Der Spion, der aus der „Elektra“kam
Analyse des Vornamens Egisto unter besonderer Berücksichtigung des Agamemnon-Akkords.
„Was ein richtiger Musiker sein will, der muss auch eine Speisekarte komponieren können“, befand Richard Strauss. Und da er zweifellos ein richtiger Musiker war, komponierte er das Ballett „Schlagobers“und in seiner Oper „Intermezzo“gar eine Rodelpartie.
Doch Strauss beschäftigte sich auch mit ernsten Themen, und zwar mit sehr ernsten. Zum Beispiel mit der aktuellen Spionageaffäre in Österreich, die sich bekanntlich um einen mutmaßlichen russischen Agenten mit dem raren Vornamen Egisto dreht.
Was das mit Richard Strauss zu tun hat? Wir sagen nur: Agamemnon-Akkord.
Mit dieser wuchtigen Tonfolge beginnt Strauss’ Oper „Elektra“, die den Eltern von besagtem Eventual-Agenten außerordentlich gut gefallen haben muss. Sonst hätten sie ihr Söhnchen nicht Egisto genannt. Denn eigentlich ist der in der Oper auftretende Aegisth nicht gerade der große Sympathieträger, mit dessen Namen man seinen Sprössling gern durchs Leben schicken würde.
Die Geschichte aus der griechischen Mythologie, die Strauss hier vertonte, ist so ungefähr das Gegenteil von einer lustigen Rodelpartie und süßem Schlagobers. „Wie aus einem Hexenkessel steigen aus dem Elektra-Orchester zähnefletschende, blutrünstige Klänge“, schrieb Julius Korngold, „Glitschern im Blute, sausende Todeshiebe und röchelnde Schreie“. Und immer mitten im Geschehen: der Namenspatron des kleinen Egisto.
Man kennt ja die grausige Geschichte der „Elektra“: König Agamemnon kehrt aus dem Trojanischen Krieg nach Mykene heim, wo sich seine Frau Klytämnestra derweil den Liebhaber Aegisth angelacht hat. Die beiden erschlagen Agamemnon im Bad mit einem Beil, woraufhin dessen Kinder Elektra und Orest auf Rache sinnen. Schließlich bringt Orest auf grausame Weise zuerst seine Mutter Klytämnestra und dann auch Aegisth, den Mörder seines Vaters, um. Woraufhin die Anhänger Agamemnons auch noch blutige Rache an den Bütteln Klytämnestras und Aegisths nehmen. – Nicht gerade eine Oper für den Faschingsdienstag ...
Und nicht gerade eine Oper, aus deren Personal man unbedingt den Vornamen für sein Kind entlehnen würde. Noch dazu wo Aegisth in der Oper als feiger, feister Schwächling gezeichnet wird. Nicht von ungefähr rangiert Egisto in der Liste der Vornamen aktuell auf Platz 26.247 und wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,00009 Prozent vergeben. Aber exklusiv ist er, der Name, das muss man ihm lassen. Und einigermaßen exotisch.
Man stelle sich vor, Egistos Eltern wären keine Strauss-, sondern Verdi-Fans gewesen. Dann hätten wir jetzt eine Spionageaffäre um Radames, Manrico oder Othello Ott.