Das erste Baby, das aus dem Eis kam
Vor 40 Jahren wurde in Melbourne erstmals die Geburt eines Babys ermöglicht, das aus einem tiefgefrorenen Embryo stammt. Ein medizinischer Durchbruch – mit Folgen für die Menschheit.
Zoe Leylands Geburtstag ist keiner wie jeder andere. Vielmehr markiert ihr Ehrentag ein Stück Medizingeschichte: Beinahe auf den Tag genau 40 Jahre ist es her, dass in Melbourne das erste Baby, das aus einem tiefgefrorenen Embryo stammt, geboren wurde. Mittlerweile ist Zoe Leyland eine Anwältin, die nach wie vor in ihrer Geburtsstadt lebt und arbeitet.
Auf ein E-Mail reagiert Leyland innerhalb kürzester Zeit. „Danke für Ihr E-Mail. Ja – das war meine Geburt“, bestätigt sie eine Anfrage. Damit ist klar: Sie war das alles entscheidende erste Baby, der Durchbruch, der Millionen Eltern neue Hoffnung auf die Erfüllung ihres Kinderwunsches geben sollte. Doch mehr will die Australierin dazu nicht sagen, sie ist eher öffentlichkeitsscheu. Sie habe keinen persönlichen Beitrag zu den Entwicklungen geleistet, meint sie bescheiden.
Tatsächlich waren die wirklichen Helden zwei Ärzte aus Melbourne. Alan Trounson und Carl Wood ist es zu verdanken, dass Leyland 1984 im Queen Victoria Medical Centre in Melbourne das Licht der Welt erblickt hat – eine Nachricht, die die australischen Mediziner voller Stolz wenig später an die Medien geben sollten. „Es war eher ein erfolgreicher wissenschaftlicher Moment als ein historischer Anlass“, sagt Trounson heute. „Ich war als Wissenschafter begeistert, dass es so gut funktioniert hat.“
Weltweit wurde damals berichtet. In den „New York Times“etwa hieß es: „Ein 5 / Pfund (rund 2,5 Kilo, 1
2 Anm.) schweres Mädchen namens Zoe ist das weltweit erste Baby, das aus einem gefrorenen Embryo entstanden ist, wie Wissenschafter heute bekannt gaben.“Laut den Medizinern der Monash University war das Baby per Kaiserschnitt zur Welt gebracht worden. Die Geburt habe man zunächst geheim gehalten, um die Privatsphäre der Familie zu schützen, hieß es.
„Es geht beiden gut, eine gesunde Mutter und ein gesundes Kind“, zitierte die US-amerikanische Zeitung John Leeton, ein Mitglied des In-vitro-Fertilisations-Teams, das einen weiteren wichtigen Beitrag zu der Geburt des Babys geleistet hat: Zoes Mutter, eine 33-jährige Neuseeländerin, und ihr Vater, ein 38-jähriger, in Großbritannien geborener Australier, hatten für diesen Erfolg eine gewisse Prozedur über sich ergehen lassen müssen.
So erhielt ihre Mutter eine hormonelle Stimulation und produzierte elf Eizellen. Diese wurden im Labor dann mit dem Sperma ihres Mannes befruchtet und in einem neuartigen Gefrierschrank zwei Monate lang eingefroren. Eine solche Eizelle im sogenannten Vorkernstadium konnte dann später aufgetaut werden und sich zu einem Embryo weiterentwickeln, der in die Gebärmutter der Frau implantiert wurde, wo er normal heranwachsen konnte. Es war ein absoluter Durchbruch: Ab sofort sollte das Verfahren es Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, befruchtete Eizellen aufzubewahren. Dies gab Frauen, für die eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg nicht möglich war, eine nochmal bessere Chance, ein Kind zu bekommen. Trounson selbst nennt es den „Beginn einer neuen Ära der menschlichen Fortpflanzungsmedizin“und etwas, auf das sie bis heute „sehr stolz“seien.
Das überhaupt erste Retortenbaby der Welt war übrigens Louise Brown, die 1978 in England geboren wurde. In ihrem Fall war der Mutter eine im Labor befruchtete frische Eizelle eingepflanzt worden, während Zoe von einer befruchteten Eizelle stammt, die eine Zeit lang eingefroren war, bevor sie implantiert wurde. Durch das Einfrieren können Ärzte Mehrlingsgeburten eingrenzen, nachdem sie Embryos für eine spätere Verwendung aufbewahren und nicht sofort mit allen arbeiten müssen. Das Verfahren kann einer Patientin aber auch dabei helfen, „das hormonelle Gleichgewicht
wiederherzustellen“, indem die Einnistung in der Gebärmutter verzögert wird, bis die Medikamente, die die Produktion der Eizellen induzieren, aus dem Körper ausgeschieden sind.
In einer Studie von 2023 hieß es, dass weltweit inzwischen mehr als zehn Millionen Kinder dank solcher assistierter Reproduktionstechnologie (ART) geboren wurden. Medizinische Studien zeigen inzwischen, dass Kinder, die aus eingefrorenen Embryos entstehen, dabei oftmals gesünder sind als die aus „frischen“IVF-Embryos. So kam die Studie aus dem vergangenen Jahr zum Schluss, dass es bei Kindern, die nach dem Transfer frischer Embryos geboren wurden, eine höhere Rate an Frühgeburten und niedrigem Geburtsgewicht gibt als bei Kindern, die nach einem Transfer gefrorener Embryos geboren wurden.
Im Vergleich zur natürlichen Befruchtung schneiden die Kinder, die über ART geboren wurden, leicht schlechter ab: Gesamt habe man über die Jahre eine höhere Rate an Geburtsfehlern bei diesen Kindern nachgewiesen, hieß es in der Studie. Studien zu langfristigen Gesundheitsergebnissen würden zudem auf ein erhöhtes Risiko für Veränderungen von Blutdruck und Herz-Kreislauf-Funktion hindeuten.
Studie zeigt Unterschied der Befruchtung auf