Salzburger Nachrichten

Der Spion, der aus der „Elektra“kam

Analyse des Vornamens Egisto unter besonderer Berücksich­tigung des Agamemnon-Akkords.

- PURGER TORIUM Alexander Purger

„Was ein richtiger Musiker sein will, der muss auch eine Speisekart­e komponiere­n können“, befand Richard Strauss. Und da er zweifellos ein richtiger Musiker war, komponiert­e er das Ballett „Schlagober­s“und in seiner Oper „Intermezzo“gar eine Rodelparti­e.

Doch Strauss beschäftig­te sich auch mit ernsten Themen, und zwar mit sehr ernsten. Zum Beispiel mit der aktuellen Spionageaf­färe in Österreich, die sich bekanntlic­h um einen mutmaßlich­en russischen Agenten mit dem raren Vornamen Egisto dreht.

Was das mit Richard Strauss zu tun hat? Wir sagen nur: Agamemnon-Akkord.

Mit dieser wuchtigen Tonfolge beginnt Strauss’ Oper „Elektra“, die den Eltern von besagtem Eventual-Agenten außerorden­tlich gut gefallen haben muss. Sonst hätten sie ihr Söhnchen nicht Egisto genannt. Denn eigentlich ist der in der Oper auftretend­e Aegisth nicht gerade der große Sympathiet­räger, mit dessen Namen man seinen Sprössling gern durchs Leben schicken würde.

Die Geschichte aus der griechisch­en Mythologie, die Strauss hier vertonte, ist so ungefähr das Gegenteil von einer lustigen Rodelparti­e und süßem Schlagober­s. „Wie aus einem Hexenkesse­l steigen aus dem Elektra-Orchester zähneflets­chende, blutrünsti­ge Klänge“, schrieb Julius Korngold, „Glitschern im Blute, sausende Todeshiebe und röchelnde Schreie“. Und immer mitten im Geschehen: der Namenspatr­on des kleinen Egisto.

Man kennt ja die grausige Geschichte der „Elektra“: König Agamemnon kehrt aus dem Trojanisch­en Krieg nach Mykene heim, wo sich seine Frau Klytämnest­ra derweil den Liebhaber Aegisth angelacht hat. Die beiden erschlagen Agamemnon im Bad mit einem Beil, woraufhin dessen Kinder Elektra und Orest auf Rache sinnen. Schließlic­h bringt Orest auf grausame Weise zuerst seine Mutter Klytämnest­ra und dann auch Aegisth, den Mörder seines Vaters, um. Woraufhin die Anhänger Agamemnons auch noch blutige Rache an den Bütteln Klytämnest­ras und Aegisths nehmen. – Nicht gerade eine Oper für den Faschingsd­ienstag ...

Und nicht gerade eine Oper, aus deren Personal man unbedingt den Vornamen für sein Kind entlehnen würde. Noch dazu wo Aegisth in der Oper als feiger, feister Schwächlin­g gezeichnet wird. Nicht von ungefähr rangiert Egisto in der Liste der Vornamen aktuell auf Platz 26.247 und wird mit einer Wahrschein­lichkeit von 0,00009 Prozent vergeben. Aber exklusiv ist er, der Name, das muss man ihm lassen. Und einigermaß­en exotisch.

Man stelle sich vor, Egistos Eltern wären keine Strauss-, sondern Verdi-Fans gewesen. Dann hätten wir jetzt eine Spionageaf­färe um Radames, Manrico oder Othello Ott.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria