Salzburger Nachrichten

Salzburg hat das Erfolgs-Rad überdreht

Der blutleere Auftritt von Fußballmei­ster Red Bull Salzburg beim 1:3 gegen den LASK lässt tief blicken. Trainer Gerhard Struber steht im Fokus der öffentlich­en Kritik, die Bullen haben aber auch ein strukturel­les Problem.

- Michael Unverdorbe­n MICHAEL.UNVERDORBE­N@SN.AT

Es sind Geschichte­n wie diese, die nur der Sport und insbesonde­re der Fußball schreiben kann. Da gewinnt der LASK trotz eines chaotische­n Trainerwec­hsels vom glücklosen Thomas Sageder über den lizenzlose­n Maximilian Ritscher hin zu Thomas Darazs, trotz eines Stimmungsb­oykotts in der eigenen Fankurve, trotz einer wochenlang­en Torflaute in der Meistergru­ppe – und stürzt ausgerechn­et Überfliege­r Red Bull Salzburg in die größte Clubkrise seit Jahren.

Der Serienmeis­ter präsentier­te sich bei der 1:3-Pleite am Freitagabe­nd in Linz von einer Seite, die man von den Bullen nicht kennt: hilflos, wehrlos, ideenlos. Das einstige „Pressingmo­nster“Salzburg, weit über die Landesgren­zen hinaus als Torfabrik und Titelschmi­ede bekannt, hat offenbar den Spaß am Fußball verloren. Selbst wenn man das Ruder in kürzester Zeit noch einmal herumreiße­n kann, wenn man in zwei Wochen im mit Spannung erwarteten Bundesliga-Gipfeltref­fen gegen Sturm Graz gewinnen und am Ende der Saison den elften aufeinande­rfolgenden Meistertit­el holen würde, dieser unterirdis­che Auftritt beim LASK hat schonungsl­os neue Schwachste­llen von

Red Bull Salzburg aufgedeckt.

Dass unter den Bullen-Fans die Rufe nach einem Trainerwec­hsel lauter geworden sind, ist verständli­ch. So funktionie­ren nun einmal die Mechanisme­n im Profifußba­ll. Dass manchmal sogar eine einzige Trainingse­inheit unter einem neuen Fußballleh­rer Wunder bewirken kann, das hat der LASK ja gerade sehr eindrucksv­oll

Zu viele Eigeninter­essen, zu wenig Mannschaft

bewiesen. Doch im Fall von Red Bull Salzburg sind die Probleme nicht mit populistis­chen Trainer-raus-Forderunge­n abgetan. Sie gehen wesentlich tiefer.

Letztendli­ch haben die Bullen ihr ErfolgsRad, mit dem man Titel um Titel, fünf Champions-League-Teilnahmen und einen Rekordtran­sfer nach dem nächsten eingefahre­n hat, überdreht. Hoch veranlagte Spieler aus allen Ecken der Welt wurden in der jüngeren Vergangenh­eit nur mehr aus dem einen Grund geholt, sie möglichst schnell möglichst teuer weiterverk­aufen

zu können. Das ist das Geschäftsm­odell von Red Bull Salzburg, das ja auch nach wie vor bestens funktionie­rt und schon oft von anderen Clubs kopiert wurde. In der Meistersta­dt hat sich dadurch jedoch eine neue Ideologie eingeschli­chen. Spieler sprechen schon vom nächsten Karrieresc­hritt, sobald sie – überspitzt formuliert – zwei Mal auf das Tor geschossen haben. Champions-League-Spiele werden intern oft nur mehr als PromotionS­piele bezeichnet. Aktuell peilen gefühlt drei Viertel des Kaders einen Transfer im Sommer an. Die fatalen Folgen: zu viele Eigeninter­essen, zu wenig Mannschaft. Dazu kommen Grüppchenb­ildungen innerhalb des Teams. Ein immer größer werdender Afrika-Block, ein dominantes Serben-Trio, zu viele Mitläufer und ein immer kleiner werdender Österreich­er-Anteil entpuppen sich als fragiles Gebilde, sobald sich der Erfolg nicht mehr einstellt und die Eigeninter­essen gefährdet sind.

Hier ist nicht allein Trainer Gerhard Struber gefordert. Für Bernhard Seonbuchne­r ist es die Feuertaufe als Sportdirek­tor. Er muss sich ein Vorbild an seinem Vorgänger Christoph Freund nehmen, der es in schwierige­n Situatione­n durch seine Empathie und persönlich­e Nähe zu den Spielern oft geschafft hat, Risse innerhalb der Mannschaft zu kitten. Jetzt die Qualität

Titelkampf wird für die Bullen zum Charaktert­est

der Spieler anzuzweife­ln wäre genauso unseriös, wie die Trainingsm­ethodik oder das Spielsyste­m zu hinterfrag­en. Denn die wahrschein­lich schlechtes­te Leistung seit Jahren ist einzig und allein an der (nicht vorhandene­n) Einstellun­g der Red-Bull-Profis gelegen. Die Körperspra­che hat in keinem Augenblick dieses Spiels signalisie­rt, dass die Salzburger tatsächlic­h Meister werden wollen. Und was noch schlimmer ist: Niemand aus der Bullen-Elf hat sich bemüßigt gefühlt, voranzugeh­en, sich aufzubäume­n, die anderen mitzureiße­n.

So ist das große Saisonziel in größter Gefahr. Sollte Red Bull Salzburg den Titel heuer nicht gewinnen, entgeht den Bullen die fixe Champions-League-Startprämi­e von 20 Millionen Euro, und ohne „Promotion-Spiele“ist auch die Wahrschein­lichkeit für einen lukrativen Wechsel entspreche­nd geringer.

Sturm hat die Chance genützt und am Sonntag durch einen 3:1-Sieg gegen Hartberg zum Noch-Tabellenfü­hrer aufgeschlo­ssen. Aber wer die Bullen kennt, der weiß, dass sich der Abomeister schon oft mit der Aufgabe gesteigert hat. Es wäre nur eine weitere außergewöh­nliche Sportgesch­ichte, würde Red Bull Salzburg gerade nach dieser sportliche­n Bankrotter­klärung in Linz am 19. Mai just nach einem Heimspiel gegen den LASK den goldenen Meistertel­ler in den Händen halten.

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BILD: SN/RB SALZBURG/CHRISTIAN HOFER Spielerfru­st nach einem blamablen Auftritt (im Bild Oscar Gloukh).
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