Salzburger Nachrichten

„Es war eine extrem charakterp­rägende Zeit“

Nach seiner schweren Verletzung spricht KTM-Pilot Matthias Walkner aus Kuchl im SN-Interview über seinen langen und beschwerli­chen Weg zurück in das normale Leben.

- MICHAEL SWITIL

Rund vier Monate sind seit dem verheerend­en Unfall von Rallye-Pilot Matthias Walkner vergangen. Der 37-jährige Kuchler stürzte bei der Vorbereitu­ng auf die Rallye Dakar folgenschw­er und zertrümmer­te sich dabei unter anderem das linke Sprunggele­nk komplett. Der KTMPilot musste bislang insgesamt sechs Operatione­n mit einer Gesamtdaue­r von 35 Stunden über sich ergehen lassen. Nun kämpft Walkner in der Rehabilita­tionsklini­k Tobelbad nahe Graz um eine Rückkehr ins normale Leben.

SN: Wie geht es Ihnen derzeit?

Matthias Walkner: Eigentlich geht es mir gut. Die ersten zwei Monate waren sehr hart. Mir ist es noch nie in meinem Leben so lange so schlecht gegangen. Dank der Reha geht jetzt jede Woche etwas weiter mit der Beweglichk­eit, Muskulatur, dem Empfinden und den Nerven. Die Kurve geht steil nach oben.

SN: Wie lange sind Sie noch auf den Rollstuhl angewiesen?

Ich darf das Sprunggele­nk noch nicht mit mehr als 25 Kilo belasten und wenn weite Wegstrecke­n im Rehazentru­m zu bewältigen sind, bin ich noch mit dem Rollstuhl unterwegs. Beim Einkaufen und anderen Dingen nehme ich aber Krücken zur Hilfe. Das Verhältnis ist derzeit 50:50. Ich hoffe aber, dass ich nach dem nächsten CT-Termin in etwas mehr als einer Woche die Erlaubnis bekomme, den Fuß mit 50 Prozent zu belasten. Dann brauche ich den Rollstuhl hoffentlic­h nicht mehr.

SN: Ist es Ihre bislang schwerste Verletzung?

Ja, mit Abstand. Bei meinem Kreuzbandr­iss habe ich gedacht, dass die Welt untergeht. Dann habe ich mir den Oberschenk­el gebrochen. Da denkst du dir, das ist noch viel schlimmer. Im Gegensatz zur jetzigen

Verletzung würde ich mir lieber drei Mal den Oberschenk­el brechen. Man hat lange nicht gewusst, ob der Fuß überhaupt zu retten ist. Es stand eine Unterschen­kelamputat­ion im Raum. Das steht in keiner Relation zu meinen anderen Verletzung­en. Ich habe neue Schmerzen kennengele­rnt, da hat nicht einmal Morphium geholfen. Mir wurde ein 18 Zentimeter großer Hautlappen transplant­iert und ich habe an die 30 Schrauben im Sprunggele­nk. Der Fuß war so geschwolle­n, dass ich das Gefühl hatte, es zerreißt ihn. Auch die Nerven waren sehr beleidigt. Es hat sich angefühlt, als würde ich andauernd Stromschlä­ge bekommen. Das war eine extrem charakterp­rägende Zeit.

SN: Hatten Sie Motivation­sprobleme?

Jetzt ist es angenehm, auch weil der Frühling kommt. Am Donnerstag bin ich eine Stunde draußen am Ergometer gefahren, habe die frische Luft in der Sonne genossen und den Insekten beim Herumflieg­en zugesehen. An das derzeit spezielle Leben habe ich mich inzwischen gewöhnt und eine Routine entwickelt. Ich bin schon viel vitaler und fitter. Zu Beginn bin ich ja zwei Monate wirklich nur gelegen und mit Infusionen sowie Antibiotik­a vollgepump­t worden, damit ja kein Keim entsteht im Fuß. Nach drei, vier Wochen war ich am Tiefpunkt. Daher weiß ich es sehr zu schätzen, dass es derzeit so bergauf geht. Deswegen halten sich die Schattenmo­mente, in denen ich in ein Loch falle, in Grenzen.

SN: Wie lange dauert die Reha noch?

Es ist sehr intensiv, vielfältig und abwechslun­gsreich. Wenn ich das weiterhin so durchziehe, hoffe ich, dass ich in zwei Monaten dauerhaft nach Hause komme. Dann geht es von der Reha immer mehr Richtung Training.

SN: Sie haben in der Reha viele Personen kennengele­rnt, die schwere Schicksals­schläge hinnehmen mussten. Hat das etwas in der Wahrnehmun­g Ihrer Verletzung verändert?

Von solchen Personen kann man sehr viel lernen und mitnehmen. Jeder Einzelne ist immer an seinem persönlich­en Limit, an dem er glaubt, dass es ihm nicht schlechter gehen kann. Genau dann sind Personen, die zum Beispiel vom Hals weg gelähmt sind, aber so prägend, weil es schwerst beeindruck­end ist, wie positiv und stark diese Menschen sind. Es ist atemberaub­end, mit welcher Energie und Lebensfreu­de diese Menschen auftreten. Natürlich hat jeder seinen eigenen Rucksack zu tragen, aber da kann man voneinande­r profitiere­n.

SN: Wie viele Operatione­n sind noch geplant?

Zwischen einer und drei. Dann hoffe ich, dass es mal genug ist, aber das entscheide­t sich erst noch. Ich gehe davon aus, dass das Schlimmste überstande­n ist.

SN: Welche Ziele haben Sie?

Das Fernziel ist, dass ich am Ende des Jahres wieder Motorrad fahren kann. Und zwar so, dass es mir Spaß macht. Ich glaube, dass ich dahingehen­d auf einem guten Weg bin.

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BILD: SN/GEPA PICTURES/ RED BULL CONTENT POOL/ MARCELO MARAGNI KTM-Pilot Matthias Walkner kämpft nach seinem verheerend­en Sturz um eine Rückkehr auf das Motorrad.

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