, was schon beim Hören des Albums „Don’t Play With the Rich Kids“als Höhepunkt der Liveshow vorauszusagen war: „Ushuaia“, benannt nach einem Ort ganz im Süden von Argentinien, erweist sich weniger als Song, sondern als Epos. Die Gitarren schwingen sich auf, als würde die ganze Welt der großen Gitarren von Hendrix bis Page mit- und gegeneinander antreten.
„Für einen Moment war ich verloren in der Welt“, hieß es eine gute Stunde zuvor im Song „Lost“. In „Ushuaia“löst sich das alles auf. Lost sind wir ja alle. Aber alle, die da sind beim Konzert von Ja, Panik, können erkennen, dass dieser Sound die Verlorenheit umarmen kann.
„Für einen Moment war ich verloren in der Welt“